Inge Offermann

Botanik oder Baustelle?

Durch die Gartenpforte
betrete ich ein maibuntes,
sonnenbeschienenes
Pflanzenreich und tauche
in eine Zauberwelt ein:
 
Mokkaviolett tupft
Brauner Storchschnabel
die Margeritenwiese.
Glockenblumen nicken
dem Hahnenfuß zu.
Hell läuten Maiglöckchen
und Salomonssiegel
unter samtigen Kiefern.
Akelei umblaut den
rosarot verblühenden
Kamelienbusch.

Goldmohn und
Sonnenröschen
verteilen ihre
Sonnentupfen
zwischen Steinen,
wo Zimbelkraut
roten Steinbrech
blasslila umkuschelt.
Fliederfarben träumen
die Blütenkugeln
des Sternigen Lauches
neben den zartgrünen
sprießender Winterzwiebeln
im warmen Vormittagslicht.
 
Den Wiesenhimmel besternen
kroatische Scilla und
Astlose Graslilie, während
roter Adonis zwischen
gelber Nelkenwurz und
purpurnem Silberblatt flammt.
Wilde Stiefmütterchen äugen
gelblila zu apfelsinenfarbenen
Ackerringelblumen und Liegendem Leinkraut,
indes unter dem weißgrün blühenden
Taschentuchbaum, einem Verwandten
des Hartriegels, Kerbel und Bibernelle
die Gräser überschleiern
und Schwertlilien irisfarben
das lichte Blattgrün der
nach Weinanbaukontinenten
geordneten Rebeninseln auflockern.

Schon röten sich die Kerzen
des Fingerhutes, unterdes Hornklee
Kartäusernelken und Salbei
die noch ungemähte Wiese beleben.
Ackersiegwurz und Sumpfsiegwurz
verschwenden sich in Karminrot,
wogegen orangerote Nelkenwurz
die Glut ihrer Balkanheimat
in den Sonnentag versprüht.
Herzblättrig rankt die Pfeifenwinde
an einen Lampenpfosten dicht empor
umleuchtet von rosiger Ständelwurz,
tanzenden Esparsetten und
buttrig glänzenden Trollblumen.

Erst jetzt öffnet die Sommermagnolie
ihre weißen Sterne, wogegen
der Feigenbaum am Gewächshaus
schon grüne, halbreife Früchte trägt.
Zu seinen Wurzeln macht sich
die zartgelbe Spritzgurke in Nähe
sonnenfarbener Wucherblumen
und dunkelgelben Goldlacks breit.
In den Gemüsebeeten blühen schon
weißer Chili und Paprika neben
Kartoffeln und hellgelben Tomaten
und gleichfarbenem wildem Kohl.
Burgunderfarben die Blütenwedel
des großblättrigen Rhabarbers,
dezent das Rosa des Schnittlauchs
und wilden Majorans, jung noch
die Blättchen der Kichererbsen.
Schwanenblumen wiegen sich
neben ausdauerndem Lein
und Skabiosenflockenblumen
in lauer Spätmailuft.

Unter blühender Mispel
findet sich kräftiges Azur des
seltenen blauroten Steinsamens.
Noch schwelt das satte Gelb
der Sumpfdotterblume in der
Teichlandschaft, aber schon
entrollen sich die halbrunden
Blätter der Wasserhyazinthe,
und das Hechtkraut hat
weiße Kerzen aufgesteckt.
Auch die Teichmummel zeigt
den Seerosensternen bereits
ihre gelben Spitzen im Wasser.
 
Grünlich breitet der Frauenmantel
seine Doldenschirme über
dunkle Blätter mit Lotuseffekt.
In heiteren Endmaifarben
entfalten sich bunte Rosen,
der falsche Jasmin duftet
in strahlendem Weiß
nahe den hängenden
Zweigen der Trauerzypresse.
Rosarotes Ruprechtskraut
fühlt sich bei Schachtelhalm
und Rispenfarn wohl,
gelbsternige Fetthenne und
weißes Hornkraut drängen
sich nebst Sauerklee
und fransigen Federnelken
im hügeligen Steingarten.
 
Behutsam schließe ich
das Gartentor mit letztem
Blick auf Margeriten
und Braunen Storchschnabel,
nachdem ich zwischen
Miniaturlandschaften
und Frühsommerbeeten
mich mit der Flora
vertraut machte und
die Gartenarbeiter
in Ruhe beobachtete.
 
Wie lange besteht noch
dieses artenreiche
botanische Paradies?
Baupläne sehen vor,
dieses und das Nachbargelände
mit Institutsblöcken zu verbauen
und den Garten zwar zu verlegen,
doch ob dies finanziell
auch realisierbar ist,
zeigt erst die Zukunft.
Zudem wehren sich
Anwohner des Stadtviertels
gegen die Bebauung,
denn sie möchten diese
grüne Lunge in ihrem
Umfeld gerne behalten.
 
© Inge Hornisch
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.06.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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