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Egbert Schmitt (12.06.2022):
Vielen Dank Hans für die Korrespondenz. Mein Kindheits &
Jugend-Dilemma war immer der nonkonforme
Musikgeschmack in der falschen oder jeweiligen Schul-
Hierachie. Wir hatten familiär einen ausgefallenden Hang zur
außer-gewöhnungs-bedürftigen Musik, die zu meiner Zeit
nur Familien aus – angeblich gebildeten Schichten –
zugänglich war, oder für sich – als Solchen - hielten. Den
Kontext Sie aber meist nicht verstanden, als Hör-Theoretiker.
Damals noch weit mehr als heute. Was auch an meinem
Vater lag, der erst die Beatles wahrnahm, als ER Sie
Tanzorchestral mitgestaltete. Meine Mutter mochte eher
Rene Kollo und Anneliese Rothenberger. Meine einfach
gestrickten Großeltern aus Franken und Oberbayern (ich
wuchs – Nord & Süd zweisprachig - auf, fast schon schul-
problematisch …), mochten Trachtlermusik. Also echte
Volksmusik. Zitter (Eibl Sepp) und Hackbrett mit Gitarre.
Reine Hausmusik. Richard Wagner kannten Sie nur vom
Adolf, der Götterdämmerungs-Auszüge daraus für
martialische Kriegsführung benötigte, bis es auch den letzten
NS‘ler dämmerte. Lehar & Kalman, oder Oscar Strauß aus
der Silbernen Operettenära, die mir heute (zwangsweise) im
Semi-Orchester keine Probleme bereitet, im Gegensatz zu …
meinen studierten Amtsmusikern. Die manchmal spielen
müssen, wenn die Stadt Nürnberg uns aussendet. Nicht mein
Faforit. - In den jungen Jahren meines Vaters spielte Er
besagte Musik – rund um die Uhr -. Andere Notenmaterial
gab es nicht zu erwerben. Es existierte zwar den Will Meisel
Verlag der für die - Berliner Besetzung – arrangierte), siehe
Max Raabe und Orchester-Instrumentierungen. (1 Posaune
zwei-drei Trompeten, 3 Saxophone, Klavier, Kontrabass,
Schlagwerk und oftmals spielten einige Musiker als
Zweitinstrument Streichinstrumente. Kennst du die
Orchester-Probe von Karl Valentin !? So in etwa. Vater
spielte überall, auch weil er arbeitslos war und - das wenige
Geld brauchte -, auch um sich Befähigungen anzueignen, in
diesen konzertanten Grundlagen-Trachtenorchestern, die
von Militärmusikern durchsetzt waren. Harte Jahre. Die alten
Musiker ließen junge Leute nicht hochkommen. Er machte 8
Stunden am Tag seine P-Übungen, weil die Firma Siemens
ihm - als gelernten Dreher - kein Arbeit mehr gab, nach der
Rezession der Nachkriegstage. Über einen Amateur-Tanz-
Orchesterleiter kam er zu einer Anstellung in einer Bank, wo
dieser auch arbeitete. Und eine Wohnung im Bankhaus, wo
ich aufwuchs und er letztendlich auch starb - im
Nibelungenviertel -. (Nachzulesen unter HASTE TÖNE, im
Forum). Studiert haben - wir beide - nicht das Musikwissen.
Hart erarbeitet aber. Ich bin an der Musik-Wirklichkeit
gescheitert. Erst 25 Jahre nach seinem Tod habe ich – mit
seinen immens teuren Top-Instrumenten – wieder begonnen,
mit anderen Spätzündern. Vor allem mein Vater biss sich in
diesen Jahren durch alle Bands die in Süddeutschland
existierten, die amerikanischen Swing beherrschten und sein
tiefes schweres Extra- (btb)-Blas-Instrument benötigten, dass
er spielte, welches nur in größeren Formationen vorkam. Für
mich war das fatal in den einfachen Schuljahren, wenn wir -
LPs mit Musik - mitbringen sollten UND ICH …. du hast es ja
gelesen … was ich seit Kleinkind verinnerlichte. Am Land
wäre ich in einem Jugendblasorchester gelandet. Meine
Ferien verbrachte ich in Ingolstadt. An Musikunterricht dachte
da keiner. Auch in der Großstadt gab es zu meiner Zeit diese
Möglichkeit nicht. Meine Südstadt-Mitschüler hörten später -
Middle oft he Road - und ich brachte - Spike Jones and his
City Slickers - mit. Ein Metall-Warenorchester aus den 40ern,
die gängige klassische Musik schwülstig begannen und
Swing-krawallig mit Kuhglocken; Hühner-Gegacker,
Gerümpel warfen und Revolverschüssen (alles in der
richtigen Tonlage) demontierten. Musiker für - zu Gute -
Musiker spielten. Gerald Hoffnung (Deutsch-Engländer,
klassische Musik verulkt-vermischte und auch zeichnen
konnte, sie Youtube) zog ich nicht mal in Erwägung
mitzubringen. Das an Musik, verstand nicht mal meine
Verwandtschaft, egal wo, noch heute. Auch Gerald H. spielte
- gekonnt falsch -, wie Spike Jones, was selbst meinen
Lehrer verunsicherte, der jedes Jahr DIE MOLDAU
durchnahm und vermutlich dachte, ob ich nicht ganz Dicht
und Denker bin. - Ich verehre auch seither Rolf Wilhelm, der
die Lausbubengeschichten von Ludwig Thoma vertonte. Wie
Quirin Amper & Fred Strittmatter die Klamauk-Serien
untermahlten, in meiner Jugendzeit. Muss man sich ohne
Bilder anhören, wenn (Rolf Wilhelm den Ludwig T
musikalisch beschreibend), dieser – die weißen Mäuse – in
das Touristen-Schlafzimmer über die Leiter zum Fenster
ausbringt. Genial, was da an skurrilen Ideen Untermalungs-
Musik rüberkommt. Orbitant gemischt ist mit bayrischem
Einschlag. Slapstick-Trachtlerjazz. Raimund Rosenberger,
der den Komödienstadl live untermahlte, machte dies ähnlich
mit seiner speziellen (Berliner)-Besetzung,. Hier swingt die
Trachtenmusik. Hans Ehrlinger an der Posaune. Was der für
einen weichen Ton hatte. Hat mit meinem Vater und P.
Herbolzheimer im BR-Orchester J. Nissen gespielt (Dave
Daffodil). Die Hälfte der musischen Trachtler waren eigentlich
„ verkleidete“ Hugo Strasser Musiker in Lederhosen-Uniform.
Meine Lieblingsplatte aus späterer Zeit zur bayrischen
Volksmusik ist die Pressung einer Promo-LP vom Bavaria-
Sound-Orchestra. Reines Studio-Orchester. Urbayrische
Musik (swinging Appenzell) mit einer tragbaren leicht
verstimmten Kirchenorgel. – ICH wurde so gesehen- nur
nicht – in der Schule zum Musik-Außenseiter, weil meine
sportlichen Ambitionen vielschichtig/er waren. Mein Vater war
früher ein bekannter Torsteher und mein Großvater
olympischer Turner. Das glich Anderes aus unter den
Mitschülern. Aber für die höhere Schulweihen hätte ich
jemanden gebraucht, der einem Kind aus der
Arbeitersüdstadt auf die Sprünge geholfen hätte. War
eigentlich immer an der frischen Luft, meistens am Bolzplatz.
War so, hat keinen gekümmert. Hauptsache um 17 Uhr zu
Hause. War auch - ein Oma-Kind - und gut behütet nach
dem Grauen des Krieges, den ICH – Gnade der späten
Geburt 57 - nicht vermittelt bekam. Brav und katholisch halt.
Arbeitersüdstadt Nürnberg. Mein Vater hat dies nur - durch
Können - in der Musik überwunden, aber – die Studierten –
habe ihn nicht gewürdigt. Profi-Musiker spielen untereinander
exzellent, aber privat sind Sie oft menschliche Nieten,
gönnen sich nichts in ihren mageren Pfründen. Wie mein
Vater früh starb, haben - die Frauen, der Männer - aus seiner
Amateure-Zeit, Sie angerufen, ob Sie nicht mit in den
Stadtpark Kulturverein kommt. Haben Mutter‘n anstandslos
eingebettet. Bis heute, obwohl meine Mutter bislang alle
überlebt hat, vermutlich auch mich. Die Profis haben sich
kaum mehr gerührt, die bei UNS früher Tag und Nacht ein
und ausgingen. Ich kam oft als Kind in den altklugen
Verdacht, weil ich nur mit Erwachsenen und von deren
Musik(er)gesprächen alles mir abhörte. Peter Herbolzheimer,
Erice Crespo und Dirigenten aus anderen z.B. HR-
Rundfunkanstalten, die meines Vaters Klassik-Jazz-
Spielauffassung bevorzugten. Er konnte in Btb-Tiefen
vordringen wie Raumschiff Enterprise im Jazz-Universum. -
Max Gregers Musiker oder die von Strasser wollten dass
mein Vater fest bei Ihnen fest mitmachte. Mutter ablehnte.
Strasser spielte 15 mal im Monat und – nicht nur im
erweiterten Süddeutschland. Günther Noris hätte ihm für die
Big Band der Bundeswehr gebraucht. Hätte er letztlich
machen sollen. Würde heute evtl. noch leben, gut
abgesichert. Und ich könnte Ihn fragen, wenn ich nicht -
spieltechnisch - weiterkomme. Aber vermutlich wäre ER
trotzdem am Kettenrauchen dann etwas später verstorben.
Unterhaltungs-Musiker von damals sind nicht zu vergleichen
mit den heutigen. Vor allem hat sich die Instrumentierung –
im gängigen Publikums-Geschmack – extrem verändert.
Kaum mehr analoges Musizieren sondern nur noch eine
Aneinanderreihung von synthetischen Klängen. Ausnahme
die alte Klassik wenig Jazz aber hier in Bayern viel
bodenständige überlieferte und modern interpretierte
Volksmusik (Kuba-Bayrischen oder La Brass Banda). Gruß
vom Egbert
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