Christina Gerlach-Schweitzer

Vom Ich, dem Mikrobiom und der Weltherrschaft

Vorwort:

Ihr wollt es kurz?
Das geht so nicht.
Es wird ein längeres Gedicht,
denn sonst versteht ihr nämlich nicht:
Wer steuert euch, wer steuert mich?

 

Ich saß allein am Frühstückstisch,
ganz einsam - und ich grämte mich.

Ich fragte so in mich hinein,
wie einsam kann ein Ich nur sein?

Ich fragte dann als Erstes mich,
was ist denn eigentlich ein Ich?
Ein Ich des Menschen braucht an Zellen,
etwa 100 Billionen, um sich zu erstellen.

Zusätzlich braucht ´s (fast) 10 hoch 14 Zellen auch
für´s Mikrobiom in seinem Bauch.
Das ist ´ne Mischung aus Imperien
von Viren, Pilzen und Bakterien.

Davon hat es (fast) zwei Kilogramm,
in Körperhöhlen und im Darm.
Sieben Meter Darm, die kleiden sie aus,
er ist ihnen Heimat, Heizung und Haus.

Einige Keime sind nur Kommensalen,
die uns nichts nehmen, uns aber auch nichts bezahlen.
Keime, die mit uns in Symbiose leben,
sind die, die uns nehmen, aber auch etwas geben.

Die Keime im Darm, die spalten mein Essen
um davon zunächst mal selbst etwas zu fressen.
Das Gute, was ich von ihnen erhoffe,
ist die Fermentation der Ballaststoffe.

Mit Vitamin B1 und 2 versorgen sie mich,
allein produzieren kann ich die nicht.
Sie holen Kraft aus Ballastoffen raus
und machen sich kurzkettige Fettsäuren draus.

Mit Essig- und -Buttersäure füttern sie auch
hungrige Darmzellen in meinem Bauch.
Die Darmzellen kriegen dadurch Energie
und arbeiten dann beweglich wie nie.

Oscillospirata und Lactokoccus im Bauch
üben so Einfluss, wie Akkermansia auch.
Obwohl wir tausend Darmkeime kennen
kann ich nur (knapp) 160 mein Eigen nennen.

Keime, die in einem Darm drinnen wohnen
haben verschiedene Arbeitsfunktionen:
In Pathophysiologie und Regulation
in der Immunologie und Entgiftungsfunktion.

Die Keime können auch Mukus induzieren.
Ein Darm braucht diesen Schleim, um sich auszuschmieren.
Er soll dem Körper Barriere sein,
sonst dringen noch Keime in die Darmwand ein.

Böse Keime wollen den Mukus vernichten,
durch pH-Erhöhung dort Schaden anrichten.
Die Guten im Darmrohr, aber siedeln auf Plätzen,
auf die sich die bösen Keime sonst setzen.

Gutes Mikrobiom schafft Immunkompetenz,
doch Fehler in ihm fördern vielleicht die Demenz.
Doch manchmal ist es fälschlich verschaltet,
dann werden Proteine schon mal ungut gefaltet.

Keimnachbarn werden dann auch Falten machen,
dann passieren im Gehirn vielleicht schlechte Sachen.
Um Gute zu stärken, und dies´ zu verhindern,
muss man gezielt den Hunger von Guten lindern.

Das Mikrobiom in seiner Artenvielfalt,
hat `ne komplexe Ökologie wie ein Regenwald.
Auch Antibiotika schaden dem Gleichgewicht,
weil dadurch oft die Vernetzung zerbricht.

Die Mikrobiome teilt man in drei große Sorten.
Man findet die Grundtypen so allerorten:
Enterotyp 1 hat viele Bacteroiden,
Enterotyp 2 ist mit Prevotellas zufrieden.

Enterotyp 3, der der häufigste ist,
hat Prevotella, Firmicutes und wie ihr wisst,
auch Ruminokokken und Bakterioiden.
Er ist ziemlich einheitlich und doch verschieden.

Grundsätzlich ist ein Mikrobiom sehr markant,
und wird wie ein Fingerabdruck erkannt.
Manche seiner Keime übernehmen Funktionen,
unterschiedlich, bei verschiedenen Personen.

Quetschen sich Keime in den Raum zwischen Zellen
können sie Nerven dort Infos zustellen.
Dann wird das Immunsystem schnell irritiert,
Antikörper zur Abwehr werden dann produziert.

Das enterische Nervensystem in allen Darmwänden,
kann Transmitter sogar zum Gehirn hinein senden.
so steuert dies´ Bauchhirn mit (fast) hundert Millionen Neuronen
bis ins Zentralhirn gewünschte Funktionen.

Zu 90 Prozent spricht der Darm zum Gehirn,
nur 10 Prozent gehen zum Darm von der Stirn.
Bauch-Bakterien können am Großhirn schalten,
sich durch den parasympathischen-Nerv unterhalten.

Der Darm schickt Stoffe am Nerven entlang
und schaltet auf diesem Darm-Hirn-Achsen-Gang.
Doch manchmal schickt er die Signale
über die Blutbahn, in einer Transportschiffchenschale.

Ich musste erkennen, ich bin niemals allein,
mein Ich muss Teil von was Anderem sein.

Das Darm-Mikrobiom teilt mein Ich mit mir,
Doch wie nehme ich Einfluss auf dieses innere Tier?

Ein Berater am Handy, der warnte mich,
wenn Du was isst, sei vorsichtig:
Wurst und Rauchen schaden dem Tier
gib´ ihm kein Alkohol, nicht mal ein Bier.

Stress mag es nicht und kein Weißmehl essen,
auch Zucker und rotes Fleisch soll´s nicht fressen.
Wenn man sich selber zu fleischreich ernährt,
erhöht´s und verschlechtert´s den pH-Wert.

Den guten Keimen vom Mikrobiom
denen reichen viele Ballaststoffe schon.
Die füttere ihnen aus Obst und Gemüse“,
erklärt er belehrend, er hat Expertise.

Er fänd es pro Woche gar nicht vermessen,
25 Sorten Obst- und Gemüse zu essen,
Vollkornprodukte, Nüsse und Hülsenfrüchte,
damit man das Mikrobiom artenreich züchte.

Kocht man Reis und Kartoffeln und lässt sie liegen,
werden sie nach 24 Stunden mehr Ballaststoff kriegen.
Sie stärken so dann das Mikrobiom.
Das freut sich auf solche Nahrung schon

Auch Naturjoghurt, Sauerkraut, Kimchi und Kefir
stärken und freuen das Darmtier in mir.
Auch könnt´ ich dem Mikrobiom Freundschaft erweisen,
äß´ ich für es fermentierte Speisen.

Zusatzstoffe dagegen und Emulgatoren
lassen das Leben von Keimen verschmoren.
Enthalten in Joghurt und Supermarktbrot
bringen sie manchmal den Darmkeimen Not.

So´n Mikrobiom hat Einfluss meist
auf unseren Körper und sogar unseren Geist.
Es ist verändert bei Autismus, Adipositas und Depression,
Allergien, Asthma, Diabetes, vielleicht Morbus Crohn.

Parkinson, Vaginosen, rheumatoider Arthritis,
kardiovaskulären Erkrankungen, MS, atopischer Dermatitis,
Psoriasis und hepatischen Enzephalopathien,
vielleicht bei Alzheimer und sicher bei Mangel an Vitamin.

Ob Impfungen klappen, beeinflusst es auch
und die Wirkung von Tabletten bei ihrem Gebrauch.
Es regelt unser Sozialverhalten
und verändert sich, wenn wir uns Stress gestalten.

Ein gutes Keimspektrum macht uns stressresistent,
wenn man das Informationsnetz nicht trennt.
Dies Haustier, das liebe, unser Mikrobiom
hängt ein bisschen auch ab von unserem Genom.

Kontaktfreudige Menschen haben Vielfalt im Darm,
autistischen Menschen sind eher artarm.
Adipöse Personen sammeln Firmicutes in sich.
Das finden sie manchmal ärgerlich.

Denn wenn die mit anderen zusammenspielen,
können sie viel Energie erzielen.
Man braucht sie aber für die Interaktion,
sie bekämpfen die Bösen im Mikrobiom.

Was diesen Darmkeimen Macht verleiht,
ist der Einfluss auf die Persönlichkeit.
Bei labilen Menschen, so wurd´ mir erklärt,
finden sich Gammaproteobakterien deutlich vermehrt.

Das Mikrobiom kann uns mutiger machen,
auch Ängstlichkeit kann es verursachen.
Gleich wie ein Haustier das auch so tut,
wirkt ein gesundes Innen auf die Psyche gut.

Das Mikrobiom hat Anteil am Charme,
verträgliche Menschen haben Vielfalt im Darm.
Und was bekanntlich immer schon galt,
Bauernhofkinder haben besondere Vielfalt.

Mir wird am Frühstückstisch jetzt klar,
dass mein Ich schon immer gesteuert war.

Ich wurd´ regiert durch meine Keime,
durch sie war ich aber auch nie alleine.

Gut vernetzt und sehr verschaltet,
hat mich mein Haustier still verwaltet
mit Keimen die mich stets begleiten,
die nicht meckern und nicht streiten.

Sollten wir uns einmal trauen
in unser Inneres zu schauen,
das Mikrobiom herrscht clandestin,
regiert mein Ich als stilles Team.

Wenn ich das so genau entdecke,
ist unser Ich `ne Marionette.
Wir merken das nur meistens nicht,
denn im Darminneren ist kein Licht.

Was wir zum Mikrobiom noch wissen,
ist, dass wir uns mal trennen müssen.
Ein Drittel nur vom Freigesetzten
sind davon Keime, die wir schätzten.

Sie treten sie in die Welt hinaus,
und schwärmen durch Kanäle aus.
Wer in euch bleibt vom Hausgetier,
den füttert gut im Darmquartier.

Verleibt euch viel Gemüse ein
dann werdet ihr enteinsamt sein.
Tomaten, Paprika, und Lauch.
Obst wie Äpfel geht ja auch.

Solch´ Futter kann ein Mittel sein
damit zähmt ihr jeden Keim.
Ein Möhrenscheibchen für Papa,
und eins für Akkermansia.

Ihr kennt das Mikrobiom jetzt gut,
doch bleibt ein bisschen auf der Hut.
Beobachtet´s im Bauch genau,
denn dieses Tier ist wirklich schlau.

Hat es nämlich zu viel Kraft,
dann strebt´s auch nach der Weltherrschaft.
Doch unsere Dominanz bleibt diese:
Nur wenn wir wollen, kriegt´s Gemüse.

Wenn man das logisch weiterdenkt,
und auf das Machtmittel verengt,
gilt, auch wenn es uns so nicht gefällt,
Obst und Gemüse regieren die Welt.

Und wer jetzt fragt, was ist nun Ich?
und gibt es Ich auch ohne mich?

Da sag ich nur, ich weiß es nicht.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.01.2024. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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