Hermann Braun
Wenn einer eine Reise tut
Müllers Reisen
Mit dem Koffer vollgepackt,
und dem Rucksack zentnerschwer,
den die Frau trägt huckepack,
hetzt sie Müller hinterher.
Müller doch, ganz frei und locker,
fein gestylt im Knickerbocker,
schreitet forsch der Frau voran,
sodass sie ihm kaum folgen kann.
Und doziert, wie sie so schreiten,
von den „juuuten“ alten Zeiten,
schaut sich dabei nicht mal um,
nach dem Weibe, das geht krumm.
In dem Abteil Bürger spießen,
dicht gedrängt um Müller rum.
Keinen Platz sie Müllers ließen.
Müller doch bleibt kleinlaut, stumm.
Schon hört man den Schaffner kommen,
der den Fahrschein sehen will.
Müller packt das kalte Grausen,
macht sich klein und ist ganz still.
Denn der Müller der hat ja keinen:
nicht für sich noch für die Frau.
Stottert was von "hab’s vergessen!"
im Gesicht aschfahl und grau!
Und schon packt der Schaffner locker,
Müller an dem weißen Kragen.
Schmeißt ihn raus samt Knickerbocker,
ohne ein Wort laut zu sagen.
Müller jetzt so gar kein Held,
landet wie ein Schwarzmarktschieber,
im hohen Bogen und kopfüber,
mit dem Arsch im Rübenfeld.
„Nee, was ist die Welt doch schlecht!“,
hört man Müllers Alte schreien.
„Und du Schaffnerschwein erst recht!“
Tritt ihm voll vors Schienenbein!
Aus dem Zug, der nicht mal hält,
weil der Fahrschein nun mal fehlt,
schmeißt der Schaffner, trotz Gegacker,
och die Olle in den Acker!
Beide sehen grausig aus.
Spott und Hohn sind der Applaus.
Müller jetzt kein Mann von Welt
als sie schleichen still vom Feld!
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.11.2023.
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