Jeden Sonntach fuhrn wa, wenn det Wetta eenjermaßen schön war, mit
Decken, Badezeuchs und Gläsan mit Kartoffelsalat und Tüten mit Buletten
bepackt mit de S-Bahn ins Jrüne. Wir, det warn meene Ollen, meen Bruda
un icke. Manchmal fuhrn wa zum Müggelsee oda anne Spree, aba meestens
jings nach Jrünau in det Strandbad. Wir sind ins Wassa jejangen, ick
ha’ jeflippert oda ooch jeschaukelt, det ick fast in’n Himmel flooch,
aba denn flooch ick doch nie.
Und denn laach ick uff meene Decke, kiekte ma die Wolken an, und sie
wurden Burjens, und icke war ‘n Burgfrollein in so’m finstan Valieß mit
ekligen Rattens, und ‘n Ritta kam und wollt’ ma befreien. Aba denn
spritzte mir meen Bruda nass, und ick war saua. Ick hörte die
Äppelkähne tuckan und stellte ma vor, wie icke uff so’m Kahn wohnen
würde, Tach for Tach unterwechs, imma woandas und imma uff’m Wasser.
Wir würden fremde Städte sehn und fremde Menschen mit schwarzen, jelben
oder roten Jesichtan und villeicht ooch mal ‘ne Jiraffe oda ‘n
Elefanten. Und denn würden wa unta Brücken hindurch schippern, und
fremde Jörens würden uff mir runtaspucken. Det fand ick nich so jut.
Ick beschloss, nich uff so’nem Dampfa zu leben und ‘n bisken schwimmen
zu jehn. Villeicht würde ick ja irjendwann so schnelle kraulen, det ick
Olympiasiejerin würde oda zumindest Weltmeisterin, und alle würden ma
zujubeln und „Det haste jut gemacht, Bine“, rufen, und ick würde janz
lässich in de Menge kieken und inne Fernsehkameras winken. Aba denn
bekam ick ‘n Krampf in de rechte Wade und humpelte zurück uff meene
Decke. Det war also ooch nix. Ick schloss die Oojen un hörte die Wellen
plätschan und die Jörens kreischen und die Ollen quatschen, und allet
schien so irre weit weg. Un wenn ick blinzelte, sah ick die Kiefan üba
mir in den unwascheinlich blauen Himmel rajen, und dann wieda wurde ich
bepudat mit Sand und nassjespritzt von den Blajen, die mang de Decken
tobten. Aba ick war ville zu faul, um zu meckern. Doch denn jrummelte
meen Majen, und ick kloppte ruff und sachte, nu sein mal stille, aba
det nutzte nischt, und denn kitzelte der Duft nach Kartoffelsalat in
meene Nase, und icke war hellwach. Nie wieda hat mir wat so jut
jeschmeckt wie Katoffelsalat, anjemacht mit Öl, Essich un Brühe und
ville, ville kleenjeschnittnen Zwiebelns, anjewärmt in de märkischen
Sonne, jejessen unta märkischen Kiefan, wo ick beim Kauen fast den Sand
mang de Zähne knirschen hörte, un dazu ‘ne kalte Bulette mit Semf. Denn
der Duft von de Salat, det war der Duft nach Sonntach, un die Buletten
dufteten nach Zeit, jenuch Zeit, so fille Zeit, die ick hatte,
unjlaublich fille Zeit.
Wenn denn die Sonne tiefa sank und imma röta wurde un de Havel sich
nachmittächlich färbte, denn wurde ick janz enerjisch von meene Ollen
aus meenem Frieden jerissen. Wir packten die leeren
Kartoffelsalatjläser een for det nechste Mal, un ick leckte die letzten
Bulettenkrümels von det Perjamentpapia und knüllte es zusammen un
schmiss et in’n Papiakorb, den mindestens tausend Wespen umsurrten, und
ick rannte janz schnell wieda wech. Mein Bruda und icke schüttelten die
Decken aus, det den andern der Sand um de Uhren flooch und meene Mutta
fürchtalich meckate. Aber wir beede lachten und schmissen uns in den
Sand und beschmissen uns mit Sand, bis uns meen Vata janz enerjisch
auseinanderriss und uns ‘ne Kopfnuss vapasste, det wa erstmal flennten.
Aber denn zooch ick doch meen Kleid üba und brüllte „Aua!“, weil der
Stoff so scheuerte uff meem Sonnenbrand, un die Schuhe drückten
vom Sand, der imma wieda rinfiel, det ick dauernd stehnbleim musste, um
se auszuschütteln, bis ick barfuß jing mit de Latschen in de Hand und
hopste, weil die Steinchen uff ‘m Wech janz fürchtalich pieksten.
Und so machten wa uns allemang schwerbepackt un müde von de Luft un von
de Sonne uff’n Heimwech. Uff’n Massenheimwech. Un warteten uff de
S-Bahn und quetschten uns rin in de Wajonns un denn nähaten wa uns der
stickichheißen Stadt.
Un icke war wieda in meene Kamma. Ich kiekte wieda uff de
trostlose Fassade von det Haus jejenüba, wo de Farbe abblätterte, un
uff’n Hof, wo’n vakrüppeltet Bäumchen mühsam seene Zweije zum Licht
entjejenstreckte. Un wo manchmal ‘ne Amsel sang, so janz volla
Lebenslust un Freude, aba wir fühlten uns doch jlatt belästicht von
ihrem Jeschreie. Un denn packte ick det Badezeuchs aus, und ‘n bisken
Strandsand staubte uff’n Fußboden, un det Katoffelsalatjlas roch nach
Zeit un Freiheit, bloß icke war wieda jefangen in eenzwanzisch mal vier
Quatratmetan. Ick hörte det Jekeife von de Portierschen mit de Jörens
uff’m Hof und den Ollen nebenan Trompete üben, jemand hämmate, und über
mir klackerten die Absätze von Frollein Krause.
Es war Zeit, Schularbeiten zu machen, ‘n paar Stullen zu mampfen, in de
Heija zu jehen. Ick schluch det Aufsatzheft uff und schraubte de Kappe
von meen Fülla ab, und knabbate ‘n bisken uff meen Zopp rum und denn
fing ick an zu schreiben: Katoffelsalat mit Buletten.
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Jutta Miller-Waldner).
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.05.2009.
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