Klaus-D. Heid

Konfus

Mein Name ist Mozart. Meine besten Freunde, deren Zahl bedauerlicherweise an einem Finger abzulesen ist, nennen mich liebevoll ‚Moz’. Ich weiß selbst, dass das ein absolut bescheuerter Kosename ist. Andererseits muss ich ihn mir nur höchst selten anhören, da ja die Zahl meiner besten Freunde an einem einzigen Finger anzulesen ist. Wenn ich ganz ehrlich bin, brauche ich mir die Mühe mit dem Anzählen am Finger gar nicht erst machen. Das Ergebnis wäre ohnehin immer das Gleiche. Der einzige beste Freund, den Moz hat, ist Mozart selbst! Leider. Aber so ist das nun mal im Leben, oder? Letztendlich ist es immer noch besser, sich selbst zum besten Freund zu haben, als sich abgrundtief hassen zu müssen. Wenn ich mich mit mir unterhalte, entsteht nie ein wirklich böse geführtes Streitgespräch. Am Ende eines Ein-Mann-Dialogs stimme ich mir jedenfalls immer zu.

Sie glauben mir nicht, dass ich Mozart heiße? Warum nicht? Würden sie mir eher glauben, wenn ich ‚Beethoven’ oder ‚Chopin’ hieße? Es ist tatsächlich so. Der Name Mozart ist gar nicht so selten, wie es langläufig vermutet wird. Alleine in Deutschland und Österreich leben etwa siebentausend Mozarts, von denen die wenigsten mit eben jenem Mozart verwandt sind, der als ‚der’ Mozart gilt. Mein Familienname geht bis ins 14. Jahrhundert zurück, als man erste Mozarts auf dem Scheiterhafen verbrannte. Ein paar von uns muss man vergessen haben, denn sonst gäbe es mich ja wohl kaum! Ich freue mich darüber. Manchmal jedenfalls. Manchmal denke ich mir auch, dass man Mozarts verbrannt hat, weil sie – wie ich – keine Freunde ertragen konnten. Feinde können wir noch viel weniger vertragen. Eigentlich können wir Mozarts überhaupt nichts vertragen. Auch keinen Alkohol, wie ich seit Kurzem schmerzlich erfahren musste. Aber zu diesem Thema möchte ich vielleicht, wenn überhaupt, erst später Stellung nehmen. Sie werden bestimmt verstehen, dass ich mir Peinlichkeiten tunlichst ersparen möchte.

Schon mal Mozartkugeln gegessen? Sie kennen doch diese leckeren, verführerischen süßen Kugel mit dem cremigen Inhalt? Ja? Sehr schön! Denn mit jeder Mozartkugel, die Sie in Ihrem Leben verspeist haben, erweisen Sie dem Namen Mozart eine gewisse Hochachtung. Das gilt auch, wenn Sie die Kugeln animalisch verfressen aus dem Papier wickeln, um sie in einem Stück herunterzuwürgen. Das gilt außerdem auch, wenn diese Mozartkugeln ebenfalls nichts mit jenen Mozarts zu tun haben, die mich produzierten. Wir Mozarts brauchen Anerkennung selbst dann, wenn sie nicht ehrlich gemeint ist. Geheuchelte Anerkennung ist immer noch besser, als Todesverachtung bei gleichzeitigem Wünschen von schrecklichen Schicksalen.

Sie finden, dass ich anfange, dummes Zeug zu schreiben? Dann sind Sie wohl auch einer von denen, die mich vor ein paar hundert Jahren am liebsten angezündet hätten, wie? Geben Sie’s zu! Ich habe Sie nämlich durchschaut! Moz hat ein Gespür dafür, wenn Unehrlichkeit nicht ehrlich gemeint ist. Jawohl! Wenn eine Lüge nicht von Herzen komm, kann man sich die Lüge auch sparen. In diesem Fall ist es besser, gleich die Wahrheit zu sagen. Können Sie die Wahrheit sagen? Könnten Sie ganz aufs Lügen verzichten?

Ich könnte das nicht! Ist wohl auch so ein genetisch bedingtes Phänomen, das sich durch die Ewigkeiten hinweg immer mehr manifestiert hat.

Ob ich musikalisch bin? Da fragen Sie noch? Jemand mit meinem Namen bläst nicht in der Badewanne auf dem Kamm, um ein paar Töne von sich zu geben. Auch wir Mozarts haben eine gewisse Familienehre, die sich durchaus auch in Musikalität ausdrückt. Nehmen Sie zum Beispiel das Saxophon. Kann es nicht herrliche klingen? Die Klarinette? Kann sie nicht wundervoll lieblich zwitschern? Die Geige? Lauscht man ihr nicht andächtig, wenn sie beginnt, zu tirilieren?

Ich spiele kein Instrument; aber ich kann rhythmisch mit den Füßen auf dem Boden stampfen. Mein viel zu bekannter Namensvetter konnte das bestimmt nicht so gut, wie ich. Besonders bei den heißen Rhythmen von Bob Marley hätte Wölfchen Probleme bekommen, den Takt zu halten. Um noch ein bisschen mehr zu prahlen: ich verstehe es ausgezeichnet gut, mit meinen Fingern auf der Tischplatte zu trommeln. Diese besondere Begabung muss ich wohl von meiner Mutter haben, die zeitlebens auf der Tischplatte trommelte, wenn Vater wieder einmal zu lange in der Kneipe saß...

Hatte ich schon erwähnt, dass ich gerne lüge? Sie dachten wohl, dass ich nur lügen muss, aber es nicht gleich gerne tue, oder? Irrtum! Ich lüge, dass sich die Balken biegen. Jedes Wort von mir ist eine verdammte Lüge. Selbst wenn ich behaupte, nicht die Wahrheit zu sagen, kann das schon eine Lüge sein. Verwirrend? Für mich nicht! Im Gegenteil. Ich brauche das.

Ich denke, es reicht fürs erste.

Haben Sie bis zu dieser Stele durchgehalten? Bravo! Kompliment. Meistens liest man mich nur bis zur ersten Zeile, um mich dann aus dem Gedächtnis zu löschen. Um so mehr freut es mich, dass Sie die große Ausnahme gebildet haben. Es wird Sie nun wohl kaum überraschen, dass mein Name nicht Mozart ist, wie?

Herzlichst, Ihr Heinz 'Moz' Schmitt.

Bitte nicht nach dem philosophischen Sinn und Hintergrund der Geschichte nachdenken. Es gibt ihn nicht! Die Geschichte entstand, weil sich plötzlich verrückte Gedanken und Worte aneinander gereiht haben. Klaus-D. Heid, Anmerkung zur Geschichte

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