Birgit Enser

Der dunkle Fürst

Vor langer, langer Zeit lebte irgendwo im hohen Norden ein dunkler Fürst. Er war ein einsamer Mann mit einem verschlossenen Herzen, dem es zu genügen schien, vor seinem Kamin zu sitzen und in das warme Feuer zu schauen. Er spürte, wie ihn diese Wärme magisch anzog.
Das Dasein schien dort lebendiger, ja sogar einfacher zu sein. Er stellte sich vor, wie ihn dieses Licht umgeben und schließlich ausfüllen würde, wie es aus ihm heraus strahlen würde, sodass er schließlich die Menschen verzaubern könne.

Irgendwann fasste er dann auch den Entschluss, in das Feuer einzutauchen. Jeder andere hätte erst einmal mit einer Hand vorsichtig gefühlt, ob es ihn vielleicht verbrennen würde, aber er war immer schon ein impulsiver Mann gewesen, und so sprang er einfach hinein.

Und wie er es sich gedacht hatte, umschloss ihn diese wohlige Wärme, er spürte, dass er hier eine Heimat gefunden hatte.

Und so gab sich der dunkle Fürst ganz dem Feuer hin, er ließ sich vom Licht und von der Wärme durchfluten, nahm alles in sich auf, und endlich, zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich licht und klar.

Der Fürst sprühte vor Lebendigkeit, er fesselte mit seinem Charme, seinem Witz und seinem Geist. Die Menschen scharten sich um ihn, und was er niemals zu träumen gewagt hatte, wurde Wirklichkeit. Er wurde gesehen!
Wer kann es ihm da verdenken, dass er süchtig wurde nach diesem Leben? Dass er Angst hatte, es aufzugeben, denn was würde dann bleiben? Ein dunkles Zimmer in einem dunklen Schloss irgendwo im kalten Norden, wo ihn niemand wahrnahm, wo ihn nur das Kaminfeuer lockte.

Es kam, wie es kommen musste. Prinzessinnen, Mägde, ja sogar Königinnen verliebten sich in ihn.
Und der Fürst wiederum liebte sie. Jede auf ihre Art. Er liebte es, zu erobern, er genoss dieses Prickeln und Knistern. - Doch er blieb nie lang.
Er fürchtete sich davor, etwas von seinem Feuer abzugeben. Er glaubte, wenn er diese Wärme teilen würde, dann könne das Licht in ihm verblassen und verschwinden, und ohne dieses Licht wäre er nur das, was er immer gewesen war. Ein einsamer, unbeachteter Mann. Vielleicht sogar ein Ausgestoßener.

Sah er denn nicht, dass seine Einsamkeit hier in dem Feuer genauso groß war, wie in seinem dunklen Zimmer?

Viele Menschen wendeten sich ab von ihm, sie sahen in ihm nur einen Narren, jemanden, den sie belächeln konnten. Und sie glaubten, jemanden zu erkennen, auf den sie herabsehen konnten. Ihre Worte trafen ihn oft wie Pfeile, die scheinbar abprallten, und doch schlug er immer öfter um sich, begann sogar, die Menschen zu verachten.

Der Fürst begab sich noch tiefer in das Feuer, er zischte und knisterte, entflammte die Menschen, um sie dann in sterbender Glut zurückzulassen. Immer öfter spürte er einen Schmerz in sich, denn er fühlte, dass dieses Feuer auch ihn verzehrte ... auszehrte.

Er begann, sich für seine Schwäche zu hassen. Das, was den lichten Fürsten ausmachte verkehrte er ins Dunkel, und jeden Tag verfluchte er das Schicksal, welches ihn in ein dunkles Zimmer gesperrt hatte mit der Sehnsucht nach dem Feuer.


Birgit Enser
24.01.2003

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Birgit Enser).
Der Beitrag wurde von Birgit Enser auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.01.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

Bild von Birgit Enser

  Birgit Enser als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Das Geheimnis der Insel von Maren Frank



Der in vielen Wissenschaften gelehrte Zauberer Arktikus unternimmt mit seiner ebenfalls zauberkundigen jungen Assistentin Sina eine Reise aufs Meer. Doch schon bald geraten sie in ein schlimmes Unwetter und ihr Boot kentert. Eine Gruppe Delfine bringt sie zu einer Insel, doch der Anführer der Delfine warnt sie, dass auf dieser Insel nicht alles so paradiesisch ist, wie es auf den ersten Blick scheint.
Bei den Schwestern Ajana und Izzy finden Arktikus und Sina Unterschlupf. Sie lernen Drachen, Meermenschen und Hexen kennen, schwimmen mit Delfinen, helfen einem Riesen und entdecken, dass auf der Insel vieles ganz anders ist, als es auf den ersten Blick scheint. Es gilt das Rätsel der Insel zu lösen.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Einfach so zum Lesen und Nachdenken" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Birgit Enser

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Musikalische Höhepunkte von Birgit Enser (Alltag)
Für die lieben Frauen von Uli Garschagen (Einfach so zum Lesen und Nachdenken)
FUCHS ALS LEBENSRETTER von Christine Wolny (Weihnachten)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen