Patrick Rabe

Surreale Belästigungen (Ein Frühling im 21. Jahrhundert)

Wegen einiger explizit sexueller Passagen in diesem Gedicht möchte ich es ab 16 empfehlen

 

Surreale Belästigungen (Ein Frühling im 21. Jahrhundert)

Ein mediterraner Abend,
warme Luft.

Freischwebende Astralleiber von Nachbarn
und die Geister der Toten
gondeln durch meinen Kopf.
Ich halte sie mit Liebe
und der kleinen weißen Katze
auf meinem schwarzen Nadelstreifenschoß
in Schach.
Meine Nachbarn glauben,
sie können im völligen Drogenrausch
Wanderungen durch meine Zellstruktur machen.
Ich finde das nicht witzig. 
Die Spiritualität des 21. Jahrhunderts ist total entgleist.
Langsam nimmt der Astralleib meines 
Crackstein und Marihuana
konsumierenden Nachbarn
die Form von Plastillin an,
und beginnt, mir die Kapitel über die "Fee mit den blauen Haaren"
aus Carlo Collodis Pinocchio vorzulesen.

Ich vermisse meine Mutter.
Aber ich vermisse vieles.
Ich vermisse es auch, dir deine dreckigen Fußsohlen zu lecken
und mit dir Kootchi-Koo zu machen.

Mein Plastillinnachbar zerbröselt
und hinterlässt feinen Porzellanpuppenstaub
auf meinem Teppich.

Heute ist Sonntag.
Das ist eine Lüge,
ebenso, wie, dass das Erdöl weniger wird.
Ich esse Speisen mit Meersalz,
obwohl im Meer Atombombentests 
gemacht worden sind
und Leute ins Wasser gekackt haben.

Kontaktlosigkeit wird groß geschrieben.
Sich mit den reinen Daten seiner Bankkarte,
ohne dieses vervirte Ding anfassen zu müssen,
via Internet ein Nasi Goreng kommen lassen,
das man nur in der Vorstellung isst,
und eine Nutte via Bildschirm bestellen,
die man nur in der Vorstellung vögelt.

"Was nützt die Liebe in Gedanken, Hombrè?"
"Offensichtlich viel, Ophelia. Das spart auch das Kloster.
Wenn man sie in Gedanken lässt,
hat man weder sich noch den anderen kontaminiert,
und kann dreckig bleiben, ohne sich schmutzig zu machen.
So werden wir immer mehr zu Oberflächen,
hinter die wir uns zurückziehen können,
bis uns der Wichsomat packt,
eine Interneteinrichtung,
in der man bei Samenstau
all seine sexuelle Aggression pumpen kann."

Ein Jahrhundert der Entfremdung
und der Angst voreinander.
Ich bevorzuge den Kontakt.
Die Begegnung sogar! Wie kühn!
"Lebe wild und gefährlich, Arthur!"
Ich habe es gemacht
und sitze jetzt voller eingestürzter Oberflächen,
die mir das "Unheimlich ist der Mensch"-Ballett
in Außerirdisch D-Moll vortanzen.

Ein mediterraner Abend.
Ich schließe das Fenster.
Früher habe ich im Frühling
andere Dinge gedacht.

© by Patrick Rabe

geschrieben am Montag, den 29. Januar 2024 in Hamburg, an einem sehr warmen Nachmittag.

Vielleicht sind all diese Eindrück (die meisten davon habe ich gar nicht, sie sind literarische Fiktion) auch ein wenig dem abnehmenden Vollmond geschuldet. Wenn Vollmond ist, ist oft auch die eigene Erlebnistiefe größer. Zumindest mir als Künstler geht das so.

Liebe Gedanken an meine Mutter. Ich war oft ungerecht zu dir, Mama, ich habe dich lieb, und vermisse dich!

© by Patrick Rabe

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.01.2024. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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