Petra Schneider

Alles versteht sich von selbst

Alles versteht sich von selbst. Es braucht keine Erklärungen. Es IST einfach. Gerade weil es einfach ist, von selbst läuft, schenken wir ihm keine Beachtung mehr.

Nehmen wir das Atmen. Es versteht sich von selbst, dass wir atmen, andernfalls sterben wir. Hierzu braucht es keine Erklärungen. Es ist einfach so. Da es so ist, haben wir aufgehört, ihm Beachtung zu schenken, wodurch es an Wert verliert und zur Selbstverständlichkeit verbannt wird. Atmen ist für uns selbstverständlich geworden. Wir tun es einfach. Ohne darauf zu achten, WAS wir tun.

Wer achtet schon auf sein Atmen?

Wie atmen wir?
Sind es lange oder kurze Atemzüge?
Haben Einatmen und Ausatmen die gleiche Qualität?
Ist die Zeitspanne der beiden Atmungen gleich?
Gibt es dazwischen eine Pause?
Wohin atmen wir?
Geht die Atmung in den Brustkorb, in den Bauch oder in die Flanken?
Womit atmen wir?
Atmen wir mit dem Mund oder mit der Nase?
Was atmen wir?
Ist es stinkender Rauch von abgebranntem Tabak?
Ist es der Duft verschmutzter Umwelt, den wir selber zu verantworten haben?
Sind es Drogen, die uns für einen Moment das Gefühl geben der Realität entfliehen zu können?

Unser Atem ist ein Geschenk. Ein Geschenk, dass wir bekommen haben um leben zu können. Was machen wir damit? Erst nehmen wir es als selbstverständlich hin. Dann lassen wir es im Stich. Anschließend wundern wir uns, wenn es uns im Stich lässt. Genau dann, in diesem Moment aber, wo uns das Atmen schwer fällt, uns die Luft weg bleibt, erinnern wir uns wieder daran. Seltsam, jetzt, wo es uns weh tut, wo es schmerzt, wo es sich durch Störung bemerkbar macht, fällt uns auf DASS wir atmen. Es wird wieder interessant, wieder wertvoll für uns. Die ganze Zeit über haben wir es vergessen. Ihm keine Beachtung geschenkt. Nun, da es uns schlecht damit geht, wir sozusagen darauf angewiesen sind, ändert sich das. Schlagartig gewinnt es an Wert und wir achten wieder darauf.

Freuen wir uns nun, dass wir es wieder gefunden haben?
Danken wir ihm, dass es immer da war, uns am Leben erhalten hat?

Nichts der Gleichen. Wir schenken ihm Beachtung weil wir Angst haben. Wir tun es aus Angst. Nicht, weil wir uns freuen. Weil wir es als Geschenk betrachten. Nein! Weil wir Angst haben. Pure, nackte Angst. Angst es zu verlieren, Angst zu sterben. Einzig diese Angst bringt uns dazu uns damit wieder zu beschäftigen, darauf zu achten. Angst, statt Freude. Allerdings nur solange, bis es uns besser geht. Sobald alles in Ordnung ist, wir wieder normal atmen können, verlieren wir das Interesse daran und wenden uns anderen Dingen zu.

Es ist wie bei allen Geschenken. Sie haben leider die Eigenschaft, dass ihre Freude nur kurz anhält. Dabei ist es unsere Eigenschaft, die das verursacht. Ein Geschenk hat lediglich die Eigenschaft ein Geschenk zu sein. Es kann sich weder freuen, noch Angst haben. Wir sind es, die diese Freude haben. Dadurch, dass unsere Freude daran verblaßt wird es zur Selbstverständlichkeit verbannt. Ziemlich gemein. Etwas macht sich uns zum Geschenk und wir verbannen es. Wir merken es nicht, da wir dem, was wir tun keine Beachtung schenken. Das erscheint uns vorteilhafter, denn so haben wir nichts mehr damit zu tun und sind fein raus.

Die Angst allerdings bringt uns dazu uns mit unserem Atmen zu beschäftigen. Das ist unsere Chance. Sie erinnert uns daran. Doch statt ihr dankbar zu sein fürchten wir uns vor ihr. So bekommt sie Macht über uns. Nicht nur dass, wir haben dadurch immer mehr Angst vor ihr. Wir haben Angst vor der Angst.

Dabei können wir uns bei ihr bedanken, denn sie hat uns geholfen. Sie hat uns durch ihr Eingreifen daran erinnert, was wir vergessen haben. Was einfach menschlich ist. Niemand kann rund um die Uhr achtsam sein und doch hat Jeder unendlich viele Hilfen. Etwas auf den das er sich verlassen kann. Was hält uns davon ab? Interessanterweise genau das, was uns hilft. Die Angst. Unsere Angst. Sie hält uns davon ab uns auf sie einzulassen. Unsere Angst vor der Angst. Dabei ist sie unser Freund und war es immer. Bereits als Kind stand sie uns zur Seite. Sie war es, die uns dazu gebracht hat aufzupassen, wann die nächste Ohrfeige kommt, um uns rechtzeitig zu bücken. Sie hat uns beschützt in jedem Moment unseres Lebens. Lieben wir sie dafür? Haben wir sie dafür in unser Herz geschlossen? Nein. Im Gegenteil. Wir haben sie verbannt. Jedesmal, wenn sie sich gemeldet hat wollten wir nichts mit ihr zu tun haben. Ja, wir haben sogar gegen sie gekämpft. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als immer stärker aufzutreten, damit wir sie endlich wahr nehmen. Schließlich ist sie ein Teil von uns und dazu da, uns zu helfen. Das ist ihre Aufgabe.

Wir an ihrer Stelle hätten uns entweder schon lange zurück gezogen oder säßen schmollend in einer Ecke, weil wir uns nicht geliebt fühlen. Wären wütend und enttäuscht, dass sie so mit uns umgeht. Würden uns aufregen über das, was sie mit uns macht. Hätten längst unsere Freude an ihr verloren. Oder wären am Grübeln, was wir ihr getan haben könnten, dass sie uns nicht lieb hat. Würden uns zerfleischen, uns die Schuld dafür geben oder in Selbstmitleid zerfliessen.

So oder so, wir würden nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen.

GENAU DAS TUN WIR!

Mit ALLEM, was uns stört. Was uns aus unserer Bequemlichkeit - dessen, was uns zur GEWOHNHEIT geworden ist -  heraus holen will.

Selbstverständlich ohne es zu merken, schließlich sind wir mit anderen WICHTIGEN Dingen beschäftigt, die uns ablenken.

Dennoch ist es nichts anderes, als unsere innere Stimme die zu uns spricht. Der Teil von uns, der auf uns aufpasst. Der immer auf uns achtet. Der uns beschützt während wir mit anderen Dingen beschäftigt sind. Sie kann in keiner anderen Gestalt zu uns kommen, weil wir sie sonst ignorieren, alles andere für uns bereits selbstverständlich geworden ist. Ausserdem sind wir lediglich durch Störungen unserer Bequemlichkeit, wie Ärger, Qual, Leid, Schmerz, Kummer, Krankheit, eben alles, was uns weh tut erst bereit, etwas zu ändern. Ihr bleibt keine andere Wahl als uns so zu begegnen. Wir lassen ihr keine Wahl. Weil wir sie als Feind betrachten muß sie als Feind zu uns kommen. Durch unsere Einstellung zu ihr haben wir sie in diese Lage gebracht und vergessen, dass sie unser größtes Geschenk überhaupt ist. Denn sie weiß, was gut für uns ist. Im Grunde bestimmen wir ihre Form dadurch, wie wir mit ihr umgehen.

Erinnern wir uns beim nächsten „ist doch selbstverständlich“ daran, was wir vergessen haben, vielleicht an den Dank, der uns zur Verfügung steht, den wir jederzeit nutzen können, ändert es sich in „habe ich gern getan“. Oder einfach, da wir ja Perfektionisten im Einfachmachen sind, in „gerne“ und die Selbstverständlichkeit hebt sich auf. Es geschieht wie von selbst.

Der Vorteil daran ist, dass die Angst zur Hilfe wird, somit viel schwächer auftreten braucht, um von uns wahr genommen zu werden. Jetzt hat sie die Möglichkeit uns sanft darauf hinzuweisen, ohne uns gleich außer Atem bringen zu müssen, weil wir achtsamer geworden sind. Mit offenen Augen und Ohren durch das Leben gehen, anstatt blind und taub herum zu irren und mal stehen bleiben, um auszuruhen, neue Kraft zu tanken und um zu sehen, ob wir uns noch auf dem rechten Weg befinden.

Fühlt sie sich bei uns wohl, weil wir uns für ihre Hilfe bedanken, wird sie zur Gewohnheit. So, wie wir es uns vorher zur Gewohnheit gemacht haben Angst zu haben. Dadurch verändert sich ALLES.

Sehen wir ALLES als Hilfe an, egal, um was es sich dabei handelt, wird selbst die Erkältung, der Husten, der uns so quält, zu unserem Freund. Denn es bringt uns dazu uns zurückzuziehen, auszuruhen, eine Pause einzulegen und alles, was wir widerwillig geschluckt haben wieder auszuspucken. Egal in welcher Form, alles ist immer für uns da, macht uns auf etwas aufmerksam, erinnert uns an etwas.

Warum?

Damit es uns gut geht!

Der Grad des Schmerzes, des Kummers und des Leids zeigt uns wie sehr uns dagegen wehren - selbst das ist ein Geschenk.

Alles versteht sich von selbst - nichts ist selbstverständlich - WIR degradieren es in die Selbstverständlichkeit und somit entzieht es sich dem Auge des Betrachters. Im Grunde brauchen wir es uns lediglich wieder in Erinnerung zu holen. Es als Geschenk zu sehen. Uns daran erfreuen und dankbar dafür sein.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.10.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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