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Sven Eisenberger (18.09.2023):
Lieber Klaus (hoffe, die Anredeform ist ok),
erst einmal möchte ich Dir für die Lektüre und ausführliche Kommentierung meines Textes (und die stlistischen Blumen) danken! Dass ein Text, der vor 25 Monaten eingestellt wurde, nach solch langer Zeit anscheinend noch eine solch gewaltige Resonanzschwingung auslösen kann, stimmt mich im Sinne aller noch schreibenden Gelegenheitsautoren äußerst hoffnungsvoll. Aber da sind wir dann auch gleich schon beim ersten Problem: mein Text mag zwar vor allem in der Problembeschreibung immer noch „brandaktuell“ (um einmal nur auf die Zahl der Waldbrände seither anzuspielen) sein, und doch gebietet es die Fairness, stets den zeitlichen Kontext zu beachten, in den jeder Text nun einmal eingebettet ist: August 2021 – politische Desillusionierung nach vielen Jahren Großer Koalition und gesellschaftlichen Stillstandes (dass die SPD die BT-Wahl gewinnen würde, glaubten im August nicht einmal die eingefleischtesten Sozis), keinerlei wirklichkeitstaugliche klimapolitische Konzepte (nur die übliche Phraseologie), und die AfD war zwar präsent, aber politisch zu vernachlässigen, weil selbst im Osten noch keine Mehrheitspartei. Das alles zu unterschlagen bei der Auseinandersetzung mit meinem Text, nenne ich unredlich, und so wird es dich nicht verwundern, wenn mir einiges an deiner Kritik doch arg konstruiert vorkommt. Ich frage mich ernsthaft, ob ich denn da zu einer von dir ins Visier genommenen politischen „Feindfigur“ tatsächlich tauge. Zu behaupten, AfD-Leute und ich seien sich „schweigend einig“ (und wer schweigt hier? Ich schreibe!), ist offenkundig Schwachsinn und selbst bei oberflächlicher Lektüre umgehend als sachlich falsch zu entlarven: im Unterschied zu mir leugnen jene Figuren nämlich grundsätzlich jegliches Existieren einer Klimakrise. Und ich präsentiere auch keine simplen Lösungen für zunehmend komplexer werdende Probleme, wie Populisten das gerne tun. Die Ironie, die darin liegt, dass sich Soylent Green als Krönung der Kreislaufwirtschaft betrachten ließe, dürfte dir nicht entgangen sein. Kann es sein, dass du an einer unbehandelten Allergie gegen Dystopien leidest? Wenn ja, sei dennoch unbesorgt: Sie dienen dazu, die Menschheit rechtzeitig zu warnen. So kann es kommen, wenn... Und es ist immerhin erstaunlich, was man 1973 schon für möglich hielt.
Es dürfte auch unmöglich sein, aus anderen Texten da eine ideologische Kumpanei herbeizukonstruieren, und wie das eben so ist, wenn man mit dem Finger auf jemanden zeigt (und drei Finger in die eigene Richtung zeigen): Deine offenkundige Angst vor den nach Europa migrierenden „Horden aus dem Osten“ und dem globalen Süden scheint mir eher AfD-kompatibel zu sein als meine literarische Weitervearbeitung eines dystopischen Filmszenarios aus den frühen 1970er Jahren. Übrigens – da bleibe ich dem ausgewiesenen Pessimisten, der ich ja nun bin, gerne treu - teile ich keinesfalls deine optimistische Einschätzung, dass Höcke & Co. sich im Ernstfall wirklich für ihr „geliebtes Vaterland“ opfern würden, stehen doch die Attribute „Ehrlos und Feige“ auf jedem ihrer Koppelschlösser.
Die Bezeichnung „Untergangsdandy“ (Urheberrecht bei dir?) finde ich dagegen sehr gelungen und, wenn ich ehrlich bin, auch zutreffend, denn gute Freunde sorgen sich tatsächlich seit geraumer Zeit um meine mentale Verfassung und fragen, ob ich nur zynisch geworden sei oder bereits akut depressiv. Beides gleichzeitig geht ja nicht, da der Zyniker sich wenigstens einen Rest an Widerstandsgeist bewahren muss! Erklärend zur Genese des Zynikers: Wenn man sich lange Jahre für all jene von dir aufgezählten konkreten Veränderungen auf kommunaler Ebene engagiert hat und immer wieder mitansehen muss, wie am Ende Dummheit und zementierte Verwaltungsstrukturen triumphieren, dann mögen dem Autor sämtliche resignativen Züge und zynischen Kommentare bitteschön vergeben sein!
September 2023: Heiterer Gemütszustand, seit längerer Zeit auf dem Weg der Besserung, obwohl immer noch kein Optimist. Auch wenn die Ampelkoalition gravierende Fehler gemacht hat, tut sich doch etwas im Lande – das ist schon mal ein gutes Zeichen.
Beste Grüße
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