Andreas Dany

Die Kleine Fee 9 Ende des ersten Abenteuers

Die Ritter boten ein jämmerliches Bild. Sie waren alle völlig entkräftet und einige von Ihnen hatten tiefe Kratzer, Beulen oder andere Blessuren. Aber alle waren am Leben und sogar ihre großen kräftigen Pferde hatten überlebt, auch wenn sie jetzt gar nicht mehr groß und kräftig aussahen. Zum Glück floss ein winziger  Gebirgsbach durch den kleinen Felsenkessel, so dass sie in den vergangenen zwei Wochen wenigstens nicht verdurstet waren.

„Jetzt müssen wir die Ritter und ihre Pferde nur noch heil über diesen Geröllberg kriegen!“, sagte Prinzessin Bianca. „Wir könnten das Geröll doch einfach wegschieben.“, rief der Steinriesenvater  mit seiner dröhnenden, ohrenbetäubend lauten Stimme. Doch allein durch dieses laute Geräusch lösten sich wieder einige Steine von dem Berg und  fielen polternd auf beiden Seiten zu Boden. Den Riesen machte das nichts aus, für sie waren die mächtigen Felsbrocken nicht größer als bunte Legosteine für uns. Aber die Ritter im Kessel auf der einen Seite und die kleine Fee und ihre Freunde auf der anderen Seite konnten sich nur mit einem beherzten Sprung zur Seite in Sicherheit bringen.

„Das war knapp!“, rief die kleine Fee. „Aber wer sagt denn, dass die Ritter ü b e r den Geröllberg in die Freiheit gebracht werden  müssen?“, fragte die kleine Fee und sah den kleinen grünen Zwerg mit einem verschmitzten Lächeln an. „Ich verwandle den Steinberg rasch in festen, klebrigen Lehm, dann kann der kleine grüne Zwerg doch rasch einen Tunnel graben. Meinst du, dass du das schaffst?“, fragte sie ihren kleinen Freund.

„Aber das dauert doch viiiel zu lange!“, rief Prinzessin Bianca ängstlich, „Die Ritter sind doch jetzt schon halbtot!“

Die kleine Fee lächelte sie freundlich an: „Du kennst meinen kleinen Freund noch nicht!“, mit diesen Worten zog sie den Beutel mit dem Feenstaub aus der Tasche, nahm eine kleine Prise davon zwischen zwei Finger und pustete den Staub über den Geröllberg.

Das Ergebnis war beeindruckend – Dort wo der Feenstaub die Steine berührte, verwandelten sie sich sofort in eine feste, klebrige, braune Masse. Es sah fast so aus, als ob ein Kuchen mit dunkelbrauner, flüssiger Schokoglasur überzogen würde. Schon nach wenigen Augenblicken erhob sich vor ihren Augen ein riesiger Lehmberg

Der kleine grüne Zwerg spuckte in seine Hände. Nahm den kleinen grünen Spaten fest in seine kräftigen Hände und rief:

 

Jetzt geht rasch zur Seite, denn ich lege jetzt los
Der Tunnel wird prächtig, der Tunnel wird groß!

 
Nach diesen Worten stieß er den Spaten in den Lehm. Als die Prinzessin und die Riesen sahen, in welcher Geschwindigkeit der kleine Zwerg buddelte brachten sie sich noch etwas weiter in Sicherheit. Der Lehm flog nur so aus dem Tunnel und schon nach kürzester Zeit war der Lehmberg durchstoßen und ein  fast zwei Meter hoher Tunnel führte zu den Eingeschlossenen.

Die kleine Fee und die Prinzessin eilten durch den Gang zu den entkräfteten Ritterinnen und Rittern. Die Ritter konnten Ihr Glück kaum fassen. Viele von Ihnen hatten nicht mehr an eine Rettung geglaubt. Alle hatten ihre schwere Eisenrüstung abgelegt, hielten aber ihre Schwerter abwehrbereit in den kraftlosen Händen. Schließlich ist der Anblick von vier Riesen, auch wenn nur zwei davon ihre volle Größe erreicht haben, ein recht bedrohlicher Anblick. Die Prinzessin, die natürlich alle kannten, beruhigte ihre Soldaten aber schnell.

„Ein leerer Bauch marschiert nicht gerne!“, verkündete die Prinzessin. „Aber in meinem Rucksack sind nur noch ein paar Reste!“, bedauerte die Prinzessin. „Ach, das macht doch nichts, gib mal her“, erwiderte die kleine Fee. Die Reste aus Prinzessin Biancas königlichem Proviantrucksack und eine Prise Feenstaub verwandelte sie augenblicklich in einen riesigen Proviantberg, der nicht kleiner zu werden schien, obwohl selbst die Riesen sich  ein paar „Häppchen“ gönnten. Auch der kleine Zwerg hatte wieder Hunger, was nicht verwunderlich war, da er immer Hunger hatte (es sei denn ihm war gerade schlecht)

Mein Hunger ist mächtig, mein Hunger ist groß
Zum Glück gibt`s ein Picknick, dass ist ganz famos!

 
Erst nach über einer Stunde hatten alle ihren ersten Hunger gestillt. Die kleine Fee drängte jetzt zum Aufbruch: „Wenn ihr heute Abend wieder in euren Betten schlafen wollt, müssen wir uns jetzt etwas sputen!“, verkündete sie. Und alle erhoben sich (der kleine Zwerg nur sehr, sehr ungern) vom Essen und machten sich reisefertig.

Da sie noch einen beschwerlichen Weg durch die Berge  vor sich hatten, packten die Ritter ihre Rüstungen, Schwerter Sättel und auch alle anderen schweren Gepäckstücke in ein riesiges Leinentuch.
Da den Rieseneltern  schon mehrmals die Augen zugefallen waren beschlossen sie zu ihrer Schlafhöhle zurückzukehren um noch ein kleines Nickerchen von vielleicht einem oder zwei Jahren zu machen. „Ihr beide helft den Rittern bei ihrer Rückkehr und baut dann die Stadt wieder auf !“, bestimmte die Riesenmutter. Rumpelchen und Pumpelchen nickten mit dem Kopf. Eigentlich war es ihnen sogar viel lieber, da Riesenkinder viel weniger Schlaf als erwachsene Riesen brauchen.

Während die  erwachsenen Riesen mit Riesenschritten verschwanden, machte sich die bunte Truppe auf den Rückweg zum Schloss. Rumpelchen schritt mit dem Leinentuch, das er zusammengebunden und wie einen Sack über die Schulter gelegt hatte, vorneweg. Der kleine grüne Zwerg thronte wie eine Gallionsfigur  oben auf dem Sack und fühlte sich Zwergenwohl. Pumpelchen ging am Schluss und trug die kleine Fee und abwechselnd das eine oder andere Pferd. Prinzessin Bianca ließ es sich nicht nehmen, in ihren königlichen Wanderschuhen selbst zu laufen. (Sie trug sogar ihren königlichen Wanderrucksack selbst) 

Die Ritter, die durch das Picknick wieder etwas zu Kräften gekommen waren, kamen auch gut voran. Selbst die Pferde, die nur ein wenig Hafer bekommen hatten hielten gut durch. Natürlich wurden sie an den Zügeln geführt, und mussten ihre Reiter nicht tragen.

Sie erreichten den Rand des Gebirges, noch bevor sich die Sonne hinter dem Horizont versteckte. Die Wächter auf den Türmen der Burg entdeckten die Gruppe natürlich sofort und schnell ertönten die Alarmsignale.

Rumpelchen und Pumpelchen versanken fast zwei Meter tief im weichen Moorboden. Nach einem Kilometer bekamen sie große Bretter unter die Riesenfüße geschnallt, von da an ging es besser. (Die Menschen nutzten später diese pfiffige Erfindung, um im Winter  nicht so tief im Schnee einzusinken). Noch viele Jahre später konnte man die Riesenspuren erkennen, da sie mit Wasser vollliefen und eine Kette von kleinen romantischen Teichen bildeten.

Das Schlosstor wurde erst geöffnet, als der König seine Tochter bei der Gruppe entdeckte. Alle versammelten sich auf dem Schlossplatz und ließen ihrer Wiedersehensfreude freien Lauf. Als etwas Ruhe eingekehrt war, stellte sich Prinzessin Bianca auf eine Mauer und erzählte ihren königlichen Eltern und allen Untertanen von der Goldgier der Erzsucher und ihren Folgen. Sie erklärte die „Streiche“ der Riesenkinder und berichtete von der Befreiung der Ritterinnen und Ritter. Am Schluss gab sie noch bekannt, dass Rumpelchen und Pumpelchen sich an den Aufräumarbeiten beteiligen wollten.
Da niemand ernstlich zu Schaden gekommen war, und die Erzsucher ja die eigentlichen Schuldigen waren, verzieh man den Riesenkindern schnell. Der König ordnete ein Riesenfestschmaus an, was außer den drei Ochsen, 6 Spanferkeln und 50 Brathühnchen alle ganz toll fanden. So wurde bis spät in die Nacht gegessen, gelacht und getrunken.

In den folgenden Tagen wurden alle Schäden an Mauern, Dächern und Strassen beseitigt, ja, es wurde alles noch viel schöner als es vorher war. Rumpelchen und Pumpelchen bauten sogar ein riesiges Rad aus Holz, in das sich  die Menschenkinder hineinsetzten. Die Riesen drehten es und die Kinder hatten einen  Riesenspass. (Solche Räder gibt es noch heute, man bezeichnet sie auch noch immer als „Riesenrad“, leider ist unbekannt ob dieser Name wegen der Größe, dem riesen Spass oder ihren Erfindern ausgesucht wurde.) Manche Menschen behaupten sogar, dass das Wort „Rummelplatz“ ursprünglich  „Rumpelplatz“ hieß und der Ort war, an dem Rumpelchen mit seiner Schwester das Riesenrad drehten.

Für die kleine Fee und ihren Freund, den kleinen grünen Zwerg ging das erste große Abenteuer aber nun zu Ende und sie mussten Abschied nehmen. Als der Reiserabe auf dem Schlosshof landete flossen bei allen ein paar Tränen des Abschieds. „Hoffentlich sehen wir uns bald mal wieder!“, sagte Prinzessin Bianca traurig, als sie die kleine Fee und den kleinen grünen Zwerg zum Abschied nochmal in die Arme schloss. Wie bald sich dieser Wunsch erfüllen sollte, ahnte niemand von Ihnen, genauso wenig wie irgendjemand jetzt schon wusste, welches Unheil sich über dem Königreich zusammenbraute.
Prinzessin Bianca sah dem Raben noch sehr, sehr lange hinterher und,

wenn sie nicht gestorben ist,….

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.09.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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