Walter F. Herz

Frouwe, Frouwe ... (An die Liebste)

Frouwe, frouwe

(Mittelhochdeutsch)

 

Frouwe, frouwe, îch minne dîch,

dû bist schoen und gûot;

dîne tugent ist hovelîch

gîbst mînem herze hohen mûot.

Kussen müezt îch manec stunt,

frouwe, dînen roten munt.

 

Frouwe, frouwe, dû bist mîn

nire mîne riuwe;

gîbe dîr mîn vingerlîn

niht verwâze mîne triuwe.

Süeze, friedel, daz bist dû,

frouwe, dû bist mîne vluth.

 

Frouwe, frouwe, dîne zuht

diu ist mîner minne miete;

diu tut mînem herze gûot

dîne hôchgemuote site.

Der nîht minnet dich ist arc,

frouwe, dîne künniglich art.


 

 

An die Liebste (Frouwe, frouwe ...)

 

Frau, Frau, ich liebe dich,

du bist schön und edel;

deine Tugend ist feingebildet,

gibt meinem Herzen Hochstimmung.

Küssem möchte ich viele Male,

Frau, deinen roten Mund.

 

Frau, Frau, du bist mein,

rette mein schweres, seelisches Leid;

ich gebe dir meinen Fingerring,

verachte nicht meine liebende Verbundenheit.

Süß, Liebste, bist du,

Frau, du bist meine Zuflucht.

 

Frau, Frau, dein Anstand,

der ist meiner Liebe Lohn;

der tut meinem Herzen gut,

dein edles Benehmen.

Der dich nicht liebt, ist nichtswürdig,

Frau, dein königliches Wesen.

 

___________________________________

© Walter F. Herz

 

 

Im Sommer 1969 besuchte ich die Oberprima meines Gymnasiums in Flensburg. Im Deutschunterricht behandelten wir das Thema "Mittelhochdeutsch". Unsere Lehrerin gab uns eine Hausaufgabe auf, irgend ein mittelhochdeutsches Gedicht auswendig zu lernen und es vor der Klasse in der richtigen, mittelhochdeutschen Intonation zu rezitieren.

Ich schrieb das Gedicht "Frouwe, frouwe" und behauptete, es sei ein nicht sehr bekanntes Gedicht Walthers von der Vogelweide, das ich in einem alten Buch gefunden haette. Sie sagte, sie kenne es nicht, aber es gefiel ihr sehr.

Nun bekannte ich, dass ich es selbst geschrieben haette, sie wollte es nicht glauben.

In der Pause zeigte sie es einem Kollegen, einen Altphilologen. Der erkannte sofort, dass es nie aus der Zeit Walthers von der Vogelweide sein konnte und meine Behauptung also zutraefe.

Ich hatte schon in der ersten Strophe den entscheidenden Fehler gemacht:

Kuessen muezt ich manec stunt ...

Kuessen, in der Zeit der Hohen Minne, eine Unmoeglichkeit! Liebe war in den Minneliedern nur platonisch gemeint.

Trotzdem bekam ich fuer mein "Minnegedicht" die Note "sehr gut".

Walter F. Herz
Walter F. Herz, Anmerkung zum Gedicht

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