Jutta Miller-Waldner

Kartoffelsalat mit Buletten

Jeden Sonntach fuhrn wa, wenn det Wetta eenjermaßen schön war, mit Decken, Badezeuchs und Gläsan mit Kartoffelsalat und Tüten mit Buletten bepackt mit de S-Bahn ins Jrüne. Wir, det warn meene Ollen, meen Bruda un icke. Manchmal fuhrn wa zum Müggelsee oda anne Spree, aba meestens jings nach Jrünau in det Strandbad. Wir sind ins Wassa jejangen, ick ha’ jeflippert oda ooch jeschaukelt, det ick fast in’n Himmel flooch, aba denn flooch ick doch nie.

Und denn laach ick uff meene Decke, kiekte ma die Wolken an, und sie wurden Burjens, und icke war ‘n Burgfrollein in so’m finstan Valieß mit ekligen Rattens, und ‘n Ritta kam und wollt’ ma befreien. Aba denn spritzte mir meen Bruda nass, und ick war saua. Ick hörte die Äppelkähne tuckan und stellte ma vor, wie icke uff so’m Kahn wohnen würde, Tach for Tach unterwechs, imma woandas und imma uff’m Wasser. Wir würden fremde Städte sehn und fremde Menschen mit schwarzen, jelben oder roten Jesichtan und villeicht ooch mal ‘ne Jiraffe oda ‘n Elefanten. Und denn würden wa unta Brücken hindurch schippern, und fremde Jörens würden uff mir runtaspucken. Det fand ick nich so jut. Ick beschloss, nich uff so’nem Dampfa zu leben und ‘n bisken schwimmen zu jehn. Villeicht würde ick ja irjendwann so schnelle kraulen, det ick Olympiasiejerin würde oda zumindest Weltmeisterin, und alle würden ma zujubeln und „Det haste jut gemacht, Bine“, rufen, und ick würde janz lässich in de Menge kieken und inne Fernsehkameras winken. Aba denn bekam ick ‘n Krampf in de rechte Wade und humpelte zurück uff meene Decke. Det war also ooch nix. Ick schloss die Oojen un hörte die Wellen plätschan und die Jörens kreischen und die Ollen quatschen, und allet schien so irre weit weg. Un wenn ick blinzelte, sah ick die Kiefan üba mir in den unwascheinlich blauen Himmel rajen, und dann wieda wurde ich bepudat mit Sand und nassjespritzt von den Blajen, die mang de Decken tobten. Aba ick war ville zu faul, um zu meckern. Doch denn jrummelte meen Majen, und ick kloppte ruff und sachte, nu sein mal stille, aba det nutzte nischt, und denn kitzelte der Duft nach Kartoffelsalat in meene Nase, und icke war hellwach. Nie wieda hat mir wat so jut jeschmeckt wie Katoffelsalat, anjemacht mit Öl, Essich un Brühe und ville, ville kleenjeschnittnen Zwiebelns, anjewärmt in de märkischen Sonne, jejessen unta märkischen Kiefan, wo ick beim Kauen fast den Sand mang de Zähne knirschen hörte, un dazu ‘ne kalte Bulette mit Semf. Denn der Duft von de Salat, det war der Duft nach Sonntach, un die Buletten dufteten nach Zeit, jenuch Zeit, so fille Zeit, die ick hatte, unjlaublich fille Zeit.

Wenn denn die Sonne tiefa sank und imma röta wurde un de Havel sich nachmittächlich färbte, denn wurde ick janz enerjisch von meene Ollen aus meenem Frieden jerissen. Wir packten die leeren Kartoffelsalatjläser een for det nechste Mal, un ick leckte die letzten Bulettenkrümels von det Perjamentpapia und knüllte es zusammen un schmiss et in’n Papiakorb, den mindestens tausend Wespen umsurrten, und ick rannte janz schnell wieda wech. Mein Bruda und icke schüttelten die Decken aus, det den andern der Sand um de Uhren flooch und meene Mutta fürchtalich meckate. Aber wir beede lachten und schmissen uns in den Sand und beschmissen uns mit Sand, bis uns meen Vata janz enerjisch auseinanderriss und uns ‘ne Kopfnuss vapasste, det wa erstmal flennten. Aber denn zooch ick doch meen Kleid üba und brüllte „Aua!“, weil der Stoff so scheuerte uff meem Sonnenbrand,  un die Schuhe drückten vom Sand, der imma wieda rinfiel, det ick dauernd stehnbleim musste, um se auszuschütteln, bis ick barfuß jing mit de Latschen in de Hand und hopste, weil die Steinchen uff ‘m Wech janz fürchtalich pieksten.

Und so machten wa uns allemang schwerbepackt un müde von de Luft un von de Sonne uff’n Heimwech. Uff’n Massenheimwech. Un warteten uff de S-Bahn und quetschten uns rin in de Wajonns un denn nähaten wa uns der stickichheißen Stadt.

Un icke war wieda in meene  Kamma. Ich kiekte wieda uff de trostlose Fassade von det Haus jejenüba, wo de Farbe abblätterte, un uff’n Hof, wo’n vakrüppeltet Bäumchen mühsam seene Zweije zum Licht entjejenstreckte. Un wo manchmal ‘ne Amsel sang, so janz volla Lebenslust un Freude, aba wir fühlten uns doch jlatt belästicht von ihrem Jeschreie. Un denn packte ick det Badezeuchs aus, und ‘n bisken Strandsand staubte uff’n Fußboden, un det Katoffelsalatjlas roch nach Zeit un Freiheit, bloß icke war wieda jefangen in eenzwanzisch mal vier Quatratmetan. Ick hörte det Jekeife von de Portierschen mit de Jörens uff’m Hof und den Ollen nebenan Trompete üben, jemand hämmate, und über mir klackerten die Absätze von Frollein Krause.

Es war Zeit, Schularbeiten zu machen, ‘n paar Stullen zu mampfen, in de Heija zu jehen. Ick schluch det Aufsatzheft uff und schraubte de Kappe von meen Fülla ab, und knabbate ‘n bisken uff meen Zopp rum und denn fing ick an zu schreiben: Katoffelsalat mit Buletten. 

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