Patrick Rabe

Der Sirius steigt (Gedichttrilogie)

Ich empfehle diese Gedichte ab 18 Jahren. 


Der Sirius steigt

Weiches Bad

Die Hitze, sie verdunstet Denken, Hände,
und Säfte steigen sänftengleich empor.
In ihnen wird Frau Wollust sanft getragen,
zu süßen Wünschen, die kein Bußdruck schor.

Sie steigen aus dem Weichen, aus der Jugend,
da wo das Herz noch atmet, Geilheit bebt,
da, wo das Salzige so süß der Haut schmeckt,
da, wo man ineinandersinkt, und lebt.

Und dennoch macht ein Tschernobyl von heute,
ein ferner Holocaust, dass man ergreist,
man sieht die bleiche Schönheit am Gewässer,
sie leuchtet auf, verschwindet wie ein Geist.

© by Patrick Rabe

geschrieben am Montag, den 12. Juni 2023, Hamburg.



Aus der Nische heraus (Göttliche Komödie ohne Beatrice

Ich hatte mich wohl zu weit aus meiner Nische herausgewagt.
Mir war nicht mal klar gewesen, dass ich in einer saß,
jedenfalls nicht, dass ich sie nicht verlassen durfte.
Ich ging auch keine anderen Wege als sonst,
ich verließ nur zu einer anderen Zeit als gewohnt das Haus.
Und sofort wurde ich bestraft, und sah nicht den geringsten Grund.

Ich lief in eine meiner Lieblingsstraßen
und betrat ohne Vorwarnung die Hölle.
Kreischende, blinkende Technik übermannte mich,
Zapfsäulen für Elektroautos tanzten um mich herum,
erhoben sich über mich,
und donnerten immer wieder auf meinen Kopf herab.

Dann fuhren modernde Leichen auf Fahrrädern die Straßen herunter und sangen mit paappigen Mündern und tiefen Stimmen:
"Die Elektrizität ist abgeschafft worden! Bald sind wir wieder im Paradies!"

Vom Dämmerhimmel fielen riesige, schwarze, klebrige Insekten,
die sich auf meine Kleidung setzten, 
mir in den Mund flogen,
und auf meiner Zunge eitrig aufplatzten,
schreiend unter ihren Flügeln Messer hervorholten
und sie mir irre lachend ins Herz stießen,

...danach wurden sie zu Turbanmoslems und Müllmännern,
die keckernd mit Kehrblechen und Schaufeln
die Straße heruntergingen,
und mit den Kehrblechen
alten Frauen die Kehlen durchtrennten,
vom Himmel kamen orange, heilige Nebelkissenschlösser,
die als Wolken furzend eine Teeparty auf der Straße feierten,
kapriolenschlagende, englisch redende Autos,
die einem Versicherungen andrehen wollten
und mit Gin Tonic-Gläsern jonglierten,
fuhren durch sie hindurch und ruinierten das orange Königreich,
was die Nebelkissenschlösser mit weiteren Fürzen quittierten,
bevor sie als braune Soße in die Gullis flossen,
und sich alks Flüssigkacke einem Kanalarbeiter ins Hirn ätzten,
der vergessen hatte, einen Helm zu tragen,
genau da spürte ich, was die Songzeile heißt:
"Denk dir, niemand, du bist jemand im Weg!".
Nämlich: "Denk dir, Jemand, du bist Niemand im Weg!"
Aber Niemand ist immer gefährlicher als Jemand,
denn er besteht aus Nichts,
und saugt dich in schwarze Autos,
wo du einer Porzellan-Matrijoschka mit Glaspimmel einen blasen musst,
bevor du auf dem Rücksitz weitergereicht wirst
zu schmierigen, fetten Bänkern in ungewaschenen Klamotten,
die dich von hinten durch die geschlossene Hose reiten,
und dir Bilanzen und Börsennews
von oben ins Hirn krakeelen,
bis du vor lauter Zahlen
einen brennend anthrazitenen, eckigen Kopf wie ein Röhrenfernseher mit Taschenrechnerfunktion hast,
und du mit zackigen Handbewegungen,
wie man an einem Rubik-Zauberwürfel dreht,
zu einem Klapp-Tablet umgestaltet wirst,
und dann zu einem Knetgummiurmel,
das sie wieder aus dem Fenster ins Auto werfen...

erst da merkst du, dass du ich bin.

Ich bin wieder auf meinen gewohnten Straßen,
laufe wie gehetzt durch wieder vertraute Szenerien,
und höre die Turmuhr schlagen.

Ich scheine es wieder richtig zu machen,
die Strafen haben aufgehört.
Doch dann höre ich eine hallende Stimme
aus dem Zigarettenautomaten rechts von mir:
"Lauf nicht so schnell! Du fällst auf!"

Ängstlich renne ich zurück in meine Nische.
Es ist eine Sackgasse.

Drei Mädchen mit Smartphones und platoinblonden Haaren
laufen hinter mir her und kreischen:
"So helft ihm doch! Er braucht Hilfe!"

Am Ende der Sackgasse holen sie mich ein,
ihre Fingernägel werden zu Messerklingen
und unter irrem Gejohle
treten sie mich zu Boden,
immer wieder gegen den Kopf,
er splittert auseinander.

Dann fallen die drei über mich her
und zerfleischen meine sterblichen Überreste.

© by Patrick Rabe

geschrieben irgendwann nachts kurz nach Vollmond im Frühjuni  2023 in Hamburg. Dieses Gedicht ist nicht nur angelehnt an Dantes "Göttliche Komödie", sondern auch an mein Gedicht "Die Bacchantinnen".



Lange Haare

Die Menschen sind zu offen, viel zu offen,
ihr Haar ist beigefarben, wie gebeizt,
als wären sie meteroitbetroffen,
sie telepathisieren, sind gereizt.

Und einen, der ein einzig' falsches Wort sagt,
den schlagen sie auf Hände und auf Kopf,
nur den, der sich am Morgen fortwagt,
lässt man noch steh'n in Kleidern und bezopft.

© by Patrick Rabe

geschrieben am Montag, den 12. Juni 2023 in Hamburg. Die langen Haare beziehen sich auf die biblische Sage von Simson und Delilah. Sie waren ein Zeichen von Simsons Kraft und Sündenlosigkeit. Aus meiner Sicht wird das Blatt, wer gerade als sündenlos begriffen wird, des öfteren mal gedreht.

Der Sirius ist der sogenannte "Hundsstern", der eine besondere Stellung an den ganz heißen Tagen im Jahr hat.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.06.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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