Ulla Meyer-Gohr

TEUFELSRITT

 

Fast alle Feriengäste tummelten sich in den Nachmittagsstunden auf gebuchten Ausflügen. Ich genoss die Stille und schaute von der Terrasse des Hotels über das, im Sonnenlicht, glitzernde Meer. Mein Wunsch, mal allein aus zu spannen, war in Erfüllung gegangen. Die Familie zeigte Verständnis.
      " Du Sonnenanbeterin ! - Schenkst dem Sonnenkult deine ganze Aufmerksamkeit !"
Verdutzt  sah ich auf. Das Reitertrio, Halo, Susanne und Birgitt hatte ich nicht kommen hören. Sie umringten mich auf herangezogenen Korbsesseln und führten ihre Neckerei fort.
      " Mann, Madame Gisi ( mein Spitzname auf Djerba ) du lässt dich von einer Wohlfühloase in die nächste fallen !"
      " Zu viel Gesundheit kann auch schaden !" Mutter Hannelore, genannt Halo, mahnte mit erhobenem Zeigefinger.
      " Hast du eigentlich schon das Inselinnere gesehen oder ein Dromedarritt zu den Berberstämmen unternommen ? fragten die Töchter durcheinander. Dann witzelten die beiden mit meinem Badelaken herum. Drapierten sich das Tuch bei verschiedenen Posen um ihre Körper und fielen von einem Lachkrampf in den anderen.
      "Du musst, in deinem Urlaub, das eigentliche Djerba kennenlernen. Die Zeit vor dem Abendbuffet wäre genau richtig einen ersten Ritt zu wagen. Jetzt ist die Hitze nicht mehr so stark. - Ich mache dir einen Vorschlag: komm mit uns zu dem Gestüt, Ponterosa. Alles andere wird sich finden."

Nichts war der ehrlichen, herzerfrischenden Art dieses Dreiergespannes entgegen zu setzen. Sie hatten einfach recht. Langsam mußte ich Land und Leute richtig kennen lernen bevor der Urlaub endete.
      " Wartet hier. Ich ziehe mir nur passende Kleidung an !"
Meine spontane Zusage verblüffte die drei.
      " Für uns brauchst du dich nicht extra schön machen. Zehn Minuten geben wir dir. Sonst holen wir dich."

Weiß verputzt mit tief herunter gezogenen Ziegeldächern lagen die Stallungen in die Landschaft eingebunden. Das Gestüt ergab fast einen Kreis. Durch die Bauweise bildete sich ein Innenhof. Die Stalltüren schauten auf einen malerisch, alten Ziehbrunnen, der in der Mitte des Hofes lag. Geruch von Pferden lag in der Luft. Es drückte dem Leben, auf der Ponterosa, einen Stempel auf.
Die Reitergruppe wartete bereits auf ihren Ausritt. Halo, Susanne und Birgitt waren darunter.
      " Aber nicht so ein großes Pferd ! - Aber nicht so ein großes Pferd !" wiederholte ich mich andauernd. Der Stallbursche Mustafa grinste und zeigte auffallend weiße Zähne in dem dunklen Gesicht. Unergründlich musterten mich seine braunen Augen. Dann verschwand er in einem der Stallungen und kam mit einem schwarzen Hengst zurück.
      " Oh, Gott ! - Ist der groß !" stieß ich entsetzt aus.
      " Ihre Füße doch nicht schleifen dürfen auf Erde, Madame Gisi !" meinte Mustafa im gebrochenen Deutsch und grinste erneut. Das Pferd musterte mich regungslos. Es war bereits gesattelt. Der Tunesier erklärte mir, in seinem Kauterwelsch, die Regeln wie das Tier zu händeln sei.
      " Du zupfen an Zügel links - Pferd gehen links!
         Du zupfen an Zügel rechts - Pferd gehen rechts !
        Du sagen Brrrrrrr - Pferd stehen !
        Du sagen Hü - Pferd setzen sich in Bewegung !
         Du stubsen mit Füßen in die Weichen - Pferd fallen in Galopp, Trab oder andere Gangart !
         Das reichen für ersten Ausritt auf Djerba !"
Ich :  ???
Die Begriffe des Schnellkursus für Touristen schlugen Capriolen in meinem Kopf.
      " Ach was. - Das packst du schon," sprach ich zu mir.
      " Du nicht dürfen klammern mit Füßen. Pferd irritiert. Vielleicht, werfen dich ab !"
      " Wie heißt das Pferd ?"
      " Blitz !"
Ich: Auch das noch ! - Für mich war der Name ein böses Omen."
Mustafa half mir in den Sattel.
      " Nun komm ! - Das klappt schon !" riefen meine drei Freundinnen.

Endlich setzte sich die Reiterkolonne in Bewegung und verließ das Gelände. Nach einer geraumen Zeit fand mein Pferd heraus, dass auf ihm eine Last thronte, die keine Ahnung von einer Pferdewelt besaß. Sofort nutzte das Tier diese Situation zum Rollentausch aus. Blitz machte keine Anstalten mich ab zu werfen. Zumal er es gewohnt war  jemanden auf sich herum zu tragen. Das Pferd entschied sich nur mich zu ignorieren. Meine Truppe schöpfte keinen Verdacht der Zwistigkeiten zwischen Reiter und Pferd. Für unsere Trödelei hatte man sogar Verständnis und ich wollte mir nicht die Blöße geben mit dieser Schwierigkeit nicht fertig werden zu können. Also nahm ich den Teufelsritt sportlich und versuchte das Beste daraus zu machen. In einem großem Abstand, zur Kolonne, folgte das Tier durch einen Palmenhain. Wildwuchs schuf ein undurchdringliches Dickicht  um die Baumstämme herum. Blitz fraß von links nach rechts und umgekehrt sein Abendbrot zusammen. Meine Befürchtungen, wir verlieren die Leute aus den Augen, schlug bei mir in Furcht um, sodass ich meine Vorsätze vergaß und dem Pferd mehrmals eine Rüge erteilte. DasTier reagierte mit Kopfschütteln und leise grollendem Wiehern, welches nach - Nein - klang. Darauf bestrafte es mich, in dem er plötzlich in einen kleinen Galopp verfiel. Am Ende des Weges stürtzte es sich auf eine Wasserstelle und stillte mit kräftigen Zügen seinen Durst. Noch nicht ganz vom Galopp erholt hatte ich jetzt die Mühe nicht über den Pferdehals kopfüber in den Wasserbehälter zu rutschen. Es war mir eine Lehre das Pferd nicht noch einmal  zu reizen. Inzwischen umgab uns paradiesische Ruhe. Das Abendrot zeigte sich bereits am Himmel. Von Menschen weit und breit nichts zu sehen. Wir kamen auf Sandwege an kleinen Gehöften vorbei. Aggressives Hundegekläff und warnendes Verbellen verfolgte uns. Mir kam dieser Ritt eine Ewigkeit vor. Mein Durchhaltevermögen erlosch mehr und mehr aber ich biß die Zähne zusammen. - Irgendwann entschloß sich Blitz irgendwo ein zubiegen. Plötzlich standen wir vor einem großem, breiten Tor. Über dem Tor ein weithin sichtbares Schild " Ponterosa " Ich war sprachlos. Mustafa musste das gewusst haben. Er konnte sich auf Blitz verlassen. Das Tier kannte die ganze Tour und fand mühelos den Heimweg. Er lieferte den Ritter von der traurigen Gestalt, auf seinem Rücken, plichtgetreu, wieder ab. Danach schmiss er sich in den Sand und warf sich von einer Seite seines Körpers auf die andere. Durch das Sandbaden versuchte er meinen Körpergeruch aus seinem Fell los zu werden. Dann trabte er direkt in seinen Stall. Indessen spürte ich meine Beine nicht mehr.
      " Guckt mal wer da kommt Don Quiotte ohne seine Rosinante ! - Tapfer geschlagen ! - Kompliment ! - Darauf müssen wir einen Trinken ! " johlten meine drei Amazonen. Ich nickte müde. Aufkommender Muskelkater ließ mich O-beinig das Gestüt verlassen. Über den Ritter von der traurigen Gestalt verlor ich kein Wort.
                      
 
  
  
   

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.02.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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