„Wo warst du?“, irgendwann drängt sich diese Frage in meine Gedanken.
„Weit weg“, sage ich dann leise mit einem entschuldigenden Lächeln.
„Fort?“
„Ja, fort.“
„Wie ist das?“
„Schön und traurig.“
„Wie machst du das?“
„Ich mache das nicht. Es geschieht manchmal und nimmt mich einfach mit.“
Schweigen.
„Was passiert wenn du fort bist?“
„Nichts.“
„Warum weinst du dann?“
„So halt.“
„Aber du musst doch einen Grund haben. Sonst weint man doch nicht und ist traurig.“
„Ich bin nicht traurig. Es sind die Erinnerungen in meinem Kopf, die Gefühle in meinem Herzen.“
„Ist das wie im Fernsehen?“
„Ja so ähnlich wie im Fernsehen, nur ohne konkrete Handlung und in dem Film sehe ich auch mich selbst.“
„Was machst du in dem Film?“
„Nichts, ich bin nur da. Und ich sehe mir zu.“
„Und wo ist das wo du bist?“
„Ich weiß nicht – irgendwo.“
„Du weißt nicht wo das ist?“
„Nein, ich weiß nicht wo das ist, aber es ist schön und ruhig dort.“
„Und wer ist sonst noch da?“
„Er ist da. Mein Sohn ist da.“
„Und was macht dein Sohn?“
„Nichts.“
„Das verstehe ich nicht. Er muss doch irgendetwas machen!“
„Er sieht mich an.“
„Und was sagt er?“
„Nichts.“
Schweigen.
„Das verstehe ich nicht.“
„Das musst du auch nicht verstehen.“
„Ich will das aber verstehen.“
„Das kannst du nicht verstehen.“
„Und warum nicht?“
„So halt!“
Schweigen.
„Hilft es dir wenn du fort gehst und dort bist?“
„Ja.“
„Aber es tut dir so weh, dass du weinen musst.“
„Es tut nicht weh, es ist schön.“
„Ist das wie Sterben?“
„Vielleicht, ich weiß nicht.“
„Muss man sterben um das zu verstehen?“
„Nein, man muss nicht sterben.“
„Was dann?“
„Ich glaube man muss erfahren haben, wie schnell das Leben zu Ende gehen kann.“
„Dann weinst du aus Erfahrung?“
„Ja, so könnte man es sehen.“
„Und wenn ich diese Erfahrung hätte, dann könnte ich das auch – dieses Fortgehen und Weinen?“
„Ich denke schon, aber ich wünsche es dir nicht. Niemanden.“
Langes Schweigen.
Und dann legt sich eine kleine Hand sanft über meine zitternden Finger und ich spüre ihren verstehenden Druck.
Danke.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.04.2004.
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Das Mädchen aus Oberschlesien
von Brigitte Hanisch
Das kleine Mädchen Brigitte wächst wohlbehütet in einer Großfamilie im katholischen Oberschlesien auf. 1938 siedeln die Eltern mit Brigitte nach Kiel um. Dort wird Ihre Schwester Eva-Maria geboren. 1939 beginnt der Krieg und Kiel wird besonders gebeutelt. Entsetzliche Jahre für das kleine Mädchen. Tag und Nacht Bombenangriffe. Hungersnot und immer die Angst um den Vater. Das Mädchen ist seelisch in einem so schlechtem Zustand, dass die Eltern Brigitte nach Oberschlesien zur Schwester der Mutter schicken. Dort wird sie eingeschult und geht auch in Schomberg zur ersten heiligen Kommunion. In den nächsten Jahren pendelt sie hin und her. Kinderlandverschickung nach Bayern, Kriegserlebnisse in Kiel, danach wieder zurück nach Oberschlesien zur Erholung. Dort aber hat sie große Sehnsucht nach ihrer Schwester und den Eltern und fährt deshalb Weihnachten 1944 nach Kiel zurück. Das ist ihr Glück, denn im Januar 1945 marschieren die Russen in Beuthen ein.
Die Nachkriegsjahre und der Aufbau der jungen Bundesrepublik prägen Brigitte. Sie lernt einen Flüchtling aus Pommern kennen und lieben. Sie heiratet ihn nach vielen Hindernissen 1954. Ein Jahr später ziehen sie nach Stuttgart. Dort endet das Buch.
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