Andreas Rüdig

Düsseldorfer Krimi

 


„Die heutige Lambertus-Basilika verdankt ihre Entstehung dem Willen Herzog Wilhelms I., seine Residenzstadt zu einem religiös-kirchlichen Zentrum zu machen. Es war zu seiner zeit nicht möglich, in großem Maße Handel und Gewerbe in seiner Stadt anzusiedeln, daher sollten `Wallfahrten´ das wirtschaftliche Fundament seiner Stadt bilden.

Den von seinen Vorgängern begonnenen Neubau der Stiftskirche konnte er vollenden. Um die vorhandene schmale Kirche legte er gleichsam einen Mantel, indem er die beiden neuen Seitenschiffe mit einem Umgang verband. So steht heute eine dreischiffige Hallenkirche über uns, deren klare Formen reinste Gotik zeigen. Die Weihe der neuen Kirche erfolgte am 13. Juli 1394.

Gleichzeitig mit dem Bau der Kirche wurde auch die zweigeschossige Sakristei errichtet, in deren oberen Geschoß in der Schatzkammer heute der größte Teil des Kirschenschatzes von St. Lambertus aufbewahrt wird.

Als im 14. Jahrhundert mit dem allgemeinen Aufschwung von Handel und Verkehr auch die Wallfahrten am Niederrhein immer mehr an Bedeutung gewannen, besuchten die `Aachen-Fahrer´ nicht nur Aachen, Maastricht, Kornelimünster, Köln und Trier, sondern auch die Anschlußstationen Düren – allerdings erst seit 1502 –, Mönchengladbach, Schillingskapellen, Neuss, Grefrath und Düsseldorf.

Düsseldorf gesellte sich im 14. Jahrhundert mit zwei Gnadenstätten den ehrwürdigen Vorläufern hinzu. Als 1446 der Kölner Erzbischof das von Herzog Gerhard von Jülich-Berg und seiner Gemahlin Sophia von Sachsen-Lauenburg gegründete Kreuzherrenkloster bestätigte, zitierte er auch die Marienkapelle mit einem angeblich seit 500 Jahren verehrten Gnadenbild. Angesichts der ersten Erwähnung der Kirche in Düsseldorf 1159 bleibt diese Aussage trotzt des hervorragenden Gewährsmannes unzuverlässig, doch darf sie wohl als Indiz für eine altehrwürdige Marienverehrung genommen werden, die auch auswärtige Pilger anzog.

Eine zweite Attraktion bildete für diese Zeit, dem Ende des 14. Jahrhunderts, auch der Reliquienschatz der Stifts- und Pfarrkirche St. Lambertus. Infolge der großzügigen Schenkungen durch den ersten Grafen von Berg, Wilhelm, war dieser `Schatz´ beträchtlich vermehrt worden. Die `Limburger Chronik´ bezeugt, daß Pilger aus dem Rheinland, aber auch aus Westfalen und vom Oberrhein nach Düsseldorf strömten, wo sie die vom Herzog erworbenen Heiligtümer vom Dach des Kapitelsaales der Stiftskirche – der heutigen Schatzkammer – gezeigt bekamen oder, den alten Chor der Kirche umwandernd, in dem neu errichteten Umgang verehren konnten. Das Schicksal der meisten Stücke des alten Reliquienschatzes ist geklärt, doch bilden die über 130 Reliquiare, liturgischen Geräte, Zierstücke und Paramente noch heute einen ansehnlichen Bestand. Neben einer Reihe mittelalterlicher Stücke gehören ihm einige Nürnberger und Augsburger Arbeiten des 16. und 17. Jahrhunderts an, die einen hohen Stand der großen süddeutschen Goldschmiedezentren veranschaulichen.

Den größten Teil stellt der Niederrhein, vertreten vor allem durch die Aachener, Kölner und Düsseldorfer Meister des 17. und 18. Jahrhunderts. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die stilistisch weniger bedeutenden Geräte und Gewänder der historischen Ausstattung nach 1893.

Von den Paramenten der alten Stiftskirche muß im Laufe der Jahrhunderte vieles durch natürlichen Verschleiß oder durch andere Umstände entfernt worden sein. Der heutige Bestand zählt nur wenige Gewänder des 15., 16. und 17. Jahrhunderts. Leider sind diese Stücke, wie so viele Danke der Ausstattung, durch verfehlte Restaurierungsarbeiten arg mitgenommen worden. Gerade bei den Textilien sind ursprüngliche Teile mit Ergänzungen der Zeit um 1900 in einer Weise verquickt worden, die den historischen Wert des überkommenen sehr in Frage stellt.

Von besonderer Bedeutung ist die sogenannte Flämische Kapelle, bestehend aus Kasel und 2 Dalmatiken. Die in aufwendiger Lasur- und Plattstichtechnik gestickten Stäbe der Gewänder sind einem Seidengewebe aufgenäht und zeigen Szenen aus einem Marienleben bzw. Figuren unter Baldachinen. Die Wappen von Jülich-Berg und Sachsen-Lauenburg weisen auf den Herzog Gerhard von Jülich-Berg (1437 – 1475) und seine Gemahlin Herzog Sophie von Sachsen-Lauenburg (gest. 1473) hin, die nach der allgemeinen Annahme als Stifter der Gewänder angesehen werden.

Aus der Mitte des 17. Jahrhunderts stammt eine rote Kasel. In schwerer Boullionstickerei mit Goldfäden, pflanzliches Rankenwerk mit stilisierten Granatäpfeln. Im Mittelpunkt des Kreuzstabes ein rundes Medaillon mit Strahlenkranz. Darin die Buchstaben IHS mit Kreuz und drei Nägeln.

Aus dem Kloster Altenberg stammt eine Mitra des 17. Jahrhunderts. Auch sie trägt auf rotem Samt beidseitig Boullionstickerei (Silber und Gold sowie einzelne Lasurfarben) mit Rankenwerk und Weintrauben bestickt. An den ebenfalls bestickten Bändern hängen Goldfransen,“ berichtet das Düsseldorfer Pfarramt St. Lambertus.

Die St. Lambertus – Kirche liegt in der Düsseldorfer Altstadt. Na ja, nimmt man es genau, liegt die Kirche eher am Rande der Altstadt. Schiffahrtsmuseum und das Rathaus liegen ganz in der Nähe. Auch wenn die Rheinpromenade ganz in der Nähe liegt, so ist der Gebäudekomplex um die Kirche in der Regel ein ruhiger Bereich der Altstadt. Hier findet kaum ein Besucher hin.

Warum ich Ihnen das alles erzähle? Ganz einfach. Gestern war ein seltsamer Kunde bei mir. „Keine Namen,“ stellte er sich vor. „Nennen Sie mich Udo, wenn Sie wollen.“ Was ihn zu mir führte, das konnte und wollte er mir sofort sagen. In der Schatzkammer gibt es ein Kopfreliquiar aus dem Jahre 1170, ein Willeikus-Reliquiar aus den Jahren um 1400, eine Kölner Turmmonstranz aus derselben Zeit, einen Nürnberger Zierpokal aus dem Jahre 1600 und ein Versehgefäß aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. „Dieser Dinger sind sehr wertvoll,“ behauptet Udo. „Den materiellen Wert vernachlässige ich mal. Der ideelle Wert ist für mich wichtiger. Ich kann nachweisen, daß meine Familie, daß meine Vorfahren diese Kunststücke herstellten. Ich würde diese Sachen gerne haben. Leider will mir die Gemeinde diese Kunstwerke nicht verkaufen. Sehen Sie einen Weg, wie ich an die Sachen kommen kann?“ Meine Güte, was für eine Frage – schließlich spricht Udo doch mit einem Meisterdieb!

„Erzählen Sie mir was über die Schatzkammer,“ forderte ich meinen Besucher auf. „Vom Stiftsplatz her gelangt man durch das kleine Treppentürmchen neben der Sakristei in die Schatzkammer. Die Schatzkammer liegt genau 48 Stufen hoch. Am letzten Samstag im Monat kann man die Sachen nicht besorgen – nach der Kirchenführung gibt es dann eine Führung in der Schatzkammer. Die Ausstellungsstücke werden in Vitrinen präsentiert,“ berichtet Udo. „Besondere Sicherungsmaßnahmen gibt es in dem Kirchengebäude nicht. Wenn sie allerdings nicht aufpassen, wird ein stiller Alarm bei der Polizei ausgelöst. Denken Sie daran: Die nächstgelegene Polizeiwache befindet sich auf der Heinrich-Heine-Allee! Die Polizei kann also in 2 Minuten in der Schatzkamme sein.“ Sonst noch was, was ich wissen muß? „Ja. Sie werden angemessen bezahlt werden, allerdings erst nach der Lieferung. Viel Glück.“

Verflixt! Der Sommer ist eine unmögliche Jahreszeit. Es ist warm. Es ist lange hell. Die Folge? Die Leute sind lange unterwegs. Selbst an diesem Samstag. Ich werde warten müssen, bis es dunkel ist. Dann kann ich endlich in die Schatzkammer einbrechen. Bis dahin werde ich mich in die Kirche setzen. Da vorne ist das Gestell für die Teelichter. Dort gibt es eine freie Bank. Das Gestell ist voller brennender Teelichter. Meine Güte, ich wußte gar nicht, daß es in dieser Kirche so hübsch und romantisch aussieht. Meine Gedanken schweifen ab – ich vermisse meine Freundin Julia sehr ... Wäre sie doch nur hier..

De Einbruch in die Schatzkammer verläuft problemlos. Dank eines Dietrichs verschaffe ich mir schnell Zutritt. Der Alarm ist simpel, ich kann ihn schnell deaktivieren. Schnell renne ich nach oben. Ein Hammer hilft, die entsprechenden Vitrinen zu knacken. Ich packe die gewünschten Objekte in die mitgebrachte Tasche. Auch die Heimreise funktioniert problemlos. „Sehr gut,“ lobt mich Udo. „Ich bin sehr zufrieden mit Ihnen. Hier ist die Belohnung.“

„Herr Kommissar, hier sitzt das verdächtige Subjekt.“

(DND – Düsseldorfer Nachrichtendienst) Der langgesuchte Meisterdetektiv Nepomuk Müller wurde gestern endlich gefaßt. Ein aufmerksamer Küster entdeckte ihn gestern, wie er schlafend auf einer Kirchbank in St. Lambertus lag.

 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Andreas Rüdig).
Der Beitrag wurde von Andreas Rüdig auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.04.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Andreas Rüdig als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Wolkenkinder Geschichten von Eleonore Görges



In diesem Buch erfahrt ihr, was zwei Wolkenkinder erleben, wenn sie mit ihren Wolkeneltern um die Welt ziehen. Piet, der Wind, hilft ihnen aus der Patsche, mit Nordlichtern tanzen sie den Feenwichtentanz und die Sterne bauen ihnen am Abend ihr Sternenbettchen. Sie machen Bekanntschaft mit einem Menschenkind, aber auch mit Hoppel, dem Osterhasen und an Weihnachten helfen sie sogar dem Christkind.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Sonstige" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Andreas Rüdig

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Geschlechter-Fluter von Andreas Rüdig (Sonstige)
MANCHMAL GIBT ES NOCH KLEINE WUNDER von Christine Wolny (Sonstige)
Das Schaf (Karlis Aufsatz aus meinem ersten Buch von Margit Kvarda (Humor)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen