Patrick Rabe

Wie fluide darf es sein?/Was denkt die Stadt wirklich?

Wie fluide darf es sein?/Was denkt die Stadt wirklich?/Das Ich

Eine Reflexion
von Patrick Rabe

Welches Narrativ- um einen neumodischen Begriff zu bemühen- glaubt die Stadt wirklich? Sicherlich nicht das von Politik und Meinungsmachern vorgegebene. Was darf es aber dann sein? Außeriridische, Zombies, Scientology, die jüdische Weltverschwörung, Christi Wiederkehr? Immerhin ist man sich über die nahezu apokalyptische Tragweite des Geschehens einig. 

Was Menschen wirklich glauben, hat oft eine ganz eigene Dynamik, vor allem dann, wenn das von oben vorgegebene Weltbild sehr stark auseinanderklafft mit dem real Erlebten.

In einem Cafè verwechsle ich einen Mann mit dem Poetry-Slam-Macher Hartmut Pospiech. "Hartmut?", frage ich. "Nein.", sagt der andere irritiert, und setzt noch irritierter hinzu: "Oder war ich mal Hartmut?"

Ich frage mich, wie fluide- also fließend- sich Menschen mittlerweile wahrnehmen. Wird an ein eigenes Ich denn gar nicht mehr geglaubt? Kann man mal heute der und morgen ein anderer sein?

Jemand, den ich kenne, versuchte mir allen Enrstes weiszumachen, er sei auch schon mal Bob Dylan und Udo Lindenberg gewesen. Frei nach dem Dylan-Satz "People don't live or die, people just float."? Oder stecken der Glaube an Seelen-und Geistwanderungen oder Anschauungen aus dem transzendentalen Buddhismus dahinter? Ich habe die Zeiten noch erlebt, als Shri Muktananda und Shri Arubindo Vorträge in dieser Stadt hielten. Ein goldenes Zeitalter für Linke und Sinnsucher. Kann sein, dass in den Künstlervierteln von Hamburg immer noch viele Menschen von diesem Denken beeinflusst sind. Heute gibt es keine vernünftige Spiritualität mehr. Nur noch den wirren Glauben an Außerirdische und Zombies, Scientology und religiösen Fundamentalismus. Hamburg hat leider große Teile seiner spirituellen Weiträumigkeit und Offenheit eingebüßt. Vieles der "neuen" Deutungen und Narrative kommt von rechts. Sehr oft sehe ich Menschen, die nicht zu wissen scheinen, wer sie sind, und ob sie gerade überhaupt irgendjemand sind.

Angeblich wissenschaftliche Erhebungen, es gäbe kein Ich und alles seien nur neuronale Abläufe, haben viele Menschen stark beeinflusst. Aber was passiert mit einem Menschen, der schon gar nicht mehr glaubt, dass er ein Ich hat? Er wird anfällig für diverse Strömungen, die ihn noch weiter darin bestärken, und ihm sein Ich schlussendlich nehmen. Ich komme da mehr von durchaus sehr unterschiedlichen Denkern wie Rudolf Steiner - bevor er ins wahllos Esoterische abdriftete- und Theodor Adorno her, die ja beide von einem Ich und dem Menschen als eigenständigem Individuum ausgehen, das moralisch relevante Entscheidungen treffen kann.

Ich habe mich der Fluidität nicht ergeben. Sie ist mir unheimlich. Ich beharre auf mein eigenes Ich. Es macht mich wertvoll. Es macht mich zu etwas Einzigartigem: Zu mir selbst. Jeden von uns gibt es nur ein einziges Mal. Jeder ist wunderbar und unverwechselbar. Das Ich ist so kostbar. Es aufs Spiel zu setzen halte ich für Sünde.

© by Patrick Rabe

geschrieben am Dienstag, den 2. Januar 2024 in Hamburg
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.01.2024. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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