Julia

Der Geburtstag

Der Geburtstag 

Ein Mensch, sonst heiter und verträglich wird plötzlich ausgesprochen eklig.
Er murrt daheim und im Büro und niemand weiß genau wieso.
Er stiert auf das Kalenderblatt und jeder fragt: Was der wohl hat?
Ein Schatten fiel auf sein Gemüt weil ihm in Kürze etwas blüht.
Denn siedend heiß fällt es ihm ein: Bald wird er ein Jahr älter sein.
Nun sieht er Tag um Tag bedrückt daß sein Geburtstag näher rückt.
Der Spiegel zeigte es ihm ja: Die ersten Falten sind schon da.
Und auch sein Bauch, du liebe Zeit. Bald braucht er Hemden extra weit.
Zumal beim weiblichen Geschlecht geht es zur Zeit mehr schlecht als recht.
Das Haar, er prüfte das genau, wird an den Schläfen ziemlich grau.

Jetzt trimmt er sich an den Geräten, spielt öfter Fußball, macht Diäten,
Rennt abends um den Häuserblock, greift öfter mal zum Wanderstock
Und hofft, es werde ihm gelingen den Körper so in Form zu bringen.

Die Freunde trösten: „Laß das doch, die besten Jahre kommen noch.“

Das kann den Menschen nicht entspannen. Am liebsten führe er von dannen
Dort hin wo keiner ihn bedrängt und niemand an Geburtstag denkt.
Doch weiß er, seine Leute hoffen auf eine Fete – Ende offen.
Er will die Freunde nicht enttäuschen. Sie rechnen fest mit ihren Räuschen.

Und da das Datum unausweichlich sorgt er für Trank und Essen reichlich
Und lädt zu Braten, Bier und Wein sich jede Menge Leute ein.
Die kommen auch, zu zweit, zu dritt, und bringen wieder Freunde mit.
Der Mensch weiß nicht wie ihm geschieht als er die Meute kommen sieht.
Er staunt: Es werden immer mehr. Wo kommen die bloß alle her!

Ein letzter Gast. Das Haus ist voll. Der Wein ist gut. Die Stimmung toll.

Die Gäste, die er zu sich lud bekommen seiner Seele gut.
Er erntet manches Kompliment von Menschen, die er gar nicht kennt.
Ja, mancher hält ihn in der Hast gar selbst für einen Partygast.
Man feiert ihn auf manche Weise, die einen laut, die anderen leise.
Er erntet viele Komplimente, er habe es noch weit zur Rente.
Und: „Hast du nicht den X gesehen? Mit dem scheint es bergab zu gehen.
Ich schwöre dir, er wirkt auf mich zehn Jahre älter gegen dich.“

Der Mensch hört dieses mit Vergnügen, obwohl ihm Schmeichler sonst nicht liegen.
Er schätzt den Freund auf einmal sehr, weil der genauso denkt wie er
Und auch, was man ja oft vermißt, ganz offensichtlich ehrlich ist.
Es tut ihm gut. Er ist geschmeichelt. Die Seele fühlt sich sanft gestreichelt.

Im Wein liegt Wahrheit, sagt man ja, und davon ist noch reichlich da.

Als dann die Gäste endlich gehen sagt er sich: Dieser Tag war schön.
Er blickt mit heiterem Gefühl ringsum auf seinen Partymüll
Und denkt: Den Wein will ich entsorgen, den Rest erledige ich morgen.
Denn dann, stellt er befriedigt fest, erledigt Weiblichkeit den Rest.

Dem Wein die Wahrheit zu entlocken bleibt er noch eine Weile hocken.
Er fühlt sich selig und beschwingt, indem er acht, neun Gläschen trinkt.
Dann prostet er dem Spiegel zu und trinkt vergnügt mit ihm auf Du.
Sie singen beide ein Duett. Jetzt will er nur noch eins: ins Bett.

Die letzte Flasche ist geleert. Der Mensch erhebt sich wein beschwert.
Da wird ihm schwindelig und er wankt, weil plötzlich alles um ihn schwankt.
Die Wände haben sich verschoben, der Boden hat sich leicht gehoben.
Ja, das gesamte Mobiliar ist nicht mehr dort, wo es mal war.
Und will er sich jetzt fortbewegen kommt ihm ein Möbelstück entgegen.
Er ganz allein, so will ihm scheinen steht fest und sicher auf den Beinen.
Vorsichtig tastet er durchs Zimmer. Nanu? Hier stand sein Bett doch immer!
Jetzt fragt er sich: Wo bin ich hier? Ach, da ist ja die Zimmertür!
Er läßt sich auf die Erde nieder - der Zimmerboden senkt sich wieder.
Die Umwelt sieht er nur verschwommen, und bei der Türe angekommen
Drückt er die Klinke und stellt fest daß sich die Tür nicht öffnen läßt.
Jetzt geht sie auf. Na, Gott sei Dank! Verflixt, das ist der Besenschrank!
Er überlegt, und ihm fällt ein: Die andere Tür da muß es sein.
Er robbt bis hin zum Kanapee und fühlt sich wie auf hoher See.
D i e Tür geht auf. Geschafft! Doch ach, auch sie führt nicht ins Schlafgemach.

Der Mensch irrt lange noch umher und kennt die Wohnung gar nicht mehr.
Er findet Schrank, Tisch und Tablett. Hurra, da ist ja auch sein Bett!
Weinselig sinkt er darauf nieder und streckt die müden Partyglieder.

Vergessen sind die Alltagssorgen. Der Kater wartet bis zum Morgen.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.12.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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