Jennifer Krassow

Itchiban: Vergessene Erinnerungen

Langsam öffnete ich meine Augen. Die Sonne ging am Horizont auf. Ich lag in einem alten Bett, dass in einer alten zerbrechlichen Holzhütte stand. Dann sah ich einen Spiegel der gegenüber vom Bett an der Wand hing. Der Spiegel war mit alten Rosenranken geschmückt. Wegen der Kälte und der Feuchtigkeit war er beschlagen, doch ich konnte mich leicht darin erkennen. Wieder hörte ich diese Stimme singen: „Everynight, everyday, is everything only for you...only for you.“ Jede Nacht, jeder Tag, ist alles nur für dich...nur für dich. Ich lächelte.

Ich wachte ruckartig auf. Schweißgebadet war ich und schaute mich in meinem dunklen Zimmer um. „Was war das? Was war das für ein Traum?“, rief ich leise zu mir und hielt mir die Ohren zu. „Nein...nein...nicht schon wieder...“ Mir liefen die Tränen übers Gesicht. Dann stieß ich einen kurzen lauten Schrei aus. Nach kurzer Zeit blickte ich zu meiner Tür und ging auf sie zu. Ich machte sie auf. Leise knarrte sie, aber das machte mir nichts mehr aus. Ich ging die Treppe hinunter. Sie war schon alt und sehr zerbrechlich, aber auch dies machte mir nichts mehr aus. Unten angekommen schaltete ich das Licht an. Es flackerte. Ich bemerkte es eigentlich gar nicht mehr. Dann sah ich wiedermal meinen Anrufbeantworter blinken. Ich drückte den Knopf und hörte die Nachricht ab: „ Diane, hier ist deine Mutter. Es tut uns Leid, dass wir es nicht geschafft haben wieder Heimzukehren, aber dein Vater hatte einen Skiunfall. Wir wünschen dir alles Gute zu deinem 18. Geburtstag. Ich hoffe du feierst schön. Ruf mich doch bitte zurück.“ Das sagte sie immer. Es ist schon fast 3 Jahre her, als ich meine Eltern zum letzten Mal sah. Hmm...18...was hat das schon zu bedeuten...es interessiert eh niemandem, dachte ich mir. Was keiner wusste, dass dieser Tag...heute...ein Tag wie kein anderer werden sollte. Ich nahm mir die Pizza vom Vortag und setzte mich auf die Couch, wie jede Nacht. Und nahm mir ein altes Buch namens „Itchiban“ vor. Ich fand dieses Buch vor paar Jahren und irgendwie hat es was besonderes an sich. Egal wie schlecht es mir ging heiterte mich Itchiban immer wieder auf. Itchiban war in dem Buch ein glücklicher Junge, der jeden mit seinem Lächeln verzauberte. Und wenn es ihm selber mal schlecht ging, lächelte er. „3.33 Uhr...Diane Mahogan wurde vor 18 Jahren geboren. Danke Mom und Dad, dass ihr mich verdammt habt.“, sagte ich wie jedes Jahr und strich traurig über das Buch, dabei fiel mir eine Träne hinunter. Plötzlich geschah etwas unfassbares. Ein helles Licht erschien und zog mich in dieses Buch hinein. „Everynight, everyday....“, hörte ich es leise singen. Es war eine sanfte männliche Stimme. Sie kam mir so bekannt, so vertraut vor. „Lane, Lane...meine Geliebte...Lane...“, sagte die sanfte, zarte Stimme zu mir. „Aber ich bin nicht Lane. Ich heiße...“ Ich verlor mein Bewusstsein. „Lane?“, sagte ein junger Mann. Ich öffnete meine Augen. „Wo..wo bin ich?“ „Du bist hier..hier bei mir!“, lächelte er und sah in meine leuchtenden blauen Augen, dabei zeigte er aus dem Fenster einer wunderschönen Holzhütte. „Du...“ „Ich bin übrigens Keanu. Und das hier ist mein..unser Land Prinzessin Lane.“ Schockierend stand ich auf und brachte für einen Augenblick lang kein Wort über meine Lippen. Dann schrie ich: „Ich bin nicht Lane!! Verdammt hörst du mir denn überhaupt zu??“ Er blickte zu mir. Dann ging er auf einen Spiegel zu, der mit wunderschönen roten Rosen geschmückt war. „Hier...schau in den Spiegel. Sieh es dir selbst an.“ Ich ging verwirrt auf den Spiegel zu. Irgendwie war mir mulmig und ich hatte ein wenig Angst. Was soll der Spiegel mir schon zeigen?? Träume ich wieder? Dann will ich nie wieder aufwachen....nie wieder. Ich schaute kurz zu Keanu herüber. „Hab keine Angst meine Geliebte.“ Er lächelte. Ich versuchte ihn zurück zulächeln, doch mit aller Mühe, die ich mir gab, funktionierte es nicht. Ist er etwa...Itchiban? Innerlich merkte ich, dass mir warm wurde und in mir ein glühendes helles Licht aufflammte. Ich ging immer näher auf den Spiegel zu. Meine Schritte wurden immer langsamer. „Keine Zweifel, Lane. Geh nur, geh.“ Ich schaute noch einmal kurz zu ihm hinüber und schluckte. Dann sah ich in den Spiegel...
Dort stand ich. Wunderschöne gemachte Haare und in einem wunderschönen blauen Kleid, passend zu meinen Augen. Dann geschah es...der Unfall...alles voller Blut. Er starb, mein Geliebter Keanu Itchiban. Er...er hat mich gerettet. 100 Jahre schlief ich. Alles vergessen. Alle Tränen vergessen. Wie konnte ich es nur? Ich sah zu Keanu hinüber. Doch er verschwand allmählich. „Mein Geliebter bleib, bitte!!“ Ich brach in Tränen aus. „Bleib!!!“, schrie ich. „Sei nicht traurig Lane. Ich tat es, um dich zu beschützen. Ich liebe dich! Bitte lächle nur einmal...nur einmal für mich.“, sagte er leise und verschwand ganz.

Ich wachte auf. Meine Augen mussten sich erst an den Sonnenaufgang gewöhnen. Ich blickte mich um. Ich lag in einem alten Bett, dass in einer alten zerbrechlichen Hütte stand. Langsam ging mein Blick zu einem Spiegel. Er war beschlagen, doch ich konnte mich leicht darin erkennen. Ich schob die Decke beiseite und ging auf den Spiegel zu. Er hatte immer noch die Rosen um sich geschlungen. Dann hörte ich ihn singen: „Everynight, everyday, is everything only for you...only for you.“ Ich berührte den Spiegel und wischte kurz über ihn. Dann lächelte ich.
...Nur für dich...

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.07.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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