Andreas Rüdig

1. Duisburger Krimi

„Bedingt durch die günstige Verkehrslage an Rhein und Hellweg gründen die Franken um 800 auf dem Duisburger Burgplatz eine Königspfalz als Verwaltungszentrum. Die Kapelle, die zu der Pfalz gehört, ist Vorgängerein der Salvatorkirche. Um 900 wird sie im Heberegister der Abtei Prüm in der Eifel urkundlich erwähnt. Um 1000 ersetzt man sie durch einen romanischen Steinbau.

1254 übernimmt der Deutschritterorden das Patronat über die Kirche. Die Ritter reißen sie ab. Unter Einbeziehung des romanischen Grundrisses erbauen sie eine dreischiffige gotische Pfeilerbasilika. Im Laufe von vielen Jahren wird das Gotteshaus ausgeschmückt, unter anderem mit einem Chorgestühl, der Salvatorstatue, elf Apostelfiguren, einem Taufstein und den Sakramentshäuschen. Taufstein und Sakramentshäuschen befinden sich heute noch in der Kirche.

Am Palmsonntag 1478 brennt der Kirchturm ab. Im gleichen Jahr erfolgt die Grundsteinlegung für einen neuen Turm, der im Jahre 1493 wieder aufgebaut ist. Er hat die gewaltige Höhe von 106 Metern und dient der Stadt als Wachturm.
Das Gedankengut der Reformation breitet sich auch in Duisburg aus. 1555 entfernen Bilderstürmer die Salvatorstatue aus der Kirche und beschäftigen den Taufstein. Vorboten der Ökumene erreichen die Kirche, denn die Sprache der Predigt ist deutsch und der Gottesdienst erfolgt abwechselnd nach katholischen und evangelischen Riten. 1571 wird die Kirche evangelisch.

1610 tagt unter der Schutzherrschaft Brandenburgs die 1. Generalsynode der reformierten Gemeinden der Herzogtümer Jülich, Kleve und Berg in der Salvatorkirche. Es wird eine Kirchenverfassung erarbeitet, die zum Teil noch heute gültig ist. Gewählte Presbyter vertreten die Gemeinde und haben ein Mitspracherecht bei der Wahl des Pastors. 1613 zerstört ein Blitzschlag den Kirchturm, der erst nach dem 30jährigen Krieg wieder aufgebaut wird. 1682 erhält der Kirchturm, der nach 69 Jahren wieder aufgebaut ist, eine Barockhaube mit einem Engel als Wetterfahne.

Während der Reinlandbesetzung durch die Franzosen wird die Kirche als Kornspeicher und Pferdestall zweckentfremdet. 180 ermöglicht eine großzügige Schenkung des Deutschen Kaisers den Beginn einer umfangreichen Kirchensanierung. 1891 gründet Oberbürgermeister Lehr einen Bauverein zu einer weiteren Sanierung der Kirche. Unter anderem wird die Barockhaube des Turms entfernt und durch einen achteckigen Aufsatz (Oktagon) und einen kegelförmigen Turmhelm ersetzt.

1904 erfolgt die feierliche Einweihung der renovierten Kirche. Es ist das letzte große Fest, das die Salvatorkirche als Stadtkirche feiert, denn durch die Eingemeindung von vielen Ortschaften (z. B. Ruhrort, Meiderich) wird Duisburg zur Großstadt und die Salvatorkirche eine ihrer zahlreichen Kirchen.

Am 13. Mai 1943 sucht ein verheerender Bombenangriff auf die Stadt Duisburg auch die Salvatorkirche heim. Der brennende Kirchturm stürzt auf das Langhaus. Die Kirche brennt völlig aus.

Die Kirche hat folgende Maße: Länge = 58 Meter, Breite = 21,5 Meter, Innenhöhe = 17,5 Meter., Turmhöhe = 62 Meter. Die Außenmauern bestehen aus Backstein und sind zum Teil mit Tuffstein (Brohltal) verkleidet. Außerdem verarbeitete man Trachyt und Sandstein.
In der Innenstadtgemeinde wurde stets konfessionelle und religiöse Toleranz gepflegt. Ein Beispiel dafür geben die Glasfenster, die nach dem Krieg ersetzt wurden. Die Entwürfe stammen von evangelischen, katholischen und jüdischen Künstlern (Karl Hellwig, Claus Pohl, Berthold Janke und Naftali Bezern). Die steinernen und hölzernen Gedächtnistafeln aus dem 16. bis 18. Jahrhundert erinnern an Wissenschaftler, Professoren, Bürger und Soldaten, die in oder neben der Kirche beigesetzt wurden.

Tauf-, Ewigkeits-, Altar-, Apostel- und Fürbittenleuchter schmücken den Innenraum. Der letztere, dessen Form an einen Globus erinnert, dient der persönlichen Andacht der Besucher. Die Kanzel – überliefertes Entstehungsjahr 1644 – mußte nach Kriegsbeschädigungen restauriert werden. Seit dem Jahre 2002 verfügt die Kirche über die gegenwärtige Orgel. Sie ist für Musik aus dem Barock, der Romantik und für zeitgenössische Musik geeignet,“ stellt Erika Köppen die Geschichte der Salvatorkirche vor.

Duisburg ist eine schone Stadt. Eine sehr schöne Stadt sogar. Insbesondere der neu gestaltete Innenhafen hat es mir angetan. Die Promenade zwischen Steiger Schwanentor und Museum Küppersmühle ist hübsch gestaltet. Selbst im Sommer, wenn es warm und sonnig ist, verirrt sich werktags kaum ein Spaziergänger hierhin. Gerade einmal am Wochenende ist hier viel los.

Warum ich Ihnen das alles erzähle? Ganz einfach: Ich bin Kirchenmusiker und Kantor. Und die evangelische Salvatorkirche kann eine hervorragende Kantorei vorweisen. Dort habe ich mich als Kantor beworben. Jetzt, da der alte Kantor Franz-Xaver Unkeneder in den Ruhestand getreten ist, ist dort nämlich eine Stelle frei. Zusammen mit vier anderen Kandidaten bin ich in die engere Wahl für die Stelle gekommen.

Ich würde die Stelle schon gerne haben. Die Bezahlung ist gut. Die Kantorei verfügt über hervorragende Sänger; die Kantorei hat schon mehrere CDs aufgenommen, die sich auch gut verkaufen. Ich wäre der beste Kantor für diese Kantorei.

Der Innenhafen hätte für mich einen großen Vorteil Ich habe da ein neues Programm auf meinem Rechner. Es ist ein Kompositionsprogramm. Mit ihm kann ich (auch für mehrere Instrumente) auch größere Musikstücke erstellen. Wenn ich einen Kopfhörer in den Rechner stecke und die Taste F1 drücke, kann ich mir noch während des Komponierens mein Musikstück anhören.

Die Orgel an der Salvatorkirche ist die beste, der derzeit auf dem Markt erhältlich ist. Ich habe mir vorgenommen, in jedem Gottesdienst mit einer neuen Komposition zu glänzen. Außerdem möchte ich an den kirchlichen Festtagen (Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Konfirmation) mit der Kantorei auftreten, und zwar mit selbst komponierten Stücken.

Sie merken: Ich möchte hoch hinaus. Die Salvatorkirche soll ein Sprungbrett für meine kirchenmusikalische Karriere sein. Ich brauche diese Stelle unbedingt. Doch wie es anstellen? Genau: Ich werde meine Konkurrenten beseitigen.

Ich weiß auch schon, wie ich es anstellen werde. In den kommenden fünf Wochen sollen wir Konkurrenten – quasi als Ersatz für das Vorstellungsgespräch – während des Gottesdienstes vorspielen. Wer zu dem Gottesdienst in sechs Wochen eingeladen wird, der kriegt die Stelle.

Zum Glück ist die Salvatorkirche jeden Tag geöffnet. Ich werde morgen in die Kirche gehen, so tun, als sei ich ein zufälliger Besucher und mir die Orgel mal genauer anschauen. Ob wohl die Orgel mir helfen kann, meine Konkurrenten zu beseitigen?

(zwei Tage später)

Die Salvatorkirche gefällt mir immer besser. Jetzt bin ich mir auch sicher, daß mir die Orgel helfen wird.

„Die Töne sind verklungen“ heißt es in einem Lied von Peter Maffay. „Der letzte Ton dauert ewig“ heißt es bei meinem Konkurrenten Peer Schmidt. Als das Nachspiel, mit dem die Gottesdienstbesucher verabschiedet werden, fast zu Ende gespielt ist, gibt es eine plötzlich Dissonanz, mit der das Orgelnachspiel endet. Erschreckt fährt die Gemeinde hoch. Als der Küster die Orgel erreicht, sieht er Peer Schmidt quer über die Orgeltasten liegen. Er ist total verkrampft. „Die Orgel steht ja völlig unter Strom,“ staunt der Küster. Er muß die Sicherung herausdrehen, damit sicher Notarzt überhaupt mit der Leiche beschäftigen kann.

Währenddessen krabbelt der Küster in die Orgel und entdeckt den Fehler schnell: ein durchgeschmortes Kabel...

(nächster Sonntag)

500 g Mehl Typ 1050 mit 2 Päckchen Trockenhefe / 40 g Frischhefe und 100 g Zucker in einer Schüssel vermischen. 1 Ei, 100 g weiche Margarine und 200 ml Milch dazugeben und dann erst mit dem Handrührgerät, dann mit der Hand durchkneten. Den Hefeteig zugedeckt auf das doppelte Volumen aufgehen lassen. Das dauert etwa 30 bis 60 Minuten. 100 bis 150 g Sultaninen leicht mit etwas Mehl vermischen und von Hand unter den Teig kneten. Dann in 12 Stücke teilen, je zu 35 cm langen, dünnen Stangen rollen, zu Brezeln formen, auf ein backpapierbelegtes Bachblech legen und nochmals aufgehen lassen. Mit Dosenmilch bestreichen und mit Hagelzucker bestreuen. Mit der mittleren Schiene bei 180°C (E-Herd) / Stufe 2 (Gasherd) 15 Minuten backen.

Die Salvatorgemeinde hat eine Angewohnheit, die mir sehr entgegenkommt: Nach dem Gottesdienst setzt sie sich zusammen, redet über die Predigt und andere Banalitäten, trinkt Kaffee und vertilgt Plätzchen und Kekse. Ob mir die Salvator – Krekelinge helfen können, einen weiteren Konkurrenten loszuwerden?

Quasselnd setzt sich die verbliebene Gemeinde an den gedeckten Tisch im hinteren Seitenschiff nahe der Wendeltreppe zur Orgel. Geert Schmitt kommt von der Orgel herunter; er ist ein guter Organist und mein schärfster Konkurrent. „Kommen Sie, Herr Schmitt, setzen Sie sich zu uns,“ fordert ihn eine ältere Dame auf. „Aber gerne doch,“ strahlt Schmitt sie siegessicher an. „Ah, ich sehe, es gibt selbstgemachte Brezeln. Da greife ich doch gerne zu.“ Spricht`s, greift zu und beißt mit Wonne hinein. Es soll das letzte sein, was er in seinem Leben tut. Kaum ist die Brezel mit etwas Kaffee hinuntergespült, vergrößern sich seine Augen und ein Röcheln entströmt seinem Mund. Dann fällt er mit flottem Schwung vornüber auf den Tisch. „Oh Gott, was habe ich gemacht,“ fragt die ältere Dame. „Von wem sind übrigens die Brezeln?“

Anfang März 1445 brachte der Erzbischof von Köln seine Soldaten mit Schiffen rheinabwärts. Am 10. März hatte er seinen festen Stützpunkt, Kaiserswerth, verlassen und segelte bei Nacht und in aller Heimlichkeit stromab nach Duisburg. Beim Ankerwerfen entdeckten ihn Wanheimer Fischer, die unheilsahnend jemanden in die Stadt schickten, um den Magistrat zu warnen. So konnten die Duisburger Bürger in gemeinsamer Anstrengung den Sturm auf die Stadt abwehren.
Zur Erinnerung an die glückliche Befreiung aus Kriegsnot beschenkten sie noch manches Jahr am 12. März, dem Gregoriustag, die Kinder mit Kuchen und Brezeln, die man damals „Krekelinge“ nannte. Deshalb nannte man dieses Fest auch später „Krekelendag“.

Die Brücke am Marientor, wo die 2 feindlichen Heerhaufen aufeinanderstießen, nannte man nun im Volksmund „Verlörkes Brück“. Sie befand sich dort, wo noch vor wenigen Jahren das Gebäude der Bauunternehmung Kiefer war, etwa 150 Meter schräg vor der Marienkirche.

Der Düsseldorfer Maler Professor Claus Meyer malte im Jahre 1901 diesen Kampf an der „Verlörkes Brück“. Das Bild wurde 1902 zur Einweihung des Rathauses an der rechten Längswand des großen Sitzungssaales angebracht.

Dieser Text ist nicht auf meinem Mist gewachsen. Er stammt aus der Feder von Wolfgang Hoppe. Ich habe den Text nicht nur in seinem Buch „Duisburger Balladen“ gefunden. Der Text befindet sich auch auf einer Bildtafel, die (neuerdings???) in der Salvatorkirche hängt. Ob mir der lockere Nagel wohl helfen kann...?

Naßgeschwitzt vor Anstrengung kommt Fridolin Königs Brand von der Orgel herunter. „Drehen wir noch eine Runde durch die Kirche, bevor wir uns der Meute stellen,“ frage ich den Konkurrenten mit dem komischen Namen. „In Ordnung,“ antwortet Königs Brand erschöpft. Unter dem besagten Textbild bleibe ich stehen. Schon nach wenigen Sekunden trommele ich scheinbar nervös an der Wand. Wann...? Als ich einen Lufthauch spüre und einen Kracher höre, blicke ich auf. Königs Brand liegt mitsamt Bildtafel auf dem Boden. „Was ist denn das für ein komisches Teil,“ wundert sich der Pfarrer. „Das habe ich ja noch nie hier gesehen...“

Gerhard Mercator ist eine historische Figur. Er entwarf Atlanten und Stadtkarten. Sein Leichnam liegt in der Salvatorkirche begraben. Also gehe ich in das Archiv der Gemeinde. Und ich habe wieder Glück. Ich entdeckte eine alte Innenansicht der Kirche, in der das Grab Mercators verzeichnet ist. Ob mir wohl (s)ein Geist helfen kann?

Als die Gottesdienstbesucher in die Kirche strömen, beachtet niemand die Erhöhung auf dem Fußboden. Erst nach dem Gottesdienst fällt sie dem Küster auf. „Haben Sie da was abgestellt,“ fragt er den Pfarrer. „Nein, habe ich nicht,“ antwortet mein zukünftiger Arbeitgeber erstaunt. Gemeinsam gehen sie hin, gefolgt von meinem überneugierigen Konkurrenten. Gemeinsam heben sie die Steinattrappe hoch. Als die wie Mercator aussehende Puppe hochschnellt, trifft sie meinen Konkurrenten genau am Kinn. Zu dumm, daß er mit dem Kopf genau auf die Kirchenbank schlägt...

Am nächsten Tag schellt die Polizei an meiner Haustür. „Guten Tag, ich heiße Müller, Wachtmeister Müller, um genau zu sein.“ Jetzt bin ich geliefert. „Ich habe da mal eine Frage.“ Ja, schon gut, ich gestehe alles. „Es geht um Ihren Wagen. Sind Sie sicher, daß er nicht schon längst über den TÜV gemußt hätte?“

Was steht da in der Zeitung? „Küster unter Mordverdacht festgenommen...“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.04.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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