Jürgen Berndt-Lüders

Liebe am Telefon?

FIKTIVES Gedicht um ein unfreiwillig getrenntes Ehepaar.

 

Gut fünf Stunden schlaf ich schon,

plötzlich klingelt’s Telefon.

Nachts um vier, wer ist bloß dran?

Herbert ist’s, mein Ehemann.

 

Exxon-Platform achtundzwanzig,

Ölfeld Ostsee, dicht vor Danzig.

Hab ihn letztes Jahr besucht,

Zimmer im Hotel gebucht.

 

Kratzt im Hörer, ihr wisst schon,

Satellitentelefon.

Schlecht zu hören, man nutzt leider

nur die billigsten Provider.

 

„Hallo Schatz, wie geht es dir?“

 

„Wie soll’s gehen um halb vier?“

 

„Will nur deiner Stimme lauschen,

virtuelle Küsse tauschen.“

 

Ich versteh nichts.

 

„Was sagst du? hör nur rauschen immerzu.“

 

„Schatz, die Qualität ist schlecht.

Ich nehm’s Handy. Ist dir’s recht?

Brauche Festnetzqualität.

Muss mal sehen ob das geht.“

 

Er legt auf. Ich schlaf’ fast ein.

Muss das denn jetzt nochmal sein?

 

Jetzt hab ich ihn wieder dran,

Herbert, meinen Ehemann.

Hör ihn deutlich, doch er klingt

wie wenn er sich grad betrinkt.

 

Einsamkeit auf hoher  See

ist für niemanden okay.

Beide fehlen wir uns sehr,

ich fehl’ Herbert wohl noch mehr.

 

Ich hab schließlich unser Haus,

meinen Job, ich mach was draus,

lade unsre Freunde ein

und bin nicht so oft allein...

 

Doch mein Denken unterbricht

er, indem er zu mir spricht.

 

„Ich muss immer daran denken,

wie wir zwei uns Liebe schenken,

als du mich das letzte Mal

hier besucht hast, im Royal.

Deine halbgeschlossnen Lider

seh ich immer, immer wieder,

deinen rot geschminkten Mund.

Und dein Atmen tut mir kund

dass du unter mir zerfließt,

die Erfüllung in mir siehst.“ 

 

Ich erschreck’. So wie er spricht

kenn ich meinen Herbert nicht.

Warum trinkt mein Mann, warum?.

Klingt wie im Delirium.

Nichts draus machen, denke ich.

Dabei find ich’s fürchterlich.

 

„Ja, es ist schon wunderbar,

wie es letztens bei uns war.

Aber warum sagst du’s mir

in der Nacht um zehn nach vier?“

 

Doch er hört nicht, was ich sage,

formuliert an seiner Frage.

 

„Schatz, berichte mir genau

wie es ist bei einer Frau

wenn sie ihren Gatten spürt

wenn er sie ganz sanft berührt.

Meine Hand auf deiner Brust,

macht dir das wohl auf mich Lust?

Meine Hand an deinem Schritt,

bitte mach das bei dir mit.“

 

Boah, ich soll ihn stimulieren

und es bei mir selbst probieren

und so tun, als sei er hier

körperlich ganz nah bei mir.

 

„Weißt du, Kerl, wie spät es ist?

was du wohl total vergisst

ist, dass ich bald aufstehn muss.

Komm, jetzt gib mir einen Kuss

und sag Gute Nacht zu mir.“

 

Schließlich ist’s schon weit nach vier.

 

Doch jetzt kommen mir Bedenken.

Warum soll ich ihn beschränken?

Sag ich ihm, was mich bewegt?

 

Doch er hat schon aufgelegt.

 

Starre an die Zimmerdecke.

Warum mach ich ihn zur Schnecke?

Ist es denn nicht ganz normal

und für beide eine Qual

wenn sie sich so sehr begehren

und sich so dabei entbehren

müssen wie mein Mann und ich?

 

Ach, wie bin ich widerlich.

 

Lieb ich Herbert oder nicht?

In mir wächst die Zuversicht.

Sollte mich nicht länger schämen,

lieber etwas unternehmen.

Meine Finger wählen schon

vom Royal die Rezeption.

 

Royal-Nachtportier ist dran,

eine Frau ist’s, und kein Mann

 

---

„Sie sind Deutsch? was soll ich buchän?

Wollän ihrän Mann besuchän?

Ja, weiß schon, was dann geschieht.

Gäbä ihnän Hochzeitssuite.

 

Sag nicht Dank, ich känn genau.

Bin doch sälbär eine Frau.“

 

Dies Gedicht habe ich aus IHRER Sicht geschrieben. Ich hoffe, du kannst das akzeptierenJürgen Berndt-Lüders, Anmerkung zum Gedicht

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