Gaby Schumacher

Ein kleiner Freund, ein grösserer Freund und dann ein.. ??

 

 
 


 


Es fing so harmlos an, es wurde soo peinlich...!



Ich war 15 jahre alt. Meine Eltern wählten für einen gemeinsamen Kurzurlaub mit mir einen Gutshof im Münsterland. Schliesslich sollte ich mich ja nicht langweilen. Etwas Schöneres konnte mir überhaupt nicht passieren. Da trabste, trippelte, kroch und fleuchte alles herum, was mein Herz so begehrte.

Meine Lieblingstiere guckte ich mir ganz schnell aus. Begeistert stellte ich fest: Da gab es ausser Enten, Hühnern und Gänsen noch einige grössere Vierbeiner, die meiner Seele doch weitaus näher standen. Auf einer Weide grasten friedlich mehrere Pferde. Wie ich später  erfuhr, waren es Anglo-Araber. Auf dem grossen Hof vor dem Gutshaus tobte doch tatsächlich total aufgedreht eine richtige Hundemeute. Es waren sage und schreibe 21 Dalmatiner, die wohl mit dem Gutsherren auf Jagd gingen. Ich sah sie und war hin und weg und futsch.

Angst vor Hunden und Pferden kannte ich nicht. Als erstes mischte ich mich unter die Hunde, die mich vor Freude fast umwarfen und anschliessend einer gründlichen Vollwäsche unterzogen. Ich eroberte deren Herzen aufs erste Anschnuppern im Sturm und sie meines beim ersten Blick in die lieben braunen  Hundeaugen.

Einer von ihnen hatte es mir besonders angetan. Es war kein schöner Hund, doch einer mit besonders viel Charme. Wir schauten uns an uns und es war passiert.
In den nachfolgenden Tagen liess mich "Othello" keine Sekunde mehr allein. Er folgte mir auf Tritt und Schritt überall hin. Wir gingen spazieren, er lief bei Fuss, ohne dass ich das von ihm gefordert hatte. Blieb ich stehen, stellte er sich neben mich und lehnte sich zärtlich gegen mein Bein. Setzte ich mich auf eine Bank, legte er mir seinen Kopf aufs Knie und sah mich unverwandt an. Seine innige Zuneigung rührte mich tief. Zwischen uns brauchte es weder Worte noch Bellen. Es war einfach wunderschön.


In jenen Ferien gewann ich noch einen zweiten vierbeinigen Freund, noch etwas grösser und bei weitem temperamentvoller. Sein Name war "Alibaba". Er war einer der Araberpferde. Nach den ersten Tagen kriegte ich spitz, dass auf dem Gutshof auch Reitunterricht gegeben wurde. Hartnäckig bestürmte ich meine Eltern so lange, bis ich mitmachen durfte.

In den Tagen, bevor es soweit war, lief ich jeden Morgen in der Frühe zu den Pferden in den Stall, um Streicheleinheiten auszuteilen. Alibaba begrüsste mich stets mit lautem Wiehern. Deshalb traute ich mich, trat zu ihm in die Box und schmuste mit ihm. Er pustete mir zärtlich warme Luft in den Nacken und versetzte mir einen liebevollen Stubs mit dem Maul. Das war der Beginn unserer Freundschaft.
Für mich stand es fest:
Natürlich(!) ritte ich Alibaba!. 

Nach meinen ersten zwei Reitstunden dann flüsterte dem allerdings sein Instinkt zu, dass ich blutige Anfängerin war, also mein Glück auf seinem Rücken noch total von seiner Willkür abhing. Wir übten gerade eine Volte(die Pferde drehen sich um die eigene Achse!), als mein Freund da unter mir die ganze Angelegenheit nach nur wenigen Minuten wohl reichlich langweilig fand und nach einer fixen Methode suchte, mich erst einmal in die unteren Gefilde zu befördern. Er wollte über seine Weide flitzen und nicht Zirkuspferd spielen.

Kurzerhand machte Alibaba einen kleinen Hopser. Ich, darauf in keinster Weise vorbereitet, verlor prompt den Halt und flog in hohem Bogen in die Sägespäne. Dort blieb ich völlig perplex erst einmal liegen. Alibaba hatte sein Ziel erreicht. Doch da wir ja Freunde waren, tat ich ihm offensichtlich doch leid, so tief unter ihm. Jedenfalls rührte er sich nicht von meiner Seite. Es schien, als passte er ganz bewusst auf, mich ja nicht aus Versehen zu treten.

Aus seinen schönen Augen traf mich ein schelmischer Blick. "Na warte!", murmelte ich, rappelte mich auf und kletterte ächzend zurück in den Sattel. Damit wiederum hatte er nun wahrlich nicht gerechnet und bockte. Aber diesmal ohne Erfolg. (Aus Erfahrung lernt man.). "Denkste, nicht nochmal mit mir!", raunte ich ihm ins gespitzte Pferdeohr. Ob er das wohl verstand?

Blitzschnell griff ich in die Zügel und zog sie straff. Ein kurzes Aufmucken, dann gab Alibaba klein bei. Stolz sass ich auf seinem Rücken, dirigierte ihn linksherum, dann rechtsherum, trieb ihn an zum Trab und sogar zum Galopp.

Er gehörchte auf den kleinsten Schenkeldruck.
Ich hatte gewonnen.


Dieser Urlaub hielt noch eine dritte Überraschung für mich bereit. Ein paar Tage später traf eine Familie aus Hamburg ein. Mutter, Vater und ein 15-jähriger Sohn, Hans-Otto mit Namen.

Unsere Eltern kamen ins Gespräch und verstanden sich auf Anhieb sehr gut. So verbrachten Hans-Otto und ich viel Zeit miteinander.

Ich bewunderte ihn über alle Maßen. Er sah sehr nett aus, hatte blitzblaue Augen, eine sehr schöne Stimme und... ein eigenes Reitpferd.  Das gab damals für mich den Ausschlag. Zuerst nahm ich mir vor, ihn nett zu finden, dann fand ich ihn tatsächlich nett und immer netter. Schliesslich begann mein Herz heftig zu klopfen, sobald er mich ansah.

Wir liefen Hand in Hand. Es folgte der erste Kuss. Jeden Morgen brachte er mir unter meinem Zimmerfenster ein Ständchen. Ich strahlte vor Stolz. Nicht jedes Mädchen mit 15 erlebte so etwas. Bald unzertrennlich, und unternahmen alles gemeinsam.

Ja, dann kam der schicksalsschwere Tag. Der Tag, an dem unsere junge "Liebe" sich einer ersten Probe stellen musste. Wie immer strolchten wir auf dem Gut umher, flaxten und hatten Spass. Plötzlich hopste aus einem Gebüsch am Wegesrand auf vier süssen weißen Samtpfoten eine kleine Katze auf uns zu, umstrich miauend unsere Beine, wollte offensichtlich schmusen und dachte, wie wir dann feststellten, nicht im Traume daran, sich mit nur einer kurzer Vorbeigeh-Krauleinheit zufriedenzugeben: Nein, erstens war das ja wohl keinesfalls ausreichend und zweitens langweilte sie sich. Deshalb schloss sie sich uns an. Leider war es Abendbrotzeit und wir mussten zurück.

Wie mir das bei sehr vielen Tieren immer so erging, erging es mir auch da: Erst streichelte ich, dann spielte ich und dann war es sowieso um mich geschehen. Das Mini-Kätzchen landete prompt auf meinem Arm und Hans-Otto war fast(!) abgemeldet. Zumindest schien er sich so zu fühlen, denn er lief ein wenig verunsichert neben mir her.

Na ja nun, denn eine ganze Viertelstunde lang hörte er aus meinem Munde nichts anderes mehr als:
"Ist die nicht süss? Guck`mal die Äugelchen, die niedliche Schnute und die putzigen Pfoten usw... usw... !"
Der Arme!!

Wir betraten die Gaststube, in der unsere Eltern gemeinsam an einem Tsch saßen und offensichtlich intensiv ins Gespräch vertieft waren. Ich stand da mit Hans-Otto an der Hand und der schnurrenden Katze auf meinem Arm, war selig mit dem kleinen Stubentiger und konnte das nicht mehr für mich behalten. Meine Eltern sollten doch an meinem Glück teilhaben und Hans-Öttos Eltern auch.

Ich war in meiner Begeisterung nicht mehr zu bremsen und posaunte es in Lautstärke 300 heraus, damit auch wirklich alle hören sollten, wie sehr ich mich freute. Vor Wohlbehagen seufzte ich einmal laut, wandte mich übers ganze Gesicht strahlend zu meinen Eltern und verkündete: 

"MUTTI, VATI, EENDLICH HABE ICH EINEN BETTGENOSSEN!"

Ich war mir sicher, die würden sich mit mir freuen. Stattdessen herrschte Totenstille neben mir an meiner Hand, am Tisch und auch in weiterer Runde. Mein Jubelschrei war ja nicht zu überhoren gewesen. Es wusste jetzt jeder Bescheid. Nur - falsch Bescheid natürlich.

Hans-Otto guckte entgeistert, meine Eltern guckten noch entgeisterter und Hans-Ottos Eltern saßen da mit versteinertem Gesichtsausdruck und kriegten ihre Mimik da auch nicht unter Kontrolle. Soo ein entsetzliche Eröffnung und das vor sämtlichen Gästen des Hauses. Mein Gott, wie peinlich!! Sie könnten nur noch ihre Koffer packen und schnellstens abreisen.

Meine Eltern erwachten langsam aus ihrer Erstarrung, schlossen erst einmal den Mund, um ihn dann fix wieder zu öffnen. Ich hatte mich unmöglich daneben benommen. Das konnten sie nicht einfach so im Raume stehen lassen. Das bedurfte einer tüchtigen Gardinenpredigt.

Mutti wollte gerade eine wohlgestzte Rede vom Stapel lassen, als ich, völlig verdattert wegen dieser total unerwarteten und mir da noch immer unverständlichen Reaktion der Erwachsenen, das Gefühl hatte, vielleicht noch eine zusätzliche Erklärung anhängen zu müssen:
"Ach, die ist so süss. Die darf heute bei mir schlafen!"

Ein Blick zur Seite zu Hans-Otto. Irgendwie sah der aus, als ob ihm gerade ein ganzer Felsbrocken von der Seele plumpste.

Ein Blick zu meinen Eltern, dann zu seinen: Sie hatten doch gerade erst zu diszipliniertem Benehmen zurückgefunden. Doch jetzt fiel allen Vieren ein zweites Mal die Kinnlade herunter.

In der nächsten Sekunde schämten sie sich sichtlich in Grund und Boden, versuchten aber in ihrer Betroffenheit, das hastig mit einem zögerlichen, verlegenen Lächeln zu überspielen.

"ACH HERRJE! WIE KONNTEN WIR ABER AUCH TATSÄCHLICH NUR EINE EINZIGE SEKUNDE LANG ANNEHMEN, DASS... ??"

Wie heisst es doch so schön?
Die Zeit heilt alle Wunden, auch die, die man sich selbst zufügt.
So wurde nach einigen Reue-Minuten aus dem Lächeln ein befreites Lachen, dass schliesslich in einem lautem Gelächter gipfelte.


Das Kätzchen verbrachte eine gemütliche Nacht in meinem Bett.
Als ob nichts gewesen wäre, brachte mir Hans-Otto am nächsten Morgen wieder sein Ständchen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.06.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Mit dem Schreiben und Dichten, ist das so eine Sache.So war ich oft der Meinung, nur lyrisch Schreiben zu können, falls ich mich in einem annähernd, seelischen Gleichgewicht befände, erkannte aber bald die Unrichtigkeit dieser Hypothese.Wichtig allein, war der Mut des Eintauchens.Das Eins werden mit dem kollektiven Fluss des Ganzen. Meine Gedanken, zärtlich zu Papier gebrachten Gefühle,schöpfte ich stets aus diesem Fluss.

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