Hardy Schneck

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Es war ein heißer Sommertag, dieser 11. Juli 1945. Hartmut S. lebte mit seiner Frau Hanne und Söhnchen in einem halbzerstörten Einfamilienhaus am Rande einer Großstadt am Rhein. Von der Großstadt war nichts mehr vorhanden. Zu gründlich hatten die >Besuche< der Royal Air Force und der US Air Force in mehr als 30 Einsätzen das Bild ausradiert. Heute gab es nur noch Trümmer, wo einst prächtige Häuser und Straßen waren. Einst lebten hier hundertausend Menschen, jetzt gab es nur noch eine Hundertschaft. Nun, der verdammte Krieg war zu Ende, nun galt es für die Überlebenden 'Kopf hoch und vorwärts blicken'.Aber es gab nichts. Keine Lebensmittel, kein Heizmateril für den kommenden Winter, alles war reiner Notbehelf. Jeder mußte sehen, wie er über die Runden kam.Hartmut hatte viel Glück gehabt. Nach einer schweren Verwundung im Herbst 1944 in Norditalien, war er nach langem Lazarettaufenthalt als nicht mehr 'kriegstauglich', sprich Invalide nach Hause entlassen worden, sehr zur Freude seiner Gattin und seines einjährigen Sohnes.Die Schwiegereltern waren ebenso hocherfreut, hatten sie doch jetzt noch einen Mann im Haus, der zupacken konnte.
Um in dieser schweren Zeit zu überleben, bedurfte es eines Organisationstalentes, wie es Hartmut, geschult durch jahrelanges Kommisleben, hervorragend beherrschte. Deshalb machte er sich heute auf den Weg in die Vordereifel, um 'Naturalien' zu ergattern. Hier bei den Bauern auf dem Lande gab es noch einiges zu erstehen, zwar verlangten diese nicht nur gute Bezahlung in Form von Schmuck, Gold, Zigaretten, Schnaps und anderen ,zur Zeit luxeriösen Tauschwaren, nein sie waren auch noch geizig und gierig. Hier gingen ganze Silberbestecksammlungen für ein paar Eier drauf, oder ein halbes Pfund Butter für einen Trauring. So war das damals.Hartmut aber hatte ein Ziel: Ein Kamerad von ihm besaß zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern einen kleinen Bauernhof in der Nähe von Polch im Maifeld. Christian, so war sein Name hatte den Krieg auch überlebt und hatte Hartmut wissen lassen, wenn er mal was bräuchte, solle er sich melden. Dies wollte Hartmut nun tun. Mit einem kleinen Handwägelchen, in welchem der kleine Reiner saß, machte man sich auf den Weg.Es ging gut voran und man erreichte das Gehöft um die Mittagsstunde.Unterwegs trafen sie auf ganze Kolonnen von Städtern (sog. Ausgebombte), die gleichfalls zum *ergattern* auf dem Weg waren. Rucksäcke auf dem Rücken, oder Taschen und Koffer schleppend. Alle waren sie bleich und abgemagert. Einige Männer trugen noch ihre verschlissenen Uniformen, jetzt natürlich ohne Rangabzeichen und Reichsemblemen. Die kleine Familie wurde von Christian und dessen Angehörigen sehr freundlich und liebevoll empfangen. Viel Zeit zum Reden bleib allerdings nicht, denn bei Einbruch der Dunkelheit mußte man zu Hause sein, es herrschte nämlich strengste Ausgangssperre. Man tauschte also ein paar Klamotten und Zigaretten, sowie losen Tabak gegen einen Sack Kartoffeln, Möhren, Kohlgemüse,Eier, etwas Speck und Mehl. Ein Gläschen Schnaps und ein Glas Honig noch für den Kleinen, dann hieß es Abschied nehmen und nichts, wie nach Hause. Nach gut vier Stunden hatte man die Moselbrücke, besser gesagt die Reste davon erreicht. Die Deutschen hatten die Brücke noch in den letzten Kriegstagen gesprengt und amerikanische Pioniere hatten die entstandene Lücke mit Holzbohlen provisorisch instandgesetzt. Man reihte sich in die Menschenschlange ein, geduldig wartend, da an der Brückenrampe kontrolliert wurde und wie! Dort standen 5 Deutsche, die Amis hatten ihnen weißblaue Armbinden verpaßt und sie damit als 'Hilfspolizisten' gekennzeichnet. Und diese nutzten das Privileg schonungslos aus. Sie nahmen den Leuten einen Großteil ihrer eingetauschten Naturalien ab und versuchten einige dies zu verhindern, warfen sie kurzentschlossen Rcksäcke und Taschen in die Mosel.Es herrschte "heulen und Zähneknirschen". Hanne fing an zu weinen, alles schien umsonst gewesen zu sein, doch da! Hartmut kam ein genialer Einfall.Er war ja in Danzig geboren und beherrschte selbstverständlich die polnische Sprache perfekt. In seiner Jackentasche hatte er noch ein paar Bonbons und die hatten es um sich: Nämlich das Papier. Es war rotweiß, die Farbe Polens!Hartmut wickelte ein Bonbon aus, glättete das Papier und steckte es sich ins Knopfloch seiner Jacke. Jetzt kamen sie dran. Einer der Typen ergriff sich schon einige Kohlköpfe, als Hartmut auf polnisch loslegte und in gebrochenem deutsch laut polterte:"Du Nazi Hund, Ich war in KZ du Lump, du dreckiger SS-Schwein" und es folgten noch schlimmere Ausdrücke. Die Hilfspolizisten standen wie erstarrt, bis einer rief:"Ein Alliierter, laßt ihn durch!" Hartmut wurde dreister. Er deutete auf die hinter ihm Nachfolgenden und schrie:"Gehörrt zu Famillie!" So gelangten noch mehrere Menschen ungehindert auf die andere Seite der Brücke, wo sie Hartmut überschwänglich dankten und ihm förmlich 'Naturalien' aufdrängten, was er aber dankend ablehnte.Ohne weitere Zwischenfälle erreichte man das kleine Wohnhaus, wo die Schwiegereltern sie schon erwarteten, denn es dunkelte bereits und man hatte sich gesorgt.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.05.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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