Wolfgang Scholmanns

Wolf steigt aus (Hörfassung)

https://youtu.be/cqdc44XRG84

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Bin kein Profi, deshalb verzeiht mir manchen Stolperstein.

 

 

 

Vielleicht ist es ja mein Traum, von dem ich hier berichte, vielleicht aber auch eine wahre Begebenheit. Es geht in dieser Erzählung um einen Mann, der sich aus den Fängen des „gesellschaftlichen Treibens“ gelöst hatte. Die Menschen waren sich immer mehr Feind und der Egoismus stand den meisten von ihnen auf die Stirn geschrieben. Er lebte nun in einer kleinen Jagdhütte, an einem wunderschönen Waldsee. Schon  vor langer Zeit hatte er davon gesprochen, dass er da draußen, in der Welt des Materialismus und des Machtstrebens, nichts zu suchen hatte. Es wurde ihm immer deutlicher, dass die egoistischen Triebe sich zu würgenden Schlingpflanzen entwickelt hatten, die von den Medien gefüttert, unzählige Ableger in die Welt schickten.

Hier, an diesem kleinen Waldsee, war er glücklich. Er liebte das friedliche Tagerwachen, das ihm, von den Liedern der zahlreichen Waldvögel begleitet, stets einen morgendlichen Gruß brachte, liebte die ruhige Nacht und auch das Flüstern des Windes, der immer wieder neue Geschichten in seinem Gepäck trug. An diesem friedlichen Ort fand sein Geist die Nahrung, die ihm Ausgeglichenheit und Ruhe schenkte. Seinen Wohnsitz hatte er behalten und ab und an sah er, ich will ihn mal Wolf nennen, dort auch nach dem Rechten. Sein Leben jedoch hatte sich in den letzten acht Monaten hier im Wald abgespielt, und das sollte sich vorerst auch nicht ändern.            

Der Vater war vor vier Jahren gestorben und seine Mutter folgte dem alten Herrn nur einen Monat später. Einen Teil des Elternhauses hatte Wolf an einen Rentner vermietet, der sich um den Garten usw. kümmerte. Zwei Zimmer jedoch hatte er für sich behalten und so konnte er, zu jeder Zeit, in seinen Heimatort zurückkehren. Das bisschen Ersparte war auf einem Sparkonto gut aufgehoben und das Arbeitsloseneld, das er von der tollen Behörde bekam, bei der er einst gearbeitet hatte, reichte vollends aus um seine bescheidenen Ansprüche zu erfüllen. Ja, die alte Arbeitsstelle, er vermisste sie nicht. Einige nette Kollegen vielleicht aber die musste man dort schon mit der Lupe suchen. Fast alle waren sie auf Karriere aus, kletterten rücksichtslos die Leiter empor. Am laufenden Band gab es Umstrukturierungen, die mit Versetzungen, Umzügen und Hierarchie-Änderungen einhergingen. Mehrarbeit, Personalabbau, cholerische  Vorgesetze, Machtgehabe, all diese Dinge hatte er hinter sich gelassen, war aus dem untergehenden Boot ausgestiegen.

*

Die alte Jagdhütte hatte er im Laufe der Jahre repariert und recht gemütlich hergerichtet. Auf kleinen Regalen, standen Bücher, Tassen, Teller und so`n Zeugs. Bilder, die in hellen Farben leuchteten, zierten die Wände und auf dem glattgeschliffenen Dielenboden lagen braune und weiße Schaffelle. Eine Holzbank und ein kleiner Tisch standen in dem winzigen Küchenbereich und an der Wand, unter einem Fenster, stand sein selbstgebautes Bett. Ein kleiner Anbau diente als Vorratskammer und hinter der Hütte stand sogar ein kleines Häuschen, dessen Innenraum mit einem sogenannten Plumpsklo ausgestattet war.

Wolf hatte dieses Waldstück mit dem kleinen See und der Hütte von einem reichen Onkel geerbt, der  unten im Dorf einen großen Gutshof besessen hatte. Wald und See waren einst dessen Jagd und Angelrevier. Dieser Onkel wusste genau, wie sehr sein Neffe, schon als kleiner Junge, diesen Teil seiner Heimat liebte. In dem See gab es ein ziemlich großes Fischvorkommen, für das ein kleiner, jedoch fischreicher Bach sorgte, dessen Weg gerade eben durch diesen Waldsee führte. Oft nahm der Onkel Wolf mit zum Angeln und war immer wieder erstaunt, wie geschickt dieser kleine Bursche im Umgang mit den Angelruten und dem ganzen Drumherum war.   

                                                               *

In seiner Jugendzeit verschlang Wolf die Bücher von Jack London. Besonders begeisterte ihn das, von Jack London so phantasievoll beschriebene, Leben der Trapper und Fallensteller. Was ihn jedoch am meisten an diesen Erzählungen  faszinierte, war die Schilderung von der Stille und Einsamkeit der weiten Wälder und Seen, das auf sich selbst angewiesen sein und nur  davon zu leben, was Wald und See zur Verfügung stellten.

Im Bestimmen von Pilzen, Kräutern, Beeren, Bäumen und Sträuchern war Wolf Experte, und auch das Lesen und Erkennen von den Spuren der unterschiedlichsten Tierarten war für ihn ein Leichtes. Oft hatte er sich tagelang in sein Zimmer zurückgezogen und seine Aufmerksamkeit ganz allein diesen Studien gewidmet.  

 Auf Elektrizität und fließendes Wasser musste er hier natürlich verzichten, doch der alte Kohleofen, der noch gut erhalten war, diente als hervorragende Kochstelle und in kalten Tagen sorgte er dafür, dass die Hütte mit wohliger Wärme gefüllt war. Gaslampen und Kerzen waren gute Lichtspender und sein Trinkwasser hatte Wolf in einigen 20L Kanistern gespeichert die er, bei Bedarf, auf einem etwa fünf Kilometer entfernten Bauernhof, nachfüllen durfte. Diese schweren Kanister über eine so weite Strecke zu schleppen, wäre natürlich ein mühseliger Kraftakt  gewesen. Deshalb hatte er sich, für den Transport dieser Behälter, eine Karre besorgt. Diese konnte er auch gut für andere Zwecke gebrauchen. Zum Beispiel diente sie auch dem Transportieren von Holz, welches er im Wald gesammelt hatte.

Ohne Strom gab es natürlich auch keinen Kühlschrank und so konnte er schnellverderbliche Lebensmittel nicht lange aufbewahren. Wenn er zum Fischen ging, nahm er immer nur so viel Beute mit nach Hause, wie er an diesem Tag verwerten konnte. Hatte er allerdings vor die Fische einzulegen oder sogar zu räuchern, durften es schon ein paar mehr sein, denn diese Art der Zubereitung verlängert die Haltbarkeit um viele Tage. Pilze und Kräuter, die er aus dem Wald mitbrachte, wurden, wenn er sie nicht am gleichen Tag verwertete, zum Trocknen auf Fäden gezogen und an ein trockenes, warmes Plätzchen gehängt.

*

 Als er eines Abends am Ufer des Sees saß und über das von kleinen Wellen zerknautschte Spiegelbild des Vollmondes lachte, erinnerte sich Wolf an ein Abenteuer, das er in seiner Jugend erlebt hatte. Sein Onkel hatte versprochen, ihn, an seinem fünfzehnten Geburtstag, mit zur Jagd zu nehmen. Es sollte eine ganz besondere Art der Jagd sein, nämlich die Kaninchenjagd mit einem Frettchen.

Frettchen sind eine Iltisart, die früher oft zum Fang von Kaninchen eingesetzt wurde. Dabei wird das Frettchen, meistens ein unkastriertes Weibchen, mit einem Maulkorb versehen und vom Jäger oder einem Jagdgehilfen in den Kaninchenbau gesetzt. Durch den intensiven Geruch, den so ein Tierchen verbreitet, flüchten die Kaninchen aus dem Bau, werden dann mit der Flinte vom Jäger erlegt oder verfangen sich in, extra für diese Jagd angefertigte, Netze. Wenn man das Frettchen ohne Maulkorb in den Bau lässt, muss man unter Umständen mit langer Wartezeit rechnen, bevor es wieder ans Tageslicht zurückkehrt. Findet es nämlich ein Kaninchen und schafft es, dieses zu erlegen, frisst es sich erst einmal satt und legt sich anschließend schlafen. Oft schon haben Jäger ihren kleinen Jagdgenossen ausgraben müssen, um nicht die ganze Nacht am Kaninchenbau verbringen zu müssen.

Früh morgens ging es los. Zwei Jäger, Bauern aus der Nachbarschaft des Onkels, und sein vier Jahre ältere Cousin,  holten Wolf ab. Nach einer übertriebenen Begrüßung, wie sie in seiner Familie üblich war, überreichte ihm der Onkel eine kleine Holzkiste. Der Deckel der Kiste bestand zum größten Teil aus Gitterstäben, sodass man in sie hinein sehen konnte .Das war also ein Frettchen. Ein seidiges weißes Fell hatte es, rote Augen und einen frechen Blick. Es war überhaupt nicht scheu und als er seinen Finger zwischen die Gitterstäbe schob, ließ es sich, ohne ihn zu beißen, sogar von ihm streicheln. „Das ist Max.“, sagte sein Cousin. „Ein ganz lieber Bursche. Mit ihm erzielen wir meistens gute Fänge, aber das wirst du ja gleich erleben.“

Nach zwanzig Minuten Fußmarsch, kamen sie an eine Lichtung, in der sich, zwischen Heidekraut und Farn, ein großer Kaninchenbau befand. Die beiden Jäger, die sein Onkel zu dieser Jagd eingeladen hatte, schnallten ihre Rucksäcke ab und holten einige Netze aus ihnen hervor. An den Enden dieser Netze, baumelten, in verschiedenen Abständen, ca. dreißig Zentimeter lange Metallstifte, mit denen die Netze befestigt wurden. Damit sperrten sie einen großen Teil der Öffnungen, die zu den Kaninchenbauten führten ab und überprüften anschließend noch mal den Sitz der Stahlstifte. Dann nickten sie dem Onkel zu. „Kannst das Frettchen setzten!“ rief einer von ihnen. Wolfs Onkel nahm das Tier aus der Kiste, hob eines der Netze an, setze es vor den unterirdischen Gang und sah zu, wie es nach kurzer Zeit verschwand. Es dauerte nicht lange und die vor dem Räuber flüchtenden Kaninchen landeten in den Fangnetzen. Die beiden Jäger griffen sofort zu, töteten die Tiere mit einem gezielten Schlag in den Nacken, und verstauten sie in einem der großen Rucksäcke.

Es wurden noch drei andere Stellen aufgesucht, an denen sich dieses Schauspiel wiederholte. Danach wurde ein erfolgreicher Jagdtag, mit einer Beute von vierzehn Kaninchen, beendet.

Drei dieser Wildkaninchen durfte Wolf mit nach Hause nehmen. Sein Vater zeigte ihm wie man den Tieren das Fell abzieht und sie anschließend ausnimmt und tranchiert. Das schönste für ihn war allerdings, dass er am kommenden Sonntagmorgen, seiner Mutter bei der Zubereitung des Wildkaninchenbratens helfen durfte.  

Ja, leckere Speisen zubereiten, das konnte Wolf. Oft hatte er mit seiner Mutter, die eine hervorragende Köchin war, zusammen gekocht und schnell gelernt was so einigen Gerichten den richtigen Pfiff gab. Kräuter und Pilze z.B. waren schmackhafte Zutaten und mit denen kannte er sich ja genauestens aus.

*

In diesen Erinnerungen vertieft, kam ihm plötzlich der Gedanke, sich ein Frettchen für die Kaninchenjagd zu beschaffen. Die Netze und den Käfig hatte er, schon bald nach dem Tod seines Onkels, von seinem Cousin angeboten bekommen. Der konnte damit nichts mehr anfangen. „Du hast doch die Jägerprüfung gemacht.“, hatte er noch gesagt, „Vielleicht hast du irgendwann einmal Verwendung dafür.“ Ja, die Jägerprüfung hatte er damals gemacht, die Jagd aber nie so betrieben, wie es die meisten seiner Waidgenossen taten. Nie hatte er ein Tier nur so zum Spaß getötet. Wenn Freunde oder Bekannte ihn nach leckerem Wildbraten fragten, verwies er sie an Metzgereien oder an andere Jäger. Ob er nach Fischen, Hasen, Fasanen oder Rehwild jagte, er schoss oder angelte, nur für den eigenen Bedarf.

 Als Inhaber des Jagdscheines und als Revierbesitzer, war ihm das Frettieren, so nennt man die Jagd mit einem Frettchen, erlaubt. Unten am See gab es genügend Kaninchenbauten, und so wollte sich Wolf, der „für sein Leben gern“ Wildkaninchenbraten aß, ab und zu mal eine leckere Portion dieses zarten Wildbrets gönnen. Die lautlose Jagd war ihm angenehmer als das knallende Geräusch der Flinte oder Büchse und er beschloss, am nächsten Tag, einen alten Bekannten, der Frettchen züchtete, zu besuchen.

Bevor er diesen Herrn aufsuchte, führte ihn sein Weg auf den alten Gutshof seines verstorbenen Onkels. Er hatte die Netze damals nicht abgeholt und hoffte, dass sich diese noch auf dem Hof befinden würden. Micha, sein Cousin, begrüßte ihn freudig und nachdem sie zusammen eine Tasse Kaffee getrunken hatten und Wolf ihm von seinem Leben in der „Wildnis“ und seinem neuesten Vorhaben berichtet hatte, führte Micha ihn in die Jagdkammer seines verstorbenen Vaters. Die Decke dieses Zimmers bestand aus rustikalen Holzstämmen und von den rauchgefärbten Wänden protzten einige kapitale  Hirschköpfe mit ihren mächtigen Geweihen. „Hier sind die Netze, und da steht auch der kleine Frettchenkäfig. Nimm ruhig alles mit. Wir brauchen dieses Zeugs sowieso nicht mehr.“, sagte Micha, der gerade damit beschäftigt war, sich Staub und Spinnweben aus Kleidung und Haaren zu schütteln. Er hatte die Netze nämlich aus einer staubigen Nische geholt, die sich neben einem uralten, mit Jagdmotiven verzierten, Schrank befand.

Nach einer herzlichen Verabschiedung, suchte er den alten Bekannten auf. „Na dich hab ich ja schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen, Wolf. Dachte schon die Füchse hätten dich gefressen, ha ha.“ „Hallo Paul, Unkraut vergeht nicht, wie du siehst. Aber Spaß bei Seite. Ich bin zu dir gekommen weil ich ein Frettchen brauche. Für die Kaninchenjagd, weißt du.“ „Na klar, dass du es nicht als Kuscheltier haben willst ist mir schon klar.“ Paul war ein Scherzbold und hatte immer einige Späße auf Lager. Natürlich meistens zum Nachteil anderer. Wolf mochte ihn nicht besonders und wollte möglichst schnell zur Sache kommen. „Was ist denn nun, hast du eines oder nicht?“ „Immer mit der Ruhe, mein Guter. Komm mal mit. Er führte mich in einen Schuppen, in dem die Tiere untergebracht waren. „Hier, such dir eines aus. Für die Jagd brauchst du ein Weibchen, ich würde dir vorschlagen dieses hier zu nehmen.“ Er zeigte auf ein cremefarbenes, schönes Tier, das mir auf Anhieb gefiel. „O.k. Paul, das nehme ich. Was bekommst du dafür?“ „Nimm es mit und gut ist.“, sagte Paul. „Der alte Paul gibt seine Tiere nach und nach ab. Ich schaffe das alles nicht mehr, mein Junge. Die Beine sind müde geworden und hier und da kneift`s mich. Heute ist es das Kreuz, dann dieses oder jenes.“ „Na dann danke ich dir herzlich, lieber Paul. Mach`s gut und bis dann mal.“ Wolf setzte das Frettchen, das sich zunächst sträubte, in den kleinen Käfig und trat den Nachhauseweg an.

Es war schon Abend und er war müde geworden. Doch bevor Wolf schlafen ging, nahm er das Frettchen aus dem Käfig und setzte es in eine große Kiste. „Hier drin ist es schöner für dich.“, sagte er. „Nicht so eng wie in dem ollen Käfig.“

*

 Der Morgen kam und nach einem Bad im See, einem kräftigen Frühstück, das aus einer Tasse Milch, Brot, Eiern und Speck bestand, beschäftigte er sich mit seinem neuen Mitbewohner. Dieser wurde auch schnell zutraulich und ließ sich bald, ganz ohne Gegenwehr, auf den Arm nehmen. Bevor er jedoch mit ihm auf die Kaninchenjagd ging, sollten noch ein paar Wochen vergehen.

An einem Morgen, der den Tag mit schon fast herbstlichen Stürmen begrüßte, holte Wolf die Netze aus dem Schuppen und überprüfte ihren Zustand. Er war überrascht, denn alle zehn waren sie noch gut erhalten. Da hatte sein Onkel damals ausgezeichnete Ware gekauft.

Am Nachmittag sollte es dann losgehen. Wolf nahm sein Frettchen, das er auf den Namen Stina getauft hatte, aus der großen Kiste und sperrte es in den kleinen Frettchenkäfig. Das schien der kleinen Stina zunächst gar nicht zu gefallen, aber nach ein paar Streicheleinheiten, kombiniert mit ruhiger Zurede, verhielt sie sich schließlich ganz brav. In dem großen Rucksack, den Wolf sich auf den Rücken geschnallt hatte, waren die Netze verstaut, und an einem Lederriemen, der sich quer über seine Brust spannte, hing ein grüner Leinenbeutel. Dieser Leinenbeutel sollte dem Zwecke dienen, das erbeutete Wild darin transportieren zu können.

„So Stina, dann woll`n wir mal los“, sagte er und blickte dabei in den kleinen Käfig. „Das ist ja wohl das erste Mal für dich, dass du in einen Kaninchenbau geschickt wirst.“

Es waren nur zehn Minuten Fußweg, bis zu dem kleinen Hügel, die sich am anderen Ende des Sees befand. Vor diesem Hügel hatten Kaninchen die Erde mit vielen unterirdischen Gängen durchwühlt und genau hier, an dieser Stelle, wollte Wolf sein Glück versuchen. „Hui, dass sind aber ne Menge Löcher. Hab gar nicht soviel Netze um sie alle absperren zu können.“ Langsam schnallte er den Rucksack ab, holte die Netze heraus und begann damit, zehn der Öffnungen, dessen Anzahl bestimmt um ein vielfaches höher war, abzusperren. Da musste er schon Glück haben, dass die Langohren auch gerade in die mit Netzen versehenen Ausgänge flüchteten. Nachdem Wolf den Sitz der Stahlstifte noch mal überprüft hatte, holte er Stina aus dem Käfig. „Oh Mann, ich habe ja gar keinen Maulkorb. Wenn das nur gut geht.“ Vorsichtig setzte er Stina in einen nichtabgesperrten Höhleneingang und beobachtete, wie diese sich auf den Weg in den Kaninchenbau machte. Danach war sein Augenmerk ganz auf die abgesperrten Öffnungen gerichtet. Es dauerte gar nicht lange, da ging schon das erste Kaninchen in eines der Netze. Im Nu hatte er es gepackt und mit dem altbewährten Kaninchenfangschlag getötet. Ein zweites folgte und wurde auf die gleiche Weise aus dem Leben geholt. Schnell baute er jetzt die Fangnetze ab, denn zwei Kaninchen waren genug. Stina war mittlerweile wieder aus dem Bau gekrochen und wollte wohl erkunden, wo denn wohl, der verführerische Kaninchenduft herkam. „Bleibst du wohl davon.“, rief Wolf als er sah, dass sein Frettchen sich an dem Leinenbeutel zu schaffen machte. „Ab in den kleinen Käfig, die Kaninchen sind für mich. Jetzt geht es nach Hause, dort bekommst du  etwas zu fressen.“

Nun kam der unbequemere Teil der Arbeit, aber Wolf meisterte ihn im Handumdrehen. Den Kaninchen das Fell abziehen, sie ausnehmen und tranchieren, dies alles hatte er geschwind erledigt. Danach wurden die Teile ordentlich abgewaschen, leicht vorgewürzt und in einen großen Steinguttopf gelegt. Am nächsten Morgen wollte er sie zubereiten.

Die Nacht hatte ihm einen ruhigen und traumlosen Schlaf geschenkt und der junge Spätsommermorgen begrüßte den Tag mit fröhlichem Sonnenlachen. Auf dem vor seinem Fenster stehenden Haselnussstrauch, spielten zwei Eichhörnchen und hoch über dem See kreisten drei Bussarde. Jeden Morgen hielten sie dort Ausschau nach Beute. Das Seeufer war ein hervorragender Lieferant, denn hier gab es Mäuse, Ratten und noch manch anderes Getier, das auf der Speisekarte der Bussarde stand. Außerdem waren da noch die Kaninchen, von denen diese Greifvögel, wenn auch selten, aber doch so manches Mal eines erwischten. Unten im See sonnten sich dicke Karpfen und die im Licht der Sonne buntschillernden Forellen, führten artistische Sprünge vor. Einfach herrlich war es hier. Das er irgendwann wieder zurück in die „Zivilisation“ ziehen würde lag fern, aber er wusste, dass es eines Tages so kommen würde.

 „Guten Morgen Stina“, begrüßte Wolf sein Frettchen. „Du scheinst ja großen Hunger zu haben.“ Lächelnd füllte er Stinas Napf und schaute zu, wie sie ihr Futter genüsslich verspeiste. Danach spielte er noch ein bisschen mit ihr, um das Vertrauen zwischen Mensch und Tier stärker zu festigen.

Der bevorstehende Herbst hatte schon einzelne Blätter mit rotbraunen Farbtupfern geschmückt und durch das Erscheinen bestimmter Pilzarten, sein baldiges Kommen angekündigt. Wolf hatte ein gutes Feuer in dem alten Ofen gemacht und war damit beschäftigt, die beiden Wildkaninchen anzubraten. Wildkaninchen bringen im Gegensatz zu den Hauskaninchen, die bis zu zehn Pfund und schwerer werden, nur ein Gewicht zwischen 700 und 1500 Gramm auf die Waage. Diese beiden hier hatten vielleicht 800 – 900 Gramm das Stück. Für die Zubereitung war hier Mutters große Kasserolle genau richtig. Die hatte er damals mitgenommen. Hier, in der Jagdhütte, kam sie heute zum ersten Mal zum Einsatz.  

Ganz durchbraten wollte er den Wildbraten noch nicht. Er nahm, nach einer Stunde, die Kasserolle vom Herd und stellte sie auf eine Steinplatte. Ein paar frische Steinpilze sollten den Geschmack noch verfeinern.

Zwölf Stück dieser Waldbewohner brachte er mit nach Hause. Es waren kleine aber ganz frische Exemplare, genau die richtige Menge, die er für eine leckere Sauce benötigte. Viel zu säubern gab es da nicht. Hüte und Stiele wurden ein wenig abgeschabt, mit klarem Wasser abgespült und anschließend in feine Scheiben geschnitten. Nach und nach fügte er dem Braten, der mittlerweile wieder auf dem Herd brutzelte,  Pilze, Lorbeerblatt und Zwiebeln zu. Schon bald erfüllte ein appetitmachender Duft die kleine Waldhütte und zog durch das offene Fenster, in die freie Natur. Am Mittag gab´s Kartoffeln und Rotkohl dazu und Wolf genoss dieses Festessen.

„Wie köstlich doch diese Mahlzeit war.“, sagte Wolf zu sich. “Früher jagte jedermann dem Wild, zur Sicherung des Lebensunterhalts, nach. Heute jagt doch fast jeder dem Geld nach. Das Objekt der Jagd hat sich gewandelt aber das Prinzip des Jagens ist geblieben.“

                                                             *

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.02.2024. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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