Lukas Clara

Etwas ändern

"NATO-Flugzeuge bombardierten auch heute wieder die Hauptstadt Lybiens.", berichtet die Nachrichtensprecherin im Fernseher, die das erste ist was er hört als er müde von der Arbeit heimkommt. Seine Arbeit ist für ihn eher ein Zeitvertreib denn seine Selbstverwirklichung. Doch auf Drängen seiner Eltern verzichtete er auf seinen freiwilligen Zivildienst im Kosovo und ging gleich nach dem Abschluss Geld verdienen wie es sich gehört und da man sich vor lauter Krisen heutzutage besser eine kleine Reserve anspart. Ihm ist bewusst, dass er nur einen Bruchteil dessen verdient, was er für sein Unternehmen, für seinen Boss, den solariumgetosteten Protzer, im Laufe eines Monats reinholt. Vielleicht wäre es besser wenn er es gar nicht so genau wüsste. Denn sowas verärgert ihn, das flau brennende Gefühl in Bauch und Armen bestätigt ihm das.
Die Zukunft ist zurzeit aber nicht in seinem Fokus, eigentlich fokussiert er gerade gar nix. Er ist eher am Abwarten; am Abwarten, dass sich die Situation im Land, aber auch global bessert. Dann will er nämlich sein Kosovoprojekt wieder aufnehmen.
"Die machen das nur damit sie zu weiterem Öl kommen!", sagt er lauter, damit ihn auch sein Vater hört, der vor dem Fernseher eingesunken in einem Sessel auf den neuen LED-Bildschirm mit halb geöffneten Augen starrt. Dann biegt er in sein Zimmer ein und sucht sogleich einen passenden Song für seine Stimmung am mit der Stereo verbundenen iPod. An Bob Marley bleibt er hängen. Eigentlich wollte er etwas Lautes, Schreiendes, Zorniges, aber als er 'Redemption Song' liest, wählt er diesen, weil ihm plötzlich danach ist.
Während Bob losklimpert, räumt er seine dunkle Umhängetasche weg und legt die Zeitung, die irgendjemand im Bus zurückgelassen hat, raus. Auf der Titelseite wird in dicken Buchstaben ein korrupter Politiker an den Pranger gestellt.
Im nächsten Moment hört er Marley 'no one but ourselfs can free our mind' singen und er lässt sich auf sein Bett fallen. "Nur wir selbst können unseren Geist befreien. Aber wovon?" Zu weiteren Gedanken kommt er nicht, da sein Bruder ins Zimmer tritt und ihn wie gewohnt, wenn er etwas sagen will, leicht an den Schuhen stupst.
"Na! Müde?"
"Geht schon."
"Triffst du eigentlich Chantal noch öfters? Die mit den Rastas."
"Ab und zu, ja. Warum?"
"Naja, die Nachbarschaft munkelt ob du nun auch zu denen gehörst... zu den Kiffern eben. Ihr solltet vielleicht nicht immer im Park sitzen, wo die euch allen sehen können."
"Was?was geht die das an? Sie ist einfach nur eine Freundin von mir und ich treffe mich gern mit ihr, weil ich mich mit ihr noch immer gut über alle Themen unterhalten kann! Was, was weiß die Nachbarschaft schon? Wer ist die überhaupt? Ja, wer ist 'die Nachbarschaft' überhaupt?"
Sein Bruder merkt wie sehr er sich reinsteigert und da er dafür jetzt keinen Nerv hat, blickt er auf die Zeitung rüber und meint um abzulenken: "Das neue Kraftwerk wird nun übrigens doch gebaut, obwohl die Bürgerbewegung um die 20.000 Unterschriften hatten."
"Ja, ich weiß! Die verarschen uns! Denen ist egal was das Volk will, nur ihre Brieftasche interessiert sie!", fährt er hoch.
Nun hat sein Bruder gemerkt, wie gelanden er von diesem Gespräch wurde und räumt sogleich mit einem 'tja' das Feld.
Er bleibt auf dem Bett sitzen, die Ellebogen auf den Knien und die Hände hinterm Nacken. " Ja, die verarschen uns. Die speisen uns mit Lügen und Schwachsinn ab!", murmelt er noch laut. "Und wir machen auch noch mit! Wir spielen die braven Schäfchen, wir lassen uns manipulieren.", bemerkt er daraufhin, während er seine Kopf hebt.
"No one but ourselfs can free our mind!"
In Gedanken versunken sitzt er noch eine Weile hier bis seine Mutter ihn und den Rest der Familie zum Abendessen ruft. Er steht auf, schaut durch das Fenster kurz auf das Abendrot, das sich über den Blockhäuserdächern zieht und geht zur Tür. "Es muss sich wirklich was ändern. Beziehungsweise ich selbst muss mal endlich etwas ändern. Morgen beginne ich damit!", denkt er während er die Tür hinter sich schließt.

Wird er morgen etwas ändern?
Werden WIR morgen etwas ändern?

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.02.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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