Benjamin Bieber

Die letzte Geschichte der Jugend

Die letzte Geschichte der Jugend

TEIL I

Prolog

Alles, war anders und dennoch ist es immer noch gleich. Der kalte Wind des Winters heult durch die engen Gassen der Stadt. Gestern brachte er auch Schnee mit sich, überdeckte das Grauen in den Strassen mit Schnee. Der Parkplatz ist leer. Die Wagen, welche unter der Wo-che hier parken, haben in der dünnen Schneedecke einen Schatten hinterlassen. Wie bei mir.
Der Ort ist noch immer gleich. Der Parkplatz einer Textilfabrik. Hier war mein Zuhause, mein Leben. Hier wurde ich geboren und gebrochen. Der Platz selbst war nie von Bedeutung. Es war das, was dahinter lag. Ein paar felsige Hügel erheben sich, dort wo der Asphalt des Plat-zes aufhört. Etwa zwei Meter hoch und Steil sind die Mauern von Gondolin und nur an einem Ort kann man sie durchschreiten. Dahinter liegt das Paradies. Ein letztes Stück des alten Flussufers. Die Stadtverwaltung hat es Vergessen, die Anwohner kennen es nicht. Nur die Kinder wissen wo es sich befindet, was es ist.
Es ist ein seltsames Gefühl, den Ort nach so vielen Jahren wieder zu betreten und gleichzeitig einen Schwur zu brechen. Doch es muss sein.
Gondolin ist nicht mehr ganz so wie ich es kannte. Die kleinen Hüttchen aus Holz und Kar-ton. Sind anders gebaut. Doch der Palast, hinter dem sich der Todesfelsen in bis weit über den Fluss streckt, ist noch immer gleich. Unsere Nachfolger müssen ihn stets nach altem Vorbild wiedererschaffen haben.
Das Buch ist noch da, auf dem roten Kissen im Palast. Judiths Kissen. Ich muss die Bewohner finden.

Sie waren schon da. Vom Fluss unten kamen sie emporgestiegen. Fünf Knaben und zwei Mädchen.
„Wer sind sie?“ fragte der kleinste und sichtlich der Jüngsten der Gondolinos. Ich lächelte Müde. Sie waren halb so alt, wie wir es waren als wir Gondolin erschufen. Unseren Nachfol-gern hatte wir ... hatte ich eingeflösst, jeden zu töten der ohne ihr Wissen in die verborgene Stadt vordrang. Offensichtlich kannten auch diese hier jenes Gesetz noch, doch die Zeiten hatten sich geändert, vieles war besser.
Ich setze mich und lehnte gegen einen der niederen Bäume. „Ich heisse Wilhelm Skar.“ Auch diese Geschichte schien den heutigen Bewohnern Gondolins nicht Fremd zu sein. Ein biss-chen Stolz verspürte ich schon, das wir so lange in ihren Herzen weiter gelebt haben.
Die Angst in den Augen der Kinder wurde zu grossem erstaunen. Sie setzten sich vor mich in einen Halbkreis. „Wir haben gehört das ihr zwei Personen seid.“ Nun musste ich wirklich lachen, aber Bittere Tränen rannen mir über mein Gesicht. „Es sind auch zwei Personen.“ Und so begann ich, weshalb ich hergekommen war, ich den alten Schwur brach und meine Furcht überwand. Ich erzählte ihnen die letzte Geschichte der Jugend.



Ein dunkler Prinz

Es war eine heisse, nasse Nacht in der Stadt. Der Stadt? Ein Dreckloch in dem es die Fabriken gab und die Armen. Einst war das Motto einfacher. Arbeite oder Stirb. Heute hiess es, arbeite und stirb, lebe und die Hölle wirst du erleben. Der alte Buss hielt Quietschend an der Halte stelle. „Ah, neue Scheiss zum verdampfen.“ Sagte Jessica. „Sei nicht so pessimistisch, viel-leicht kommt ja endlich jemand an, der uns wenigsten ein wenig Freude bringt.“ Erwiderte eine junge Frau die neben ihr stand. „Was? Hör auf, wir sind alle 18 Jahre alt. Zu spät um zu Träumen Judy.“ Sagte Jessica wieder und presste sich gegen die Wand. Es war der einzige Platz weit und breit an dem man sich eine Zigarette anzünden konnte, ohne das die Glut gleich wieder vom Regen gelöscht wurde. Judy sagte nichts mehr. Aus dem Bus stiegen di-verse Gestalten aus. Die meisten zerlumpt und verarmt. Ein Rauschen störte Judy’s Gedan-ken. Will fuhr mit seinem Skateboard die Strasse hinunter und stand mit einem Satz vor Judy. Er küsste sie kurz auf ihre rote Wange und sprang schnell zu Jessica, die noch immer rau-chend unter dem kleinen Dach stand. „Hi Will, lange nicht blicken lassen, wo warst du?“ fragte sie, nachdem sie ihn innig geküsst hatte. Will schaute ihr lange in ihre blauen Augen. „Ich war am anderen Ende der Stadt. Es kommt noch jemand nach den ihr vielleicht noch kennt.“ Er hob die Hand, denn er wollte nicht weiter darüber reden. „Wie geht’s Judy?“ fragte er leise, damit ihn das blonde, schlanke Mädchen nicht hören konnte. „Sie Träumt den ganzen Tag. Gerade vorhin erzählte sie von einem Retter,“ erklärte Jessica ebenfalls flüsternd, dann fing sie allerdings schallend an zu lachen, “ihr Retter sollte mit diesem Bus angekommen sein.“ Will entfernte sich aus ihrer Umarmung und ging wieder in den Regen. „Vielleicht sind es die Träume, die uns am leben halten.“ Sagte er und wischte sich das Wasser aus dem Ge-sicht. „Pfff, fang du nicht auch noch an. He Judy ich will ein Bier. Gib mir mal den Ruck-sack.“
Will beobachtete aufmerksam die Menge, welche aus dem Bus stieg. Traurige und Verwirrte Gestalten, brutale und Lauernde. Doch mitten drin sah er etwas anderes. Menschen die in die-sen Teil der Stadt kamen, waren gebrochene Wesen. Durch zu viel Arbeit und zu wenig Er-folge gebückt oder aber die ständige Angst vor dem Gesetz und dem Gewissen hatte sie in die Knie gezwungen. Unter diesen Neuankömmlingen war jedoch einer der sein Haupt hoch er-hoben trug. Normal in anderen Gegenden, doch hier wirkte er arrogant, kalt und unberechen-bar. Eine Furchtbare Erscheinung, die den Leuten augenblicklich wieder klar machte in wel-cher Scheisse sie sich befanden. „Wer ist das? Ein Polizist?“ fragte Judy die neben ihn getre-ten war. Jessica wühlte unterdessen im Rucksack und suchte eine Dose. „Nein, er ist in unse-rem Alter. Die Polizei lässt keine Rekruten in diese Gegend.“ Der junge Mann drehte sich mehre male um die eigene Achse und schritt schlussendlich in ihre Richtung. Er trug einen, für diese Gegend viel zu kostbaren schwarzen Mantel aus Leder. Die Schuhe waren Massiv und die Hosen sahen aus, als würde über Jahre hinweg keinen Kratzer zu sehen sein. „Er sieht aus wie ein Prinz.“ Sagte Judy verträumt.“ Will riss sie zurück und schubste sie hinter die nächste Ecke. „Ein Prinz der Dunkelheit, vielleicht.“ „Und was will der dunkle Prinz?“ wet-terte Jessica. „Still,“ herrschte Will sie an, „wir werden bald mehr wissen.“ Unter seiner Jacke zog er langsam ein Fingerlanges Messer hervor. Er packte den Fremden, drehte ihm den Arm auf den Rücken und setzte ihm mit der anderen Hand das Messer an die Kehle. „Raus mit der Sprache. Wer bist du und was suchst du hier.“ Schrie Will. Eigentlich war er nicht sehr Ge-walttätig, aber in Zeiten wie diesen war es immer gut sich Respekt zu verschaffen. Der Frem-de blieb zu seinem Erstaunen vollkommen ruhig und antwortete gelassen. „Ich bin Dichter, oder war es. Nun bin ich nur noch ich, lasse mein Leben im Stich. Ich such alle Scheisse der Welt zusammen um sie gegen die Türen des Staates zu schmeissen.“ Will lockerte seinen Griff, ein schwerer Fehler, wie sich herausstellte. Der Fremde tauchte ab, rammte ihm gleich-zeitig den Ellbogen in den Magen und schlug ihm die Füsse unter dem Körper weg. Als Will sich sammelte lag er am Boden, sein Messer war nun in der hand des Fremden. „Ich bin Ver-raten und Verstossen worden,“ sagte der Fremde traurig, „ich will nichts mit euch zu schaffen haben. Tut mir leid wegen deinem Magen.“ Er gab Will sein Messer zurück und ging. „Wenn er bei allen so angibt lebt er keine drei Tage.“ Erklärte Jessica. Will war aufgestanden und schaute ihm stirnrunzelnd nach. „Noch ist das nicht unser Problem.“ Ohne ein Wort zu sagen sprang Judy plötzlich los und hinter dem Fremden her. „Warte, es war nicht so gemeint.“ Rief Judy dem Fremden hinterher. „Ach, dann habt ihr hier dieselben scheiss Regeln wie die Bon-zen auf den Hügeln. Sag schon, seid ihr nicht genau gleich. Verdammt!“ Schrie er sie an, sei-ne Beherrschung war zusammen gebrochen. Tränen waren über sein schon nasses Gesicht gerollt. Judy blieb betroffen stehen. „Ihr schimpft so sehr über die Mittel und Oberschicht, das ihr vergesst euch selbst aus der Gosse zu holen. Ihr ....“ – „Zu welcher Schicht gehörst du denn.“ – „Ich weiss es nicht, ich weiss nicht mehr was ich tun soll, es ist ...“ schrie er verzwei-felt. Hätte ihn Judy nicht sofort in die Arme geschlossen, wäre er auf die Strasse geklatscht wie ein nasser Sack.
Jessica schüttelte traurig den Kopf und sagte zu Will: „Nun, ist es unser Problem.“


Nur die Masken die wir tragen

Der Regen hatte aufgehört, die ganze Stadt lag in einem Dichten Nebel. Obwohl der Morgen dämmerte, drang kein Sonnenstrahl durch die Smog und Nebeldecke. Die Notschlafstelle „Herbert Rockford“, die grösste in der Stadt war zum bersten voll. Durch den Zwischenfall mit dem Fremden waren Will, Jessica und Judy viel zu spät gekommen. Noch dazu kam, dass sie den Fremden schleppen mussten, er war noch nicht wieder erwacht. Als sie sich durch die Gänge drängten, sank die Hoffnung auf einen trockenen Schlafplatz auf ein Minimum. Über-haupt nicht wütend war Will darüber, er schien zu wissen wo er in diesem Chaos von schla-fenden Menschen hin wollte. Nicht selten wurden sie angerempelt. Es stank nach Schweiss, Alkohol und allerlei anderem. Der gleichmässige Bass einer Musikanlage war zu hören. Judy horchte. Da war eine Stimme, unvergessen und ungebrochen. Sie schmetterte einen starken willen in die Menge. Immer öfters stiess Will diejenigen unsanft aus dem Weg, die ihn ver-sperrten. Im Kaminzimmer, dem wärmsten und begehrtesten Raum im Haus war die Musik laut und die Stimme noch Mächtiger.
Die Menschen im Raum waren ausser sich. Alles war in Bewegung. Und die Stimme heizte ein. Vor dem Kamin stand eine kleine Gestalt. Ein Mütze die bis ins Gesicht gezogen war, zerrissene Hosen und ein altes verschmutztes Shirt. Auf der linken Gesichtshälfte zog sich eine Narbe entlang. Durch einen unerklärlichen Zufall hatte die Klinge welche den Schnitt verursacht hatte, das Auge verfehlt. Will und Judy legten den Fremden neben den Kamin. Niemand hatte etwas dagegen und während Judy neben dem Bewusstlosen wachte, stiegen Will und Jessica in das Festtreiben ein.
Der Fremde erwachte nicht. Seine Stirn war Schweissnass und die Glieder zuckten immer wieder nervös. Als das Fest allmählich dem ende zuging und sich die meisten endlich irgend-wo am Boden zum schlafen hinlegten, stiess Judy plötzlich einen schrillen Schrei aus. Der Sänger mit der Narbe verstummte und Jessica eilte hin. Auch sie schien sichtlich geschockt. „Was müsst ihr auch eine Leiche mittragen, die fangen an zu stinken.“ Witzelte der Sänger. „Halt die Klappe Skar. Komm wir schauen nach.“ Judy hatte dem Fremden den Mantel aus-gezogen um ihn als Decke zu benutzen. Seine Arme waren voller frischer Narben. Die Hand-gelenke waren von Fesseln Wund und blutig gescheuert. Am schlimmsten schockte sie jedoch seine Schultern. Sowohl die rechte, als auch die linke waren durchbohrt worden, vor noch nicht langer Zeit. „Au, wo habt ihr den her?“ Ergänzungsleistungen fragte Skar angewidert. „Wie kann man nur so herzlos sein?“ empörte sich Judy. Skar stand auf und winkte seinen Bandkollegen. „Holt schnell Wasser und einen sauberen Lappen. Beeilt euch!“ er bückte sich wieder dem Fremden zu. Fühlte seine Stirn und tastete seine Wunden ab. „Er wird es überle-ben, das schlimmste hat er bereits hinter sich. Sein Körper hat nur die Ruhe gefordert, die ihm zusteht.“ Will lächelte flüchtig. „Die Hölle hat dich wieder, alter Freund.“ Skar sagte nichts darauf. Judy half Skar die Wunden aus zu waschen. Der Sänger hat gute Erfahrung im Verarz-ten. Er schaffte es, den Fremden nur mit Stofffetzen zu verbinden, einigermassen ordentlich. Die ganze Zeit über schaute Jessica ihnen zu.
„Ich glaube er wacht auf.“ Bemerkte Skar und tatsächlich. Der Fremde öffnete die Augen.
Das erste was er sah, waren zwei Himmelblaue, besorgte Augen. Ein zierliches, sanftmütiges Gesicht gehörte zu ihnen, so wie Strähnen blonden Haares. „Bin ich im Himmel?“ fragte er erschöpft. „Nein, eher nicht. Aber man kann auch hier noch Hoffnung haben.“ Antwortete Judy. „Wie ist dein Name Fremder?“ – „Ich habe keinen Namen mehr. Ich bin gefallen und habe beim Aufprall meine Maske verloren. Sie ist zerbrochen und nun kann ich nur noch ich sein. Ohne Namen, Rang oder Geschichte.“ – „Das Versteh ich nicht. Ich möchte nur wissen wir ich dich nennen soll.“ – „Nenn mich Sven. Den Rest musst du nicht verstehen.“ Erst jetzt bemerkte er auch Skar, der ebenfalls neben ihm Kniete und weiter hinter Will, den er kaum erkennen konnte. „Nun gut Sven, verrat uns doch was du gedenkst zu tun. Scheinbar hast du ausser deiner Kleidung und einem roten Buch nichts bei dir.“ - „Ich weiss nicht was ich ma-chen soll. Was kann man denn überhaupt tun, in dieser Gegend.“ Erwiderte der Fremde. Skar stand auf und warf ein Stück Stoff weg. „Hier kannst du Scheisse fressen, vom Morgen bis am Abend. Ich war diesem Mist entflohen, doch zu schnell hat diese Welt mich wieder ge-kriegt.“ Wütend wandte er sich ab. „Was meint er eigentlich damit und woher kennt ihr euch?“ fragte Jessica verwundert. Will schüttelte den Kopf. „Er wird es euch noch früh genug erzählen, nun aber ist erst der Fremde, Sven, an der Reihe,“ er wandte sich wieder an Sven, „Skar hat nicht gelogen, alleine würdest du hier sterben oder Verzweifeln, beläuft sich aufs gleiche.“ Sven schaute ihn nur entgeistert an. Judy las Furcht und Ratlosigkeit in seinen Au-gen, doch auch etwas, das ihr sagte das irgendein Geheimnis auf Sven lastete. Er würde es nicht Preisgeben. „Ich mach dir einen Vorschlag. Du verstehst dich zu wehren, vielleicht kannst du sogar mit einer Waffe umgehen. Die Zeiten werden immer gefährlicher und ich bin nur ein schlechter Kämpfer. Wir brauchen jemanden in der Gruppe der sich darauf versteht.“ Sven schaute verlegen zu Skar hin. „Komm hör auf Sven. Er ist ein Hitzkopf und ein Drauf-gänger, er kennt keine Sicherheit.“ „Ich hab wohl keine andere Wahl. Ok, ich helfe euch, aber versprechen kann und will ich nichts.“ Sagte Sven und reichte Will die Hand. Jessica spendete ihm nur einen spöttischen Blick. „Fang doch mal damit an, dein tolles Buch zu verkaufen, damit wir etwas zu essen haben.“ – „Komm halt die Klappe, wenn ihm etwas an diesem Buch liegt soll er doch jede Nacht darauf schlafen.“ Konterte Judy. Sven setzte sich nun vollends auf, er verzerrte das Gesicht, als seine Wunden schmerzten. „Ihr würdet die Bücher lieber lesen bevor ihr sie verkauft.“ Sagte er schwach. Er bereute seine Kritik sogleich wieder. Judy, Jessica und Will schauten ihn mit einer Mischung aus Empörung und Erstaunen an. Sogar Skar drehte den Kopf und musterte ihn argwöhnisch. „Was?“ fragte Sven vorsichtig. „Wir hatten noch nicht das Vergnügen ein Buch zu lesen, es ist uns nämlich nicht möglich eines zu kaufen.“ Spottete Jessica. „Ihr könnt meines lesen wenn ihr wollt.“ Sagte Sven nun vollends unsicher. Doch auch für dieses Angebot verfluchte er sich sofort wieder. Nun funkelten ihn alle Zornig an. Skar kam zu ihm hin und packte ihn am Kragen. „Macht dir wohl Spass uns zu beleidigen. Kannst du denn von dir behaupten das du lesen kannst? Dann spotte nicht über andere.“ Sven schaute noch immer ratlos in die Runde. Da runzelte Will die Stirn, stand auf und ging zu einem alten Mann in der Ecke. „Gib mir mal die Zeitung, Karl.“ Sagte er zu ihm. „Was fällt dir ein Junge, das ist meine Decke.“ – „Das ist ja die Zeitung von Heute, soll ich mal rumfragen wie du an dieses kostbare Stück Papier gekommen bist?“ Da resignierte Karl und gab ihm die Zeitung.
Will hielt Sven die Titelseite hin. „Nun was geht ab in der Welt?“ Sven Augen weiteten sich, er entriss Will die Zeitung und begann für sich zu lesen. Schnell, exakt und auf jede kleine Nuance zu achten, so wie immer. Der Rest um ihn herum war erstaunt und verwirrt. „Ver-arscht er uns nur, oder liest er den Scheiss jetzt wirklich?“ zweifelte Jessica. „Wir müssen weg. Sofort! Nehmt was ihr habt und dann weg hier!“ befahl Sven plötzlich, packte die Zei-tung und zog seinen Mantel über. „Was ist los? Was steht da?“ fragte Will geschockt. „Erklär ich dir unterwegs.“
Sie packten ihre wenige Habe zusammen und rannten auf die Strasse. Sirenen waren zu hören und das erste Polizei Fahrzeug schnellte um die Ecke. „Schnell lauft!“ schrie Skar der als letz-ter aus dem Gebäude rannte. „Was soll das, die Obdachlosenheime sind Geschützte Häuser. Die Bullen dürfen nicht hinein.“ Rief Will. „Rockford hat dieses Gesetz im Senat durchge-bracht. Er ist vor zwei Tagen gestorben. Er, seine Frau und sein Sohn. Die Sicherheit in den Heimen existiert nicht mehr.“ – „Was?“ kreischte Jessica entsetzt. Sie kletterten über einen hohen Zaun und blieben in dessen Deckung erschöpft sitzen. „Die jagt auf uns ist wieder er-öffnet.“ Erklärte Skar schnaubend. „Die meisten da draussen wären froh, würden wir hier alle verrecken.“ – „Das glaub ich nicht.“ Beharrte Judy.“ – „Glaub es lieber und jetzt los, wir müssen weiter.“ Bestätigte Sven und rannte weiter. Sie waren im Hof einer Textilfabrik ge-landet. Ein unangenehmes Gefühl machte sich in Will’s Herzen breit. Ihr Tempo wurde lang-samer. „Was ist das?“ Jessica schaute sich ängstlich um. „Psst. Keinen Laut.“ Sven blieb plötzlich stehen und starrte in eine dunkle Gasse, die sich zwischen den Fabrikgebäuden hin-durchzog. „Lauft!“ sagte er leise aber bestimmt. Hörte er ein trampeln, ein Kettengeklimper. Nein, Sven musste sich das einbilden. Aber da war es wieder, Geräusche aus der Fabrik. Es klang, als würde jemand eine Eisenkette hinter sich her ziehen, dazu kam etwas anderes. Ein tiefes knurren. Svens Augen weiteten sich vor entsetzen. „LAUFT!!“ schrie er. Dort wo er vor kurzem noch gestanden hatte landete ein schwarzes Etwas auf dem Boden. Die Luft erfüllte sich mit Lärm. „Los über den Hag, schnell!“ Ein grosses Tier fiel Skar in den Rücken, er wä-re gefallen, hätte Svens Stiefel nicht getroffen und das Ungeheuer weggeschleudert. „Macht schon!“ schrie Will der bereits auf dem Hag sass. „Verdammt ich schaff das nicht da Hinauf.“ Kreischte Skar nun voller Panik. Die Krallen des Monster hatten sich tief in seinen Rücken und in die Waden gebohrt. „Komm schon, ich heb dich hoch!“ forderte ihn Sven auf. Kaum war Skar am Hag angelangt packte ihn Sven und hob ihn mit aller Kraft. Will bekam seine Hand zu fassen und zog ihn Stück für Stück hinauf. Die Bestien umkreisten Sven, der noch immer unten stand. Mit roten Augen und geifernden Mäulern betrachteten sie ihre sichere Beute. „Haut ab ihr Monster!“ Judy warf schreien mehrere Steine über den Zaun. Einer hätte Sven fast getroffen, doch er ergriff die Chance und sprang mit aller Kraft ab. Es war pures Glück das die Zähne der Monster seine Beine verfehlten und ihn nicht wieder hinunter ziehen konnten. Leider hatte er einen solchen Schwung, dass er Will gleich auf der anderen Seite des Hages wieder mit nach unten riss.

Eine Idee

„Es ist Wunderschön hier.“ Sagte Judy entzückt. Sven öffnete langsam die Augen. „Lebt ihr alle noch?“ fragte Skar. Ein mehr oder weniger Überzeugendes „Ja“ war zu hören. Er selbst stöhnt vor Schmerzen. „Gut, dann könnt ihr mich ja begraben.“ Sven rieb sich den Rücken. Der Sturz war weniger heftig gewesen als er befürchtet hatte. „Wo sind wir hier? Es ist so still.“ Fragte er. „Wir sind im Paradies.“ Entgegnete Judy verträumt. „Nicht schon wieder, sie Träumt in letzter Zeit ein bisschen zu oft.“ Murrte Jessica gelangweilt, während sie ihre Stümpfe und den Minirock zurecht rückte. „Unrecht hat sie ja nicht. Der Platz ist schöner und geschützter als alle anderen die ich in dieser Stadt gesehen habe.“ Verteidigte sie Will. Der „Ort“ war nicht gross. Auf der einen Seite grenzte der Hag ihn ab. Auf der Anderen eine hohe Steinmauer, hinter sich der nächst Fabrikhof befand. Der Stadtfluss grenzte eine weitere Seite ab, eine alte verfallene Mauer aus Felsgestein und einer ebenso alten aber Massiven Holztüre bildete die vierte Seite. Von den beiden Fabriken her stieg eine Steinige Böschung an, die aber plötzlich steil in zwei überhängende, drei bis vier Meter hohe, Felswände abfielen. Das Ufer des Flusses war ebenfalls steil, doch zerklüftet, so das man ohne Schwierigkeiten hinun-ter steigen konnte. Flankiert wurde der Abstieg auf der linken Seite von mehreren Flachen Steinen und auf der rechten von einem hohen Kliff, vom Wasser senkrecht in die Höhe, stieg der Fels wie ein Pfeiler über die beiden Felswände und sogar höher als die Fabrikgebäude. Ein Turm von dem man über die gesamte Umgebung blicken konnte. Der Stein war vom Wet-ter stark verwittert, so das man kein Problem hatte an ihm hoch zu klettern. Im Fluss bildeten der Turm und die flachen Steine eine kleine, aber tiefe Bucht. „Wo habt ihr bis jetzt geschla-fen, gelebt? Nicht bös gemeint, ehrlich?“ fragte Sven. Auf der Strasse haben wir gelebt und in den Heimen geschlafen. Nun, die Heime gibt es nicht mehr, wie wir von dir hören. Was bleibt uns anderes Übrig als ebenfalls auf der Strasse zu schlafen.“ Bemerkte Skar. Er biss auf die Zähne als er fertig war, da ihm Judy gerade etwas Alkohol auf die offenen Wunden geträufelt hatte. „Nicht nur die Heime werden geschlossen, Rockfords Gesetz hatte noch andere Be-stimmungen. Zum Beispiel die Abschaffung der Zwangsarbeit.“ Sven nahm wieder die Zei-tung zur Hand. „Hier steht, das der Senat bereits gestern über ein Gesetz abgestimmt hat, das jeden Bürger der Stadt verpflichtet zu arbeiten, wenn nötig ohne Entschädigung.“ – „Das heisst im Klartext, der Senat hat die Sklavenarbeit wieder eingeführt.“ Murmelte Will fas-sungslos. Doch seine Gedanken waren stets bei diesem Ort und einer Idee, die in seinem Kopf Formen annahm. Jessica verschränkte trotzig die Arme. „Warum glauben wir diesem Frem-den eigentlich. Es könnte ja gut sein das er uns bloss verarscht. Vielleicht will er uns ja nur für eine Nacht.“ Alle warfen ihr einen Vorwurfsvollen Blick zu. „Dich würde er bestimmt nicht wollen und ich glaub auch nicht das er auf Jung ...“ Donner und Blitz schnitten ihm das Wort ab. Judy seufzte. „Na toll, schon wieder Regen und diesmal keinen Schutz davor.“ Sie schauten betrübt zum Himmel und sahen bereits die ersten Tropfen nieder fallen. Nur Wills Augen leuchteten. „Kommt, wir gehen in den Schutz der Felswände, sie sollten uns vor dem Regen schützen.“ Judy und Sven stützen Skar und halfen ihm neben der Böschung hindurch zu gehen. Im Schutz der überhängenden Felsen blieben sie einigermassen Trocken. Skar war mittlerweile Kreidebleich geworden. Er schwitzte und hatte offensichtlich Fieber. „Wir blei-ben die Nacht über hier. Wir hatten ein verdammtes Glück, diesen Ort zu finden. Er ist so gut abgeschottet. Es liegt kein Abfall auf dem Boden, das heisst, auch seit einiger Zeit war nie-mand hier.“ Schwärmte Will. Sven runzelte nur die Stirn und ging noch mal in den Regen hinaus. Jessica folgte ihm. „He, Fremder wohin denn so eilig?“ Statt einer Antwort wies Sven auf die Holztüre. „Da steckt ein Schlüssel.“ Sven probierte die Tür zu öffnen. „Ich glaubs nicht, sie ist von innen verschlossen worden. Wo wohl der Typ ist der sie verriegelt hat?“ fragte Jessica und schüttelte sich die Haare. „Er liegt vor dir.“ Sagte Sven trocken und fegte mit seinen Stiefel das Laub vor der Tür weg. Diverse Knochen flogen davon und ein kahler schwarzer Schädel kam zum Vorschein. „Jiiih!!“ kreischte Jessica und klammerte sich an Sven. „Psst, keine Angst, er tut dir bestimmt nichts mehr.“ – „Was ist mit diesem Menschen geschehen, warum sind seine Knochen schwarz.“ Sven zuckte mit den Achseln. „Durch die Feuchtigkeit vielleicht, aber genau weiss ich es nicht.“ – „Lass uns wieder zu den anderen gehen.“ Sie ergriff seine Hand und wollte ihn mitziehen, doch er hielt noch einmal und ging zur Tür hin. „Wir nehmen den Schlüssel besser mit.“ Sagte er und zog den rostigen Schlüssel aus dem Schloss, was erstaunlich leicht ging. „Na los komm.“ Er lies sich von Jessica bei der Hand nehmen und sie gingen wieder in den Schutz der Felsen. Sven warf Will den Schlüssel hin. „Wofür ist er?“ – „Für die Tür in der Steinwand. Sie war von innen verschlossen worden und der Besitzer liegt noch immer vor davor. Vermutlich seit mehreren Jahren.“ Sven und Jessica setzten sich zu ihm. Sie legte den Kopf in seinen Schoss und fing an zu dösen. Nach einer Weile fragte Sven: „Sie hat nicht wirklich etwas gegen mich, oder?“ Will fing an zu lachen. „Nein. Jessica hat ein gutes Herz, vermutlich das beste von uns allen. Versucht sie aber den Verstand zu gebrauchen kommt sie oft in eine Zwickmühle. Doch meistens behält ihr Herz recht. Aber he, keine falschen Hoffnungen jetzt.“ Sven schmunzelte, wurde jedoch sofort wieder ernst. „Wie geht es Skar.“ Zu seiner Überraschung lachte Will erneut, nicht mehr herzhaft sondern hart und verbittert. „Ich glaube, bevor Skar an einer Verletzung stirbt wird ihn ein Engel von hier wegtragen.“ – „Wie meinst du das?“ – „Er ist verdammt hier zu leben. Einst war er ein Muttersöhnchen, war Schwach und Feig. Als seine Mutter starb brach er innerlich entzwei. Fest entschlossen seinem Leben ein Ende zu setzen, lief er geradewegs ins Haus eines berüchtigten Killer. Der Typ hatte nicht denn Mumm ein verdammtes achtjäh-riges Kind zu erlösen, er schoss Skar in die Hände und in die Füsse, setzte ihn vor die Tür und richtete sich selbst mit einem Schuss in die Schläfe.
Skar überlebte die Verletzungen und aus Furcht vor weiteren Schmerzen ging er wieder in das Haus seiner Mutter. Er wurde von niemandem Akzeptiert und man hiess ihn einen Versager. Eines Tages kam unerwartet sein Vater vom Krieg zurück. Dieses Arschloch beschuldigte Skar, er habe seine Mutter getötet. Wieder war er entschlossen zu sterben. Er wanderte zu Fuss durch die Stadt und schlich sich an Bord eines Kriegsschiffes. Irgendwo auf einem riesi-gen Schlachtfeld wurde er Verletzt, als er gegen zehn gut ausgebildete Soldaten gleichzeitig kämpfte. Seither hat er die Narbe im Gesicht.
Das Schicksal war aber nicht gnädig mit ihm, sie brachten Skar zurück in diese Stadt, vom Chef der Armee erhielt er ein Verdienstorden und ein grosses Fest wurde zu seinen Ehren gehalten. Zum Dank aber, wurde er wieder hierher gebracht. Das einzige was er erreicht hatte war ein wenig Respekt unter den Menschen hier und Furcht. Ja, die Menschen dieses Viertels fürchten ihn. Skar fing an Musik zu machen, um seine Probleme zu bewältigen. Irgend ein reicher Produzent nahm sich seiner an und vermarktete ihn. So entkam er ein weiteres Mal dieser Hölle. Skar rannte ein Jahr lang von Bühne zu Bühne, doch letztlich verloren die Rei-chen ihr Interesse an ihm und liessen ihn fallen. Seit gestern ist er wieder hier.“ Jessica öffne-te kurz die Augen. „Und wenn du jetzt die Hälfte wieder wegfallen lässt kommst du der Wahrheit nahe.“ Sofort schlief sie wieder ein. Sven schaute Will an, sein Gesicht war errötet. „So schlecht ist ihr Verstand wohl doch nicht.“ Eine Weile sagte sie nichts mehr, schauten ihr neu gefundenes Versteck an. Endlich sagte Will: „Weißt du Sven, als ich heute zum ersten Mal diesen Ort erblickte, kam mir eine Idee. Seither bekomme ich diesen Gedanken nicht mehr aus dem Kopf.“ Er brach ab und stand auf. „Ohne etwas zum trinken kann man schlecht reden.“ Aus Judy’s Rucksack holte er eine dunkle Flasche hervor. „Unsere Sonderflasche, nur für besondere Anlässe.“ Sagte er gespielt wichtig. Sven hielt den Kopf schief. „Ist denn ein solcher Anlass heute? Ich habe nirgends eine Festbeleuchtung gesehen.“ Sie lachten. Will setzte sich wieder. Schweigend nahm jeder einen Schluck, wobei klar wurde, das Sven den Alkohol nicht annähernd so gut ertrug wie Will. „Also, was ist nun deine Idee?“ – „Ich will hier eine Wohnung für uns bauen,“ er lachte erneut und nahm einen weiteren Schluck aus der Flasche, „du weißt schon ein paar Blechplatten als Dach und so. Aber hier währen wir Ver-steckt, hier hätten wir eine Zuflucht. Die Zeiten werden schlimmer werden und ich will nicht als Sklave enden. Ein verborgener Ort in dem Frieden herrscht, während es um ihn herum düster wird.“ Sven lachte und auch er trank noch mal vom Schnaps. „Gondolin.“ Sagte er . „Was?“ – „Gondolin, die verborgene Stadt. Es ist eine Geschichte. Eine Stadt inmitten von Bergen, ein Zauber schützt sie vor den Spähern des Feindes, so bleibt sie Verschont.“ „Es würde mir einige Sorgen ersparen.“ – „Welche denn, wir müssen trotzdem hinaus und uns essen beschaffen.“ - „Ich wüsste Jessica und Judy in Sicherheit.“ Sven war nicht gegen Wills Idee, im Gegenteil, er war begeistert davon. Doch er wusste auch das es Kritik brauchte, also brachte er sie an. „Will,“ sagte er lächelnd, „Gondolins war von einem magischen Bann ge-schützt, besitzt du Magie oder Ich?“ – „Nein, aber der Feind dieser verborgenen Stadt war vermutlich auch kein einfacher Polizist oder Fabrikeigentümer.“ Sven musste schmunzeln. Will hatte Recht, Gondolin hatte ganz andere Feinde. Es war sonderbar. Sven war neun Jahre zur Schule gegangen. Konnte lesen und schreiben auf mehrere Sprachen. Sein Vater hatte ihm nur den schwarzen Mantel und das rote Buch vermacht. Weshalb sollte er nicht eben das nut-zen, was er aus dem Buch wusste. Behutsam nahm er es hervor. Es war ein in Leinen gebun-denes Buch, das ganz rot eingefärbt war. „Was steht sonst noch alles in diesem seltsamen Buch. Ist das die Bibel?“ fragte Will. „Nein die Bibel ist es nicht. Es ist die Geschichte einer Welt, die für uns nicht wirklich existiert. In ihr ist eben auch die Geschichte Gondolins.“ Er-klärte Sven. „Erzähl sie mir.“ Bat Will. „Ja bitte erzähl.“ Bemerkte auch Jessica, die unlängst wieder erwacht war. Und auch Judy half Skar, um zu ihm hinüber zu kommen. „Wenn ich schon abkratze, möchte ich doch wenigsten wissen, was ihr hier vorhabt.“ Keuchte er. Also begann Sven, die Geschichte Gondolins so gut wieder zu geben, wie es in so kurzer Zeit mög-lich war.

Gondolin

„Ein Mann namens Tolkien, aus dem Fernen England hat diese Geschichte niedergeschrieben. Sie beginnt mit der Erschaffung und verläuft sich später in die alten Sagen und in die Ge-schichte unserer Welt.
Eru, der Erschaffer der Welt sandte seine Diener um die Erde zu formen und die Ankunft sei-ner Kinder vorzubereiten. Seine Kinder waren erstens: Die älteren, Unsterblich, Rein und Weise, die Elben und zweitens: wir die Menschen.
Einer von Erus dienern aber war Morgoroth und er war böse. Die Elben führten einen langen und grausamen Krieg gegen ihn in Beleriand, einem alten Kontinent der Erde.
Einer der grossen Könige der Elben bekam vom Gott des Meeres den Auftrag eine Stadt zu bauen. Eine letzte Zufluchtsstätte der Elben, wenn Morgoroth ihre Länder verheeren würde.
Im Geheimen zeigte er ihm einen Ort in Mitten hoher Berge, der nur durch einen geheimen Tunnel erreicht werden konnte. Hier baute er eine grosse Stadt und viele aus seinem Volk zogen ins Verborgene Reich.
Dort lebten sie eine Weile glücklich, doch die Prophezeiung des Meereskönigs wurde wahr und die Reiche der Elben in Beleriand, wurden von Morgoroth Truppen überrannt. Nur Gon-dolin wurde nicht angegriffen, da der dunkle Herrscher nicht wusste wo es lag. Nach langem Ringen und Kämpfen entdecke der Feinde die Stadt doch und er sammelte über Jahre hinweg seine Kräfte. Gondolin fiel in einer Gewaltigen Schlacht. Feuer und Tod um kreisten seine Mauern und doch machten Elben Ausfälle und vollbrachten grosse Heldentaten über die spä-ter Lieder gedichtet wurden.“ Sven schaute in die Runde. „Und das steht alles in diesem Buch?“ fragte Jessica erstaunt. „Dies und noch vieles mehr.“ Sven hatte nicht die ganze Ge-schichte erzählt. Gondolin war nicht einfach entdeckt worden. Ein abtrünniger Elb hatte die Stadt an den Feind verraten. Doch von Verrat wollte Sven nicht erzählen, er hatte ihn bereits zu gut kennen gelernt.

Will brachte seinen Vorschlag erneut vor, das Versteck auszubauen und hier eine feste Bleibe zu schaffen. Alle stimmten ihm zu. Die Flasche begann zu kreisen und Sven musste einsehen, das ihm der Schnaps am schnellsten zu Kopf stieg.
Spät als es bereits tiefe Nacht war, lag er neben Jessica und sah die Sterne über sich Kreisen. „Was meinst du, wird nun eine Zeit anbrechen in der wir Spass haben und Glücklich sein können?“ Fragte Jessica. „Wenn es wie in der Geschichte ist, ja. Aber nur für kurze Zeit. Der Sommer kommt erst noch, aber auf ihn folgt der Herbst und dann der Winter. Die Zeit kann uns vertreiben. Aber vorerst müssen wir das ausleben, was wir haben.“
Ohne ein weiteres Wort küsste er sie. Er verlor sich in der ... Liebe? Lust? Er wusste es nicht. Es war schlimmer als der Rausch des Alkohols, schöner als alles was er kannte. Irgendwann zwischen den Küssen mussten sie ihre Kleider verloren haben. Sven hatte das Gefühl, als hät-ten sie sich die ganze Nacht geliebt. Wie zwei Wesen aus dem Paradies in der Hölle. Seine Herz taute auf und er fühlte sich als könne er die Sterne greifen, die noch immer vor seinen Augen tanzten.




Die Liebe heilt Wunden

Am Morgen bekam Sven die Rechnung für das Erlebnis der Nacht vorgelegt und die hatte sich Gewaschen. Sein Kopf hämmerte wie eine ganze Schmiede. Als er versuchte aufzustehen fiel er sogleich wieder hin. Seine Kleider lagen neben ihm, so das er ungeschickt begann sie wieder an zu ziehen. „Na, ist dir unser Taufwasser etwas zu Kopf gestiegen?“ fragte eine sanfte Stimme hinter ihm. Er drehte sich schnell um, zu schnell denn er fiel ein weiteres Mal auf den harten Fels. Seine lahmen Augen brauchten etliche Sekunden, bis er Judy erkennen konnten, wie sie vor ihm stand. Sie lachte herzhaft. „Oh, oh, du scheinst Alkohol sehr schlecht zu vertragen.“ Sven kratzte sich verlegen am Kopf und bückte sich nach seinem Mantel. „Lass ihn liegen, in deinem Zustand kannst du ohnehin nichts gescheites machen.“ Sie ging zu ihm hin und zupfte ihm einige Blätter aus dem Haar. „Scheinst dich ja prächtig amüsiert zu haben.“ Sagte sie ruhig. Der Versuch etwas zu antworten schlug, stattdessen stammelte er nur etwas vor sich hin. Wieder lachte Judy herzhaft und gab ihm schnell etwas zu trinken. „Sieh an, sieh an, unser grosser Meister des Wortes ist von den Toten auferstan-den.“ Ertönte ein weitere, im ersten Augenblick unfreundlichere Stimme. Skar kam auf einen Holzstock gestützt in ihre Richtung. „Was soll ich denn über dich sagen, hmm?“ murmelte Sven und setzte sich unsicher ins Grass. Judy stieg indessen zum Flussufer hinab und setze sich auf einen der flachen Steine. „Wie Will gesagt hat, vermutlich muss mich Gott Persön-lich von hier holen, sonst komme ich nicht aus dieser Hölle hinaus.“ Bekam er die erwartete Antwort auf seine Frage. Sven musste auf einmal Lachen. „Bist du wirklich so einer, der an jedem Ort eine Möglichkeit sieht, wie er sich selbst töten könnte.“ Er fand das ungemein Wit-zig, doch Skar blieb ernst. „Komm mit. Ich will dir etwas zeigen.“ Obwohl Skar immer noch grosse Schmerzen haben musste, schaffte er den Abstieg zum Ufer besser als Sven. Unten angekommen ging er dem Felsturm entlang und blieb unter dem leicht überhängigen, von hier aus gute zehn Meter hohen Turm stehen. „Schau hier ins Wasser.“ Sven strengte seine Augen an, aber er konnte nichts erkennen. Er schüttelte bedauernd den Kopf. „Tut mir Leid ich sehe nichts.“ – „Dann geh näher ran.“ Bemerkte Skar, lachte laut auf und stiess Sven mit seinem Stock ins Wasser. Svens vom Alkohol abgestumpfte Sinne schienen zu explodieren. Plötzlich durchzuckte ein heisser Schmerz sein Bein. Er öffnete die Augen und sah sich das Wasser um sich herum genau an. Der Grund des Flusses war hier übersäht mit Messerscharfen Felsen, die wie ein Schatten des Turmes in den Fluss hinausreichten. „Nur keine hastigen Bewegungen.“ Rief ihm Skar amüsiert zu. Sven schwamm vorsichtig über die Felsen hinweg und stieg wie-der an Land. „Verdammt, ich bin völlig durchnässt und mein Bein ist verschnitten.“ Bemerkte er Vorwurfsvoll. „Na, immerhin bist du wieder Wach.“ Sie schauten beide zu Judy hinüber. „Jetzt sind wir an der Reihe Skar.“ Meinte sie fröhlich und begann sich auszuziehen. Ihre Haut war sehr hell, wie ihr Haar, aber mit einem Stich zartem Rosa. „Sie ist wunderschön.“ Sagte Sven Fassungslos. Skar schaute ihn ernst an. „Du hattest erst gerade etwas mit Jessica. Begehrst du sie jetzt auch noch.“ War es so? dachte Sven. Nein, er begehrte sie nicht. Sie schien ihm wie etwas, das er niemals erreichen könnte. „Nein, ich sage nur, das sie schön ist.“ – „Gut, denn ich hätte dir eine ins Gesicht geschlagen, hättest du etwas falsches gesagt.“ Ei-nen Augenblick sah ihn Skar böse an. Dann aber lachte er und klopfte ihm auf die Schulter. Ein dumpfer Schmerz durchzog seinen Oberkörper. Er schrie auf, packte Skar und warf ihn in die Bucht, wo es keine Felsen gab. „Denkst du, du bist der einzige Verletzte hier?“ Skar pad-delte und schnappte nach Luft, so als würde er untergehen. „Hör auf, dir würde es doch nicht mal etwas anhaben wenn du dich von diesem Todesturm stürzen würdest.“ Rief Sven ihm lachend zu. „Ach du weißt nicht, wie sehr dieser Ruf ein Fluch ist.“ Entgegnete Skar lachend und tauchte unter. Sie machten es sich im Wasser gemütlich. Die Sonnen schien hell und warm, obwohl der Sommer noch nicht begonnen hatte. Skar setzte sich neben Judy und legte seinen Arm um sie. Schmunzelnd schüttelte Sven den Kopf. „Seit wann?“ fragte er lächelnd. „So wie bei dir und Jessica. Letzte Nacht.“ Sagte Judy heiter. „Obwohl ich weiss das man nie etwas mit seiner Krankenschwester anfangen darf.“ Wieder lachten sie.
Jessica betrachtete Svens schlafenden Körper. Sie war verwirrt, aber auch sehr glücklich. Frü-her hatte sie oft mit fast Fremden geschlafen und immer am nächsten Morgen hatte sie sich scheisse gefühlt. Will wusste das und hatte sie oft davon abgehalten sich mit einem daherge-laufenen Typen einzulassen. Diesmal hatte er nichts getan. „Was ist das, rote Haare, knappes Oberteil, kurzer Rock, Strümpfe und dazu ein Paar alte Kampstiefel?“ fragte Will, der neben ihr den Rucksack bereit machte. „Eine Schlampe.“ Antwortete Jessica, aber nicht überzeugt, heute war es anders als sonst. Will gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Nein, ein verliebtes kleines Mädchen. Los komm, heute müssen wir alleine auf Tournee.“ Sie gingen zusammen los. Bei der Türe hatten sie Mühe sie zu öffnen, da sie auf der anderen Seite durch diversen Eisen und Blechschrott versperrt war. Hinter der Mauer befand sich, nach einigen Sträuchern und niederen Bäumen, ein Schotterplatz, auf dem diverse Autos parkten. „So sieht es also ausserhalb unseres neuen Paradieses aus. Die Welt hat uns wieder, gehen wir weiter.“
Sie überquerten den Parkplatz und gelangten durch ein hohes Steintor auf eine der Strassen, die direkt auf den Marktplatz zu führten. „Glaubst du Sven wird einfach wieder abhauen wie all die anderen?“ fragte Jessica plötzlich besorgt. „Nein, er war dermassen am Ende als er Vorgestern hier ankam, er wird froh sein hier ein wenig Halt gefunden zu haben.“ Sie lachte fing an sich im Kreis zu drehen. „Weißt du wie ich mich fühle?“ fragte sie. „Wie sollte ich. Bin ich etwa Hellseher?“ – „Du hattest recht, ich bin verliebt. Vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben. Sven ist klug, Gutaussehend und Stark, aber das alles ist nicht wichtig. Er hat mich nicht für naiv oder dumm gehalten. Stell dir vor er will mich lesen lernen.“ – „Fehlt nur noch eine Brille und du könntest an die Universität.“ Lachte Will. Der Markt war ein grosser runder Platz und immer voller Menschen. Für die wohlhabendere Bevölkerung der Stadt, wurde der Armenmarkt gerne als Geburtsstätte allen Übels in der Welt verschrieen. Für Men-schen die hier lebten war er der schönste und vor allem Sicherste Ort der Welt. Will war heute besonders Froh hier zu sein. Skar hatte ihm am Morgen ein wenig Geld gegeben, das hiess er musste nichts stehlen. Nur zu selten war es ihm möglich gewesen, wirklich einzukaufen. Alles andere was er getan hatte war „Einklauen“, wie sie es gerne nannten. Will war nie wohl ge-wesen etwas zu stehlen, aber nur zu oft war es nötig gewesen. Heute nicht. „He Will! Will!” rief eine Stimme hinter ihnen. Er drehte sich um. Ein schmaler, alter Mann tauchte zwischen den vielen Menschen auf. Sein weisser Bart war sorgsam gestutzt. Am rechten Arm trug er ein rotes Band mit einem goldenen Stern. „Will, endlich find ich dich. Ich dachte schon sie hätten dich geholt.“ Will schaute den alten fragend an. „Guten Morgen Jack.“ Sein Blick wanderte auf die Armbinde. „Seit wann seit ihr wieder aktiv?“ Jessica kam dazu. Der alte Musterte sie schief: „Wo hast du die den her, ich hätte gedacht so ein heisser Schlitten sei zu teuer für dich.“ Will konnte Jessica gerade noch aufhalten, ansonsten hätte Jack ein blaues Auge mit nach Hause genommen. „Sie ist die geliebte eines Freundes. Aber jetzt raus mit der Sprache. Was willst du?“ – „Die Brigade ist wieder aktiv und sucht Krieger für unsere Sache. Ich hörte das dein Freund Skar wieder hier ist. Ihr beide würdet viel vom Bann brechen. Skar ist bei den Reichen noch nicht ganz vergessen. Tretet unserer Vereinigung bei. Die Gang braucht euch.“ – „Tut mir Leid, wir haben bereits unsere eigene ... Gang, oder wie ihr das sonst nennt.“ Sagte Jessica und drehte sich um. Will gab ihr ungesehen das Geld. „Stimmt das? Hast du dich gegen den Willen deines Vaters verschworen. Er wird sich im Grabe dre-hen.“ - „Ich verrate meinen Vater nicht. Du weißt das ich mit eurer Revolution nichts zu schaffen haben will. Ich möchte nur ein unbeschwertes Leben führen, wenn auch in Armut. Mit unserer kleinen Gruppe ist dies sehr wahrscheinlich möglich. Wir wünschen nur in Frie-den gelassen zu werden.“ Jack strich sich Nachdenklich über den Bart. „Nun gut. Ich respek-tiere deine Ansichten und die Brigaden werden dich und die deinen nicht behelligen. Aber ich hatte deinem Vater versprochen für deine Sicherheit zu sorgen. Sag mir den Namen deiner Gruppe und die Brigaden werden euch immer schützend zur Seite stehen, wenn ihr es denn wünscht.“ Will nickte. „Wir sind an einem Ort namens Gondolin. Sag deinen Leuten wir sind die Gondolinos, die Verborgenen. Machs gut.“ – „Viel Glück.“ Sagte Jack noch und machte sich durch die Menge davon.
Will brauchte einige Zeit um Jessica wieder zu finden. Sie hatte bereits alles Geld verbraucht, hatte dafür aber zwei grosse Taschen mit Nahrungsmittel in den Händen. „Ich habe nur essba-res eingekauft. Hast du noch Geld um etwas für dir Seele zu kaufen?“ Will lächelte. „Nein, aber ich kenne jemanden der uns etwas geben wird. Ohne das wir bezahlen.“ Sie hob nur die Schultern.
In einer schmalen Gassen, direkt neben dem Marktplatz war eine Gruppe Jugendlicher. Eine kleine gebückte Gestalt war im Mittelpunkt. Sie schienen über irgend etwas zu verhandeln. „Hallo, Johnny.“ Sagte Will laut. Die Gestalt zuckte zusammen und seine Kunden ergriffen die Flucht. „Was hast du heute für mich?“ Johnny funkelte ihn Böse an. „Du weißt es genau. Nichts. Ich zahle meine Schulden, sobald Skar selbst zu mir kommt.“ Ein dreckiges Grinsen huschte über sein Gesicht. „Und du weißt auch das er nicht mehr zurückkommen wird.“ – „Er ist hier.“ – „Du lügst!“ Will packte Johnny am Kragen und zog ihn an sich. „Du hast mich und Jack gesehen vorhin?“ Der Wicht nickte heftig. „Gut. Denkst du der Anführer der Briga-den sucht mich auf? Du weißt das ich mit denen nichts zu schaffen habe. Sie suchen Skar, denn er ist bei mir. Drüben auf dem Platz. Sei bloss froh das ich ihn überzeugt habe nicht mit-zukommen. Er würde dir deinen kleinen Kopf vom Hals schlagen.“ Johnny zitterte am ganzen Körper. Schnell streifte er seinen Rucksack ab und warf ihn Will vor die Füsse. „Das sollte reichen, stammelte er und ergriff die Flucht.“ Jessica hob den Sack auf und legte ihn an. „Wir hätten ihn ausnehmen können. Er hat gezittert vor Furcht.“ Meinte Jessica amüsiert. „Ja, aber heute sind wir keine Diebe. Sollen andere auch von unserem Glück profitieren.“ Entgegnete Will und so begaben sie sich in bester Laune auf den Weg zurück nach Gondolin.



Lebt den Traum

Sven schloss die Augen. Je länger der Tag dauerte, desto wärmer wurde ihm ums Herz. Er vergass den Schmerz der letzten Wochen und wünschte sich nichts mehr als wieder in Jessi-cas Armen zu liegen. Judy, Skar und er waren lange im Wasser geblieben nun lagen sie im Schatten der Bäume, die auf den beiden Böschungen wuchsen. Seit Tagen war der Hunger ihr stetiger Begleiter gewesen. Sven selbst hatte nichts richtiges mehr gegessen seit über einer Woche. Das letzte Mal war... Er versuchte sich zu erinnern. Hinter seinen geschlossenen Lie-dern sah er sich selbst am langen Tisch im Speisesaal seines Vaters sitzen. Ein grosser Mann, Mitte vierzig in gutem Anzug. Sein Gesicht war traurig. Er las einen Brief. Oft war sein Vater in Sorge gewesen in den letzten Monaten. Vor einer Woche hatten sie ihn und seine Mutter geholt. Sven wusste nicht wer es war. Er selbst floh, wie es ihm sein Vater auftrug, in die Ar-menviertel. Schnell verdrängte er diese Gedanken. Gut er war in Wohlhabenden Verhältnissen aufgewachsen. Man hatte ihn viel gelehrt über ein Leben unter freiem Himmel. Man hatte ihn so vieles gelehrt, aber konnte er es jemals brauchen. Seufzend setzte er sich auf und lehnte gegen einen Baumstamm. Was wohl Jessica macht. Hatte sie ihn nur geliebt für eine Nacht? Sven wollte nicht über solch ernste Dinge nachdenken. Noch nicht. „Lebe, zum sterben hast du anschliessend Zeit genug.“ Hatte sein Vater ihm einst gesagt und das wollte er nun tun.
Durch den Kuss süsser Lippen wurde er geweckt. Jessica war über ihn gebeugt und lächelte ihn glücklich an. Sven legte seine Arme um ihre Beine. „Und ich dachte es sei nur ein Traum gewesen.“ – „Das war es auch, alles was hier geschieht ist ein Traum. Der Ort, du und das in einer Zeit wie der unseren.“ Lachend zog Sven sie an sich und küsste sie. „Da soll noch einer behaupten du seiest nicht klug.“ – „Du färbst ab. Aber nun komm, Will und ich haben etwas zu beissen mitgebracht.
Hand in Hand gingen sie in die Mulde zwischen den Felswänden zurück. „Was habt ihr in diesem Rucksack. Der gehört weder dir noch Jessica.“ Fragte Skar. Will grinst ihn breit an. „Der gehört deinem alten Freund Johnny. Er sagt das der Inhalt seine Schulden denken soll-te.“ Skar öffnete ihn. Seine Augen wurden gross. „Wow. Dieses Zeug ist ein Vermögen wert. Das sind mindestens vier Liter Schnaps und eine Menge Angel-Dust und eine Pfeife. Da froh-lockt mein Herz.“ Jubelte er. „Was haltet ihr davon. Den Rest dieses schönen Tages verbrin-gen wir damit ein paar Unterstände zu bauen und in der Nacht machen wir ein Fest. Für Mor-gen haben wir genug zu essen. Wir müssen also Gondolin bis in zwei Tagen nicht mehr ver-lassen.“ Alle stimmten begeistert zu.
Skar und Sven trugen die Blechplatten, die Hölzer und Eisenstangen, welche vor der Tür ge-legen hatten. Sie bauten in der Mulde zwischen den Felswänden vier kleine Hüttchen. Gerade gross genug um für zwei Personen einen Liegeplatz zu bieten und etwa einen Meter hoch. Das vierte Häuschen war das prächtigste, obwohl nicht grösser, war es nicht aus altem Holz, son-der aus sauber geputztem Stahl. Der Tempel, wie sie das Hüttchen nannten stand am Fusse des Todesturms und funkelte in der Sonne wie ein Smaragd. In diesen Tempel legten alle ihre wichtigsten Dinge. Skars eben neu erhaltene Pfeife. Jessica legte ein Foto ihrer ältern und seit langem verschollenen Schwester hinein. Sie weinte als sie es hinein legte. Judy hatte ein rotes Seidenkissen mit ihren Initialen eingestickt. Sie hatte es von Verwandten geschenkt bekom-men, die seit Jahren nichts mehr von sich hören liessen. Sven wollte das Skars Pfeife auf dem Kissen ruhen sollte, aber alle stimmten für Tolkiens rotes Buch. Es sollte das Herz Gondolins bilden. Will stach, mit Svens Einwilligung ein Stecker seines Vaters in die Leinenhülle des Buches. Rein nach dem Wert gerechnet, wäre dieses kleine Abzeichen so Teuer gewesen, wie alles andere zusammen. Es war ein echt goldener Stern auf einem roten Hintergrund. Skar hatte ausserdem herausgefunden was die Nachbarfabrik produzierte. Die Textilfabrik hatten sie bereits auf schmerzliche Art und Weise kennen gelernt. Der andere Nachbar produziert Kerzen und zur Freude aller, waren jene Produkte, die durch die Qualitätskontrolle fielen am hinteren Teil des Hages gelagert. So konnten sie Gondolin mit vielen Lichtern erhellen.
Die Sonne versank wie roter Feuerball über den Dächern am anderen Ufer des Flusses. Judy und Jessica waren damit beschäftigt die Kerzen in Gondolin an zu zünden. Will hatte den To-desturm erklommen und schaute traurig über die Dächer der Stadt. Sven sass unten beim Wasser, kleine, flache Steine flogen übers Wasser. „Ich weiss, warum Will alleine dort oben sitzt und an die Orte schaut, an die wir nicht gehen können,“ Skar setzte sich neben Will, „was aber ist dein Geheimnis.“ Ein finsterer Schatten zog über Svens Gesicht. „Darüber will ich nicht reden.“ – „Oh. Ich dachte nur, du kennst unsere Geheimnisse, du weißt was ich ge-macht habe. Wir sollten mehr voneinander wissen, um Gondolin zu erhalten brauchen wir vertrauen.“ Eine Träne suchte ihren Weg über Svens Gesicht. Skar schaute ihn lange an. „Es ist wohl an der Zeit das du etwas loswirst, sonst wirst du zerbrechen.“ – „Ich weiss.“ – „Er-zähl es Jessica, sie wird dir Trost spenden.“ Aber er schüttelte den Kopf. „Nein, ich möchte sie nicht damit belasten. Ich werde mein Geheimnis dir anvertrauen, aber du darfst nieman-dem etwas davon berichten.“ Skar nickte. „Vor zwei Wochen befand ich noch in einem gros-sen Saal. Grösser als unser Gondolin ist, höher als unser Turm. Die Böden waren aus Marmor die Lampen aus Gold. Mein Vater war da ...“ er brach ab, denn plötzlich kam ihm alles, was er verdrängt hatte wieder in den Sinn. Während Sven erzählte sah er die Bilder nochmals deutlich vor sich.

In der Eingangshalle war es kalt. Sven hatte die Villa seines Vaters nie gemocht. Er war schon mit sechzehn Jahren in ein kleines Landhaus am Stadtrand gezogen. Nur wenn ihn sein Vater rief, ging er noch hinauf auf den Hügel der Reichen. Einen Haufen Könige, die sich ein Reich teilen müssen, wo sie doch das Volk vertreten sollten. Sein Vater hatte oft betont das die Re-gierung in der Stadt zu lange schon auf Kosten der Armen gelebt habe. Er hatte die Befreiung der Armen von ihren Schranken
Gefordert. Das sie die öffentlichen Schulen wieder zu dem machen sollten, was sie einst wa-ren. Nicht zu Obdachlosenheimen. Sie hätten genug Geld eigens für die Unterkunft der Ob-dachlosen Paläste zu bauen, wo schon nur Häuser genügen würden. Sven hatte die Politik nie ganz begriffen, die anderen Senatoren gaben schnell nach. Sein Vater konnte den ersten Schritt in die Richtung seines Traumes gehen. Heime wurden in den Slums gebaut, für Schu-len reichte seine Zeit nicht mehr.
Sein Leben lang besuchte Sven spezielle Schulen, er lernte die Sprachen des Osten. Erkundete ihre Länder, immer dort wo nicht gerade Krieg, oder er eben zu Ende war. Auf Anordnung seines Vaters lehrten ihn die Bergmenschen wie man sich gegen Kälte schützte, die Wald-menschen, wie man jagen und sich lautlos bewegen konnte. Die Wüstenbewohner wie man Kämpft und sich gegen Hitze schützt. Er hatte so vieles gelernt ohne den Grund zu wissen.
Vor etwas mehr als einer Woche kamen sie. Männer und Frauen in dunklen Anzügen. Sven sah mit eigenen Augen sie seinen Vater mit zwei Schüssen in den Hinterkopf hinrichteten. Er hörte die Schreie seiner Mutter, das lachen der schwarzen Frauen, das stöhnen der Männer. Man warf sie in den Fluss nachdem man sie ebenfalls des Lebens beraubt hatte. Stumm und schweigend, setzten sie das Haus in Brand und den Küchenjungen hängten sie am Kronleuch-ter auf und liessen ihn brennen. Im glauben er wäre der einzige Sohn des Opfers, der einzige der den Platz seines Vaters einnehmen könnte. So oder so, Sven hatte zwar überlebt aber sein Vater hatte ihn nichts über die Politik gelehrt, nur über das nackte überleben. Sven hatte sich während des Überfalls in einem geheimen Zimmer befunden, über die vielen Bildschirme hatte er aber alles sehen können. So floh er aus dem Haus.
Seine Flucht endete als er den Lieferantentunnel benutzte. Zwei grosse Schwarz gekleidete Männer packten ihn von hinten und drückten ihn an die Wand. Mit einer heissen Klinge durchstiessen sie Svens Schultern. Sie sagten, es sein nötig, damit sie ihn immer erkennen würden. Ohnmächtig geworden wurde er von den Männern verschleppt und wachte am Mor-gen darauf bei einer Bushaltestelle auf. Trug den Mantel und hatte das Buch bei sich. Mit dem Bus gelangte er ins Armenviertel, denn er wusste, gegen den Hunger würde er länger stand-halten als gegen die Mörder seiner Eltern.

„Nun weißt du wer ich bin, wo ich herkomme und was mein Geheimnis ist. Es darf niemand wissen. Wir wären alle in Gefahr.“ Skar nickte, irgendwie war ihm noch nicht alles klar, aber langsam dämmerte es ihm. „Mein Gott. Du bist Sven Rockford, Sohn des roten Führers. Des-halb sind die Brigaden erwacht, sie wollen Rache nehmen.“ Er packte ihn an den Schultern, Skars Augen glänzten wie ein bleiches Feuer im Nachtwind. „Sven die Stadt wird brennen wenn bekannt wird das du noch lebst.“ Wütend schlug Sven Skars Hände von sich. „Ja sie würde brennen und wir mit ihr.“ – „Du kannst dich doch nicht einfach verstecken und warten bis jemand anders deine Bestimmung erfüllt.“ – „Ich habe keine Bestimmung und ich habe keinen Namen mehr. Du kannst das nicht verstehen!“ schrie er ihn an und kletterte wieder zur Mulde hoch. Skar folgte ihm, aber langsam und Nachdenklich. „Was war den los?“ fragte Will, der soeben vom Turm hinunter kam. „Wir haben einen Stein ins Rollen gebracht. Die Stadt wird in den Feuern der Revolution brennen, aber Gondolin muss halten, um jeden Preis. Niemand darf wissen wo wir sind, jeder der uns ohne unseren Willen findet muss sterben.“ Will gab sich mit der Ausführung seines Freundes zufrieden und fragte nicht weiter. Er sah hoch zu den Sternen. Eine dunkle Wolke schob sich langsam, aber unaufhaltsam über das Firmament.

Als Skars Pfeife die erste Runde im Kreis beendet hatte, war der Zorn in Svens Kopf wieder verflogen. Er wusste das Skar sein Versprechen halten und das Geheimnis wahren würde. Ausserdem verdrehte ihm der Rauch, kräftig den Kopf. Will nahm kein Dust zu sich, er be-vorzuge flüssigere Dinge und hatte eine der Flaschen aufgemacht. Die Stimmung war ausge-lassen, sie lachten und scherzten. Jessica lehnte sich eng an Sven und immer wieder küssten sie sich. Spät in der Nacht war Gondolin dunkel, die Kerzen waren gelöscht bis auf eine, un-ten am Ufer, wo Will auf einem Stein sass. Der Klang der jungen Liebe drang an sein Ohr. Er fühlte sich einsam, sein Haus war ebenfalls für mehr als nur jemanden Gebaut. Einen Ein-wohner zu wenig hatte Gondolin.
Sven und Jessica liebten sich ungehemmt und noch stärker als in der letzten Nacht. Es störte sie auch nicht, das Skar und Judy das gleiche im Haus nebenan machten und Will interessierte sie in dieser Nacht nicht.
Viel später wünschte sich Sven er hätte Will die ganze Geschichte der verborgenen Elben-festung erzählt, aber so wusste Will nichts von Meaglin. Die Wolken wurden dichter.

Hallo liebe Leser

In den letzten Monaten kam reichlich Kritik an mein Ohr, das ich zu viel Fantasy schreibe und zu weinig auf reales Eingehen. Die letzte Geschichte der Jugend soll das ändern. Es bleibt zwar bei einer Erfundenen Geschichte doch kommt sie gäntlich ohne übermenschliches aus.

Zur Geschichte

J.R.R Tolkiens Der Fall Gondolins war eine der Hauptgrundlagen die ich hier verwende, die Idee in einem Versteck glücklich zu sein, wenn drausen die Welt verbrennt.
Dies nur als kleine Info, Der Fall Gondolins ist Teil vom Silmarillion der Vorgeschichte des Herrn der Ringe und ist in jeder Buchhandlung erhältlich.

PS. wenn ihr die Geschichte schon lest, dann verfasst bitte eine kleine Kritik. Länge egal. Ich danke herzlichst.

Teil 2 + 3 sind noch in arbeit

Benjamin Bieber, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.02.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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