Ein zweites Mal wartete Sofie voller Ungeduld. Diesmal allerdings kniff sie nicht die Augen zu, sondern guckte sehr aufmerksam ringsumher. Es hätte ja sein können, dass Streifchen bereits in der Nähe war. Damit hatte Sofie übrigens gar nicht so Unrecht.
Sofort stimmten sie ein richtiges Summkonzert an und da es eine sehr große Gruppe war, wurde es auch ein entsprechend lautes Konzert. Es dröhnte nur so über die ganze Wiese, bis zu den Bienenwohnungen und sogar auch bis zum Bienenschloss. Dort hatte die Königin gerade ganz viele Kinder bekommen und sich erschöpft zum Schlafen hin gelegt. Doch daraus wurde nichts. Ununterbrochen klang es von draußen:
„Pingping, summ, summ, pingsumm!”
Im Stillen dachte sie:
„Hätte ich nur nicht diesen Kindergarten übernommen. Das hat man davon, wenn man einer kranken Schwester hilft!“
Aber was hätte sie denn tun sollen? Die Schwester hatte viel zu viel gefuttert und lag mit Bauchweh zuhause im Bett.
„Schließlich konnte ich sie doch nicht im Stich lassen und irgendwer muss doch auf diese Bande aufpassen, seufz!“, dachte sie und stöhnte nochmals.
Diesmal allerdings noch viel lauter.
„Nichts kann so schlimm sein wie Flohbienenkinder zu hüten!“, brummelte sie vor sich hin.
„Summsumm, hier bin ich!“, summte sie ihnen zu, flog noch zwei hübsche Kreise über deren Köpfen und landete dann genau zwischen der Fee und der kleinen Sofie.
„Wie schön, dass du da bist, Lumi!“
„Ich freue mich auch, dich wiederzusehen!“, entgegnete die Fee und pustete liebevoll leicht über Streifchens Rücken.
Streifchen hielt ganz still und genoss das sehr.
„Sofie, Lumi hat mich nicht ohne Grund gerufen. Du brauchst meine Hilfe?“
„Ich geh` nicht allein in das Haus. Das darf ich doch gar nicht. Ich bin doch hier fremd.“
„Ach, und da soll ich dich wohl begleiten, stimmt`s?“, summte Streifchen belustigt.
„Ja, bitte!“, bettelte Sofie.
„Es wird mir ein Vergnügen sein!“, lächelte sie. „Komm mit.“
Die Biene flog voraus und Sofie marschierte hinter ihr her. Am Haus angekommen, dachte Sofie noch einmal an Lumis Worte:
„Wenn du daran glaubst, dass etwas geht, dann geht es auch!“
„Das ist Sofie. Sie möchte das Baby besuchen. Lumi schickt uns!“, stellte Streifchen der Babyschwesterbiene das Mädchen vor, die dies erstaunt musterte.
Drinnen gab es zwei Räume. In dem größeren der beiden wohnte die Babyschwester. Direkt hinter der Zimmertüre stand ein kleiner Tisch, auf dem ein Trinkfläschchen stand. An dem klebte ein Zettel: „Zuckerwasser!“, las Streifchen vor.
„Das Baby kriegt Zuckerwasser?“, fragte Sofie verblüfft.
„Ja, und das mögen unsere Babys sogar ausgesprochen gern“, erklärte ihr die Babyschwester.
„Hm!“ dachte Sofie. „Eigentlich gar nicht so komisch. Ich lutsche schließlich auch ab und zu ein Zuckerstückchen, weil das so lecker ist!“
„Was isst das denn sonst noch?“
„Nichts, nur das!“
„Nuur das??“
„Also, damit wäre ich aber nicht zufrieden, wenn ich zuhause nur Zucker bekäme und sonst gar nichts!“, empörte sie sich.
„Du bist ja auch keine Biene!“, lächelte Streifchen sanft.
„Möchte ich dann auch bestimmt nicht sein! – Immer nur Zuckerwasser...“
Sofie schüttelte fassungslos den Kopf.
Um die Kleine abzulenken, meinte Streifchen:
„Na, was hältst du davon, wenn wir uns jetzt das Baby ansehen?“
Sofort war Sofie wieder bester Laune und strahlte.
„Au ja!“, meinte sie dazu.
Streifchen und die Babyschwesterbiene lachten.
„Ist das aber niedlich!“
Die Wände schmückte eine lustige Tapete. Die zeigte Babybienen in ihrer Wiege, Bienenkinder im Kindergarten und auf dem Spielplatz und sogar auch fleißigen Krabbelnachwuchs in der Schule.
„Genauso fleißig wie die Kinder in der Bärenschule!“, dachte Sofie.
„Euer Baby hat aber schönes Spielzeug!“, strahlte Sofie.
Die Kinderschwester lachte:
„Ja, noch ist es ja zu klein, um damit spielen zu können. Aber Bienenkinder wachsen sehr schnell und dann freut es sich.“
Streifchen und Sofie nickten.
„Meine Puppenwiege zuhause hat auch einen Himmel. Da sind lauter Teddys und Püppchen drauf!“, erzählte sie stolz.
Streifchen und die Schwester schmunzelten.
Das allerdings brauchten sie Sofie nicht zweimal zu sagen. Mit glänzenden Augen trat sie auf Zehenspitzen ganz leise an die Wiege, um den Winzling ja nicht zu wecken.
„Babys brauchen noch ganz viel Schlaf !“, erklärte sie mit wichtiger Miene, gerade so, als ob das Streifchen oder gar erst die Babybienenkinderschwester etwa nicht selber wussten.
„Da liegt ja nur eine Kuscheldecke!“, meinte sie enttäuscht.
Die Schwester stellte sich neben Sofie:
„Zieh` sie mal ganz vorsichtig ein wenig zur Seite. Dann kannst du unser Jüngstes auch sehen!“
„Ob das schon wie eine richtige Biene aussieht?“, grübelte sie.
Sachte fasste sie die eine Ecke der weichen, weißen Kuscheldecke und hob sie ein bisschen an.
„Oh, ist das süß!“, flüsterte sie.
Vor ihr lag ein Mini-Mini-Bienchen mit großen Kulleraugen, einem wohl gerundeten Babybauch, zwei zarten Fühlern und genau so dünnen Beinen.
„Mein Papa hat immer gesagt, die Bienenbabys sehen aus wie Würmer. Das ist ja gar nicht wahr. Papa ist doof!“, knatschte sie im Brustton der Überzeugung und da sie so entrüstet war, tat sie das super laut, ohne da an das schlafende Etwas in dem Bettchen vor ihr zu denken.
„Aber Sofie!“, lachte Streifchen. „Dein Papa ist bestimmt recht klug. Er kann doch nicht alles wissen!“
„Flirr!“
Ganz leise hörte sich das an.
„??“
Sofie guckte verwirrt im Raum umher. Nein, die Babyschwester und Streifchen standen da ganz still. Die waren es nicht gewesen. Die Bienen und Schmetterlinge auf dem Regal selbstverständlich auch nicht. Die waren ja nur Stofftiere.
„Flirrflirr!“
Die Kleine sah zuerst Streifchen, dann die Babyschwester forschend an. Nein, die rührten sich immer noch nicht.
„Haben die das vielleicht gar nicht gehört? War da vielleicht gar kein Geräusch?“
Mittlerweile war sie völlig durcheinander und traute ihren eigenen Ohren nicht mehr.
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Der Beitrag wurde von Gaby Schumacher auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.11.2006.
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