Bodo Mario Woltiri

Der Wellnessurlaub

Es sind Ferien, die Nachbarn sind schon weggefahren,
nur Familie Schulte hat noch kein Urlaubsziel
und an Möglichkeiten gibt es nicht mehr viel,
weil sie schon fast überall in Urlaub waren.
Doch dann hat Herr Schulte doch noch was Neues entdeckt:
Einen ganz kleinen Reiseladen, in der Seitenstraße versteckt.
Ein Werbespruch über der Tür angebracht
hatte ihn neugierig gemacht:
Wenn Sie einen Sinn suchen,
sollten Sie bei uns buchen:
Trans-Inside-Travel
Urlaub auf höherem Level.
„Vielleicht wär‘ das ja was“, dachte Herr Schulte,
denn er hatte ein Faible für alles Okkulte.
Er trat also ein und weckte den Mann an der Rezeption
durch das Klingeln der Türglocke aus der Meditation.
Herr Schulte beschrieb kurz seine Not
bei der Suche nach einem attraktiven Angebot.
doch der Mann stellte zunächst die Frage
nach Schultes Gemüts- und Seelenlage.
Er könne sich  bei der Arbeit nicht schonen,
erklärte Schulte geradeheraus,
er leide bisweilen an Depressionen
und ginge zu selten aus sich heraus.
„Das ist doch schon was“, sagte der Mann,
„womit ich was anfangen kann.“

„Nun teil‘ ich mein emotionales Defizit
mit Frau und zwei Kindern, und die fahren mit;
es darf also nicht sündhaft teuer sein“,
schränkte Schulte gleich zaghaft ein.
„Da käme das therapeutische Feriencamp in Frage,
da ist alles drin inklusive Nachbereitungstage.
Und eine Woche mit viel Therapie,
die kostet `nen Tausender und nicht mehr
einschließlich Kost und Logie
der Preis ist doch wirklich fair.
Natürlich tausend Euro pro Person,
aber fürs Übernatürliche lohnt sich das schon.“
Herr Schulte buchte und verließ euphorisch und froh
mit vier Tickets das esoterische Reisebüro.
 
Einen Tag später trat Schultes Familie dann
mit Spannung die Reise ins Innere an.
In einer Gruppe vierzig weiterer Seelenkranker
Landeten sie nach acht Stunden Flug auf Sri Lanka.
Alle verstauten in der Gemeinschaftsunterkunft ihre Baggage
und begaben sich voll Zuversicht zur ersten Seelenmassage.
Die Methode durfte jeder frei wählen
und so konnten nach wenigen Stunden
die Schultes einander stolz erzählen,
wie sie zu sich selbst gefunden.
Schultes erwachsene Tochter Laura
entdeckte statt Flora und Fauna
ihre persönliche Aura
in der tibetischen Sauna.
Gegen Abend kam Schultes Frau
begeistert von der Orakelschau:
Pendeln und auch Kartenlesen
seien dagegen nichts gewesen.
Herr Schulte selbst schließlich hatte erlebt,
das schönste Erlebnis in freie Natur sei,
wie er sich tief aus dem Innersten erhebt:
der ewige männliche Urschrei.
Sohn Alfred dünkte sich schlauer,
nach einem Tag Psychodrama
habe er nun die Pyramid Power,
und Kenntnisse über sein Karma.
Es versteht sich von selbst, dass auch im Schlaf
die Seelen nicht untätig blieben,
denn jeder sollte am Morgen danach
sich eifrig in Traumdeutung üben.
 
Nach sieben Tagen war’s dann soweit:
zuende der therapeutische Marathon,
man machte sich für den Heimflug bereit.
Sie flogen – oder besser: schwebten davon.
Doch zuhause angekommen,
war die Wirkung schon verflogen,
die man mühevoll gewonnen –
und sie fühlten sich betrogen.
 
Herr Schulte, weil er sich beim Frühstück Zeit ließ,
sah erschrocken auf die Uhr und hetzte
zum Büro. Der Urschrei, den er dabei ausstieß,
war für ihn wohl auch der letzte.
Frau Schulte wollte was Besonderes braten
Und befragte zwei Stunden lang das Orakel.
Es sei hier nur so viel verraten:
Das Essen wurde ein entsetzliches Debakel.
Und Laura erkannte beklommen,
dass die Aura, die sie sorgsam gepflegt,
in der Schule kein Aufsehen erregt.
Die Aura war Laura abhandengekommen.
Alfred rief gleich seine Freundin an
Und lud sie zum Stelldichein.
Er sei  jetzt ein ganz neuer Mann
Sie werde überrascht sein.
Das war sie auch wirklich – nur:
Von Pyramid Power war keine Spur.
 
Am Abend waren Schultes zu Besuch bei Bekannten,
die hatten im Balkan Urlaub gemacht.
Schultes wurden von vier gut erholten, braun gebrannten
und fröhlichen Gesichtern angelacht.
„Ihr seht aber wirklich gut aus“,
sagte Herr Schulte verlegen.
„Und ihr seht kaputt aus!
Hattet ihr Pech mit dem Wetter?“
„Ach nein“, kam Schultes Antwort leise zurück,
„mit dem Wetter hatten wir eigentlich Glück.
Wir waren ja nicht dort zur Körperpflege,
sondern um die Seele zu erfrischen.
Aber wenn ich’s mir so überlege:
Im nächsten Jahr fahr ich an die See – zum Fischen!“

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.01.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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