Gerold Treitler

Live-Bericht vom Weltuntergang

Es hatte ja mal so kommen müssen, der Weltuntergang hat begonnen und ich sitze hier bei der Ötscherhöhle und schaue munter runter ins Tal auf Mariazell damit ich ja nichts versäume.
Alles hatte damit angefangen, dass irgendwo ein Grippevirus aufgetaucht ist, der tödlich auf Menschen wirkt. Er fing an in Asien die Menschen dahinzuraffen wie die Fliegen und über die Flugrouten verbreitete er sich geschwind über den ganzen Globus, alle Maßnahmen der Vereinten Nationen und der Regierungen die Pandemie zu stoppen, blieben erfolglos. Die Verbreitung konnte nicht aufgehalten werden. Als die ersten Fälle hier in Österreich auftraten, habe ich beschlossen der Welt den Rücken zu kehren! Ich habe mir meinen großen Wanderrucksack mit allem gepackt um längere Zeit unabhängig zu überleben. Gewand, Waschzeug, Schlafsack, Schreibzeug, Taschenlampe, Solarradio, und vieles trug ich durch die Ötschergräben und dann hinauf durch den Wald zur großen Höhle unterhalb des rauen Kammes. Ich habe mich ganz schön abgeschleppt, zum Glück bin ich gut durchtrainiert. Keine Menschenseele ist mir begegnet. Komisch, dass keiner eine Wanderung macht, beim Weltuntergang. Meine Idee ist, dass ich einer Ansteckung ausweiche, wenn ich keinen Kontakt zu Menschen habe. Ich muss nur abwarten, bis alle anderen tot sind, dann gehört die ganze Welt mir!
Sicherheitshalber habe ich auch eine Pumpgun und einiges an Munition hierher heraufgetragen, man weiß ja nie. Das Wetter ist schön und mein Solarradio funktioniert prächtig. Mein Vater hat zu den Nachrichtensendungen immer schon „Horrorsendungen“ gesagt, aber jetzt  stimmt es wirklich. Die Welt ist aus den Fugen geraten. Seitdem klar ist, dass die Pandemie nicht zu stoppen ist, bricht jegliche Ordnung zusammen. Mich wundert es ja, dass die Nachrichtensprecher noch arbeiten, aber für manche Journalisten ist es anscheinend die Story ihres Lebens, live vom Weltuntergang zu berichten. Journalisten gingen ja für eine gute Story schon immer über Leichen und so viele Leichen wie es jetzt gibt, so viele hat es noch nie gegeben, weder bei der Pest, noch bei irgendeinem Krieg!
Ich höre im Radio, dass die Menschen plündern, morden, vergewaltigen aber auch beten. Es nützt ihnen nichts. Die Seuche hat den Namen der „Gelbe Tod“ bekommen, wahrscheinlich weil sie zuerst in China aufgetreten ist. Ich habe mit meinem Feldstecher hinunter in das Tal geschaut, Autos fahren wie wild durch Mariazell, wohin wollen die alle? Wo glauben sie Schutz zu finden. Das Gehupe dringt bei günstigen Wind sogar bis zu mir hoch. Das Wetter wird leider immer schlechter, ich habe mich in die Höhle zurückgezogen, leider sehe ich auf Grund des Regens nicht mehr in das Tal und mein Solarradio müsste wieder mal geladen werden. Jetzt bin ich zum aller ersten Mal richtig allein. Bis jetzt habe ich immer die Meldungen im Radio gehört und hinunter ins Tal geschaut, aber jetzt bekomme ich nichts mit, von dem was in der Welt vor sich geht. Drei Tage bin ich jetzt schon ohne Nachricht von der Außenwelt, aber wenigstens habe ich mich im Regen „duschen“ können und meine Sachen gewaschen. Mit Gras habe ich mir außerdem ein richtig schönes Bettchen für meinen Schlafsack gemacht. Ich schlafe hier wie ein Baby im Mutterleib, eigentlich müsste ich Alpträume haben, denn die Menschheit erlebt ihr Armageddon, nur ich spiele nicht mit beim großen Sterben. Irgendwie finde ich ja, so tief in meinem Inneren, dass es die Menschheit nicht anders verdient hat, so selbstgefällig, wie wir mit der Natur umgegangen sind, die Kriege die wir geführt haben, alles ist nun umsonst. Jedenfalls werden sie jetzt alle blöd schauen, die Super-Coolen, die egoistisch geglaubt haben, ihnen gehört die Welt. Nun schlägt die Welt zurück und tilgt den Homo Sapiens vom Angesicht der Erde, so wie der Homo Erectus verschwand und der Neandertaler, jetzt hat unsere Stunde geschlagen.
Nur ich habe die Uhr angehalten und mich versteckt.
Das Wetter wird wieder besser, ich sehe jetzt wieder in das Tal hinunter. Da tut sich nicht mehr viel. Die Sonne hat mein Radio wieder geladen und es gibt doch tatsächlich noch Sendungen. Ich höre dass schon mehr als 70% der Bevölkerung tot sind und die restlichen 30% krank, auch die Nachrichtensprecherin hätte schon das Fieber, aber sie wird weiter berichten bis zum bitteren Ende, das nenne ich Elan, nur den Pulitzerpreis wird sie. schätze ich mal, nicht dafür bekommen. In Mariazell unten im Tal hat irgendetwas zu brennen begonnen, kein Wunder, die Leute haben schon das Licht nie abgedreht, als sie noch gesund waren, warum sollten sie dann die ganzen Maschinen abdrehen wenn sie krank sind und irgendwann muss es ja zu technischen Defekten kommen, wenn keiner drauf aufpasst! Ich bin hinauf zum Rauen Kamm gegangen, um auch einen Blick Richtung Norden zu wagen und tatsächlich, die Sicht ist sehr gut, der Regen hat die Luft gereinigt und ich sehe sicher über 100km weit, überall steigen Rauchsäulen in den Himmel.
Die Nacht hat wieder ihre Lichter! Am Anfang konnte ich in der Dunkelheit immer noch viele Lichter sehen, jede Nacht wurden sie weniger, dann begannen sie sich zu konzentrieren, immer auf die Mitte der Dörfer in die Kirchen, anscheinend haben sich dort die Menschen die noch leben versammelt, nun jedoch flackern die Feuer, irgendwo hat auch der Wald zu brennen begonnen, aber es dürfte vom Regen noch nass sein und der Brand weitet sich nicht aus. Mit dem Feldstecher habe ich versucht noch Anzeichen von Leben zu finden, irgendwo in der Ferne sehe ich noch Autos fahren, aber meistens stehen sie rum und nichts rührt sich. Die Endphase der Apokalypse hat begonnen! Die Nachrichtensprecherin klingt nicht mehr gut, sie beginnt wirres Zeug zu reden, vom Engeln die durch die Wolken reiten und dem Jüngsten Gericht, ich glaube sie hat gar nicht so unrecht. Dann hat sie sich weinend verabschiedet und allen viel Glück gewünscht die noch da draußen sind. Seitdem empfange ich nur mehr Rauschen, ich glaube ich bin jetzt der König der Welt, ab jetzt kann ich machen was ich will, ich bin frei, keine Arbeit, keine Gesetzte, super.
Untern im Tal rührt sich nichts mehr, die Kirche in Mariazell steht in Flammen, es hat auch irgendwo eine Explosion gegeben, wahrscheinlich ist eine Tankstelle in die Luft geflogen und der Explosionspilz steigt in die Höhe wie ein Todesengel. Im Radio habe ich heute im Rauschen noch mal eine Stimme vernommen, sie war ganz schwach und sehr undeutlich, es klang wie ein verzweifelter Hilferuf, ich frage mich, wie der in das Sendestudio gefunden hat.
Im Norden, hinter dem Ötscher hat es in der letzten Nacht plötzlich einen gewaltigen Blitz gegeben. Irgendwo, weit im Norden hat es anscheinend eine gewaltige Explosion gegeben. Ich vermute, dass eines der Atomkraftwerke in Tschechien hochgegangen ist. Der Wind weht zum Glück Richtung Nordwesten, also weg von mir und die Höhle ist auf der entgegengesetzten Seite. Ich habe trotzdem beschlossen, die Höhle drei Tage nicht zu verlassen, denn ich fürchte es gibt einen radiaktiven Fallout. Ich hoffe die Idioten in den Atomkraftwerken haben die Bremsstäbe zum Drosseln der Atomspaltungen in die Reaktoren eingefahren bevor sie krepiert sind, damit nicht noch mehr Reaktoren hochgehen. Jetzt muss ich auch an die Tausenden Atomwaffen denken, die in den nächsten Jahren so vor sich hinrosten werden. Ich fürchte der Welt steht noch einiges bevor, bis sie den Homo Sapiens entgültig überstanden hat! Nicht nur die Waffen, es gibt viel mehr Bedrohungen für die Natur, Chemiewerke, Tanklager, die verrotten, und vieles mehr. Ich denke das Leben wird es letztendlich alles überstehen, genauso, wie es den Menschen überstanden hat. Ich hoffe das ich noch lange überlebe, ich will sehen, wie die Dörfer und Städte zuwachsen, auf den Feldern Bäume hochsprießen, die Flüsse wieder zu ihren natürlichen Wege zurückkehren, ohne Staudämme und Regulierungen.
Anscheinend haben doch noch mehr Menschen überlebt. Heute kam einer den Berg rauf, ich habe ihn aufgelauert und mit meiner Pumpgun über den Haufen geschossen. Ich will mich auf keinem Fall anstecken, ich schätzte das es weltweit schon über Sechs Milliarden Tote gibt, also kommt es auf einen mehr oder weniger auch nicht an, ich werde alles tun, um so lange wie nur möglich zu überleben. Vielleicht war er ja immun gegen die Supergrippe. Bei über Sechs Milliarden Menschen wird es schon einige geben, die resistent gegen die Krankheit sind, vielleicht war er einer davon, aber das heißt noch lange nicht, dass er den Virus nicht mit sich rumschleppt und andere anstecken kann. Er könnte aber auch die selbe Idee wie ich gehabt haben. Jedenfalls hat er einen gut gefüllten Rucksack hier raufgeschleppt. Ich warte jetzt eine Woche, ich hoffe, dass die Gruppeviren in einem toten Körper nicht so lange überleben und dann werde ich mal nachschauen, was er so mitgebracht hat. Einen zweiten Schlafsack kann ich gut gebrauchen. Ich fürchte allerdings, dass er mein Feuer gesehen hat, ich habe es zum Kochen angezündet, man hat es sicher sehr weit gesehen und der Vollidiot wollte sich sicher mit einem zweiten Überlebenden zusammentun, Pech gehabt!
Es hat schon wieder einen mächtigen Blitz irgendwo im Norden gegeben, nicht ganz so stark wie beim ersten Mal, aber doch, ich fürchte diese Atomidioten haben die Meiler wirklich nicht gesichert, das sieht ihnen wieder ähnlich, die Atomlobby zerstört die Erde sogar noch über ihr Ableben hinaus. Bis jetzt habe ich allerdings keine Anzeichen für eine Strahlenkrankheit, vielleicht sind ja auch nur irgendwelche Chemiewerke an der Donau explodiert, vom Weltraum aus betrachtet sieht die Erde jetzt sicher lustig aus, vor allem in der Nacht. Zuerst verlöschen die künstlichen Lichter und dann brennen die Wälder und Städte unterbrochen von gelegentlichen Explosionen. Ich bin vorsichtig zum Schutzhaus in der Nähe des Gipfels gegangen, leider haben mir die Vögel angezeigt, dass dort Leichen rumliegen. Vorsichtig wie ich bin gehe ich da lieber nicht rein, obwohl dort sicher einiges an Vorräten liegt, die ich sicher gut gebrauchen kann. Ich habe dann auf die Dunkelheit gewartet und jetzt wird es schön langsam WIRKLICH dunkel, die Feuer verlöschen immer mehr und es sind keine künstlichen Lichter zu sehen. Ich frage mich, wann ich runter ins Tal kann um meine Vorräte zu ergänzen. Überall werden menschliche Leichen rumliegen, angefressen von Vögel und Ameisen und den eigenen Hunden. Hunde kann ich in der Nacht heulen hören, anscheinend sind sie von der Grippe nicht betroffen, wenn sie alle Leichen zusammengefressen haben, werden sie sich gegenseitig zerfleischen und wahrscheinlich in Rudeln Jagd machen, zum Glück habe ich meine Pumpgun. Es ist schon komisch, dass des Menschen liebstes Haustier nun seine Überreste schnell vertilgt. Ich habe schon einen langen Bart und sehe sicher schon aus wie so ein nordischer König mit wallender Mähne, genauso wie der König der Welt auszusehen hat!
In der Nacht ist es jetzt am Schönsten, am Boden auf der Erde sind keine Lichter mehr zu sehen, so dunkel wie jetzt war es sicher seit Tausenden Jahren nicht mehr auf unserem, ich meine natürlich auf MEINEM Planeten. Man sieht die Sterne so klar und deutlich wie noch nie zuvor. Das Band der Milchstraße, das Rückrad der Nacht, funkelt zu mir herunter und auch die Plejaden sind deutlich zu erkennen.
Aber ein Licht gibt es, dass mich stört, da drüben am Nachbarberg auf der Gemeindealm, da sitzt anscheinend auch einer und bildet sich ein, er ist der neue König der Welt. Ich habe mit dem Fernglas in der Nacht zu den anderen Bergen geblickt und siehe da, es scheint auf einigen Bergen haben sich Menschen geflüchtet um den Gelben Tod zu überstehen. Ich fürchte ich muss von nun an auf der Hut sein und mein Revier verteidigen. Ich glaube nicht, dass meine Nachbarn immun gegen die Supergrippe sind, sondern die sind wie ich geflüchtet. Ich kann nicht ausschließen, dass es nicht doch zu einer Ansteckung kommen kann, wenn einer erst später krank wird. Da sitzen wir nun, die Überlebenden des Weltunterganges, jeder auf seinem Berg, ohne Kontakt zu den anderen bis zum Ende unserer Tage, aber wenigstens muss ich nicht mehr arbeiten gehen! Ich fürchte gleich geht mir der Kugelschreiber aus und damit ist Schluss mit meinem Live-Bericht vom Jüngsten Gericht.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.10.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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