Daniel Hodapp

Strange fruits hanging from the trees

Strange fruits hanging from the trees


Ich wachte auf.
Der Boden auf dem ich lag war hart und lehmig.
Es war kalt.
Etwas klebte an meinem Körper.
Ich rümpfte die Nase. Es stank nach Verwesung.
Wo war ich?
Ich richtete mich auf, ging in die hocke.
Warum schlief ich auf einem Acker?
Und was hingen da für seltsame Früchte an den Bäumen?
Von
ihnen ging der Gestank aus. Als ich mich umblickte sah ich, das sich
auf dem ganzen Feld verteilt, teilweise aufeinandergestapelte, teilweise
aufgeschnittene und ausgeweidete Körper. Zuerst dachte ich es wären
einzig und allein Schatten meiner Einbildung, doch als ich sah wie sich
Fliegen und anderes Getier an den Kadavern labten konnte ich es nicht
länger leugnen. Vielen von ihnen fehlten Gliedmaßen, andere hingegen
waren grässlich entstellt.
Das Verstörendste war, dass all diese Leichen unbekleidet waren.
Es dauerte nicht lange und mein Mageninhalt bahnte sich einen weg nach draußen.
Fragen
zermarternden mein Hirn. Wo bin ich? Warum sind all diese Menschen tot?
Warum bin ich hier? Und vor allem, wie komm ich hier weg?
„Ich würde sagen, die wichtigste frage die du dir stellen solltest ist: Wer bin ich.“  
„Wo bist du? Zeig dich!“, schrie ich verängstigt.
Panisch
blickte ich umher, doch das einzige was ich sah waren diese Kadaver,
verdorrte Bäume an denen seltsame Früchte hingen und einen großen,
schwarzen Vogel, der es sich in der Krone eines Baumes der sich in
meiner nähe befand niedergelassen hatte.
Er saß einfach nur da und starrte mich mit seinen dunklen, leeren Augen an.
„Ich
denke du hast mich verstanden.“, hörte ich jemanden auf einmal sagen,
doch ich konnte nicht genau erkennen aus welcher Richtung die Worte
stammten. Um ehrlich zu sein war ich mir nicht sicher ob sie überhaupt
aus einer Richtung kamen. Sie waren einfach auf einmal da und genau so
plötzlich wie sie erschienen waren sie auch wieder verschwunden.
„Oh nein! Sie kommen!“
Wie aus heitererem Himmel breitete der Vogel die Flügel aus und schwang sich in die Lüfte.
Im selben Augenblick sah ich von weitem eine Kreatur auf mich zukommen.
Beim Anblick der Gestalt sträubten sich meine Nackenhaare und mein Herz begann zu wie wild auf meinen Brustkorb einzuhämmern.  
Ihre
elfenbeinweiße Haut schimmerte im Licht des sichelförmigen Mondes. Sie
war Nackt und Haarlos. Die Beine der Kreatur waren lang und angewinkelt,
wie die eines Frosches.
Die Arme, dünn und drahtig, doch an ihnen
hingen gigantische Klauen, mit denen man problemlos ein ganzes Rudel
Wildschweine hätte reißen können.
Der Kopf hatte eine ovale,
langgezogene Form. Dort wo eigentlich die Augen hätten sein sollen
befanden sich lediglich Vertiefungen. Die Nase bestand aus zwei
schlitzen in der Haut, die aussahen als hätte das Monster sie sich
selbst zugefügt. Das Maul der Abscheulichkeit war bestückt mit einem
Gebiss, dass das eines Haifisch ähnelte. Circa dreißig kleine, aber
rasierklingenscharfe zeigten krumm und schief in alle Himmelsrichtungen.
Doch das widerlichste an dem Scheusal war
der Torso. Er war bis auf
die Knochen abgemagert und auf eine Ekel erregende Art und weiße
verformt. Es schlich umher und roch an den Leichen. Durch seine fehlende
Mimik konnte ich nicht erkennen was es dabei fühlte oder dachte.
Langsam und so leise ich konnte ging ich rückwärts.  
Es ist alles
okay. Meine Unkenntnis ist okay und selbst diese Leichen sind okay.
Alles ist okay, wirklich gottverdammt nochmal alles, solange mich dieses
Ding nicht bemerkt.
Ein dumpfer Stoß riss mich aus meinen Gedanken. Ich war starr vor Schreck. Konnte mich nicht bewegen. Was war das?
Ich würgte meine Angst herunter und fasste ich hinter mich.
Meine Hände ertasteten etwas raues, poröses, ein... ein Baum. Erleichtert atmete ich aus.
Nur ein Baum.
Auf
einmal kitzelte etwas meine Nase. Ich schielte auf meine Nasenspitze
und erblickte eine kleine Raupe. Sie ist wahrscheinlich vom Baum
gefallen, als ich dagegen gestoßen bin, dachte ich und nahm sie zwischen
Daumen und Zeigefinger um sie besser betrachten zu können.
Die Raupe war klein, dick und erinnerte mich an das Kinderbuch „The Very Hungry Caterpillar“
Aber irgendetwas machte mich stutzig. Sie war von einer Art purpurnen Schleim umhüllt.
Ich schaute nach oben in den Wipfel des verdorrten Baumes.
„Moment mal...“, sagte ich zu mir selbst, „das sind ja gar keine Früchte.“
Ein Schrei presste sich aus meinem Körper. Ich drehte mich um und...
Standbildaufnahme.
Ich sah ihm in die „Augen“.
Das Wesen schwebte in der Luft, die Fangzähne gefletscht, die Krallen ausgefahren, stürzte sich auf seine Beute. Auf mich.
Die Zeit holte mich wieder ein.
Es
warf mich zu Boden, bohrte seine Klauen in tief in meine Schultern.
Blut schoss aus meinen Schlüsselbeinen. Schmerz durchfuhr meinen ganzen
Körper.
Das war´s, es ist aus.
Doch die Bestie sah das nicht so. Sie wollte mich nicht sterben lassen. Zumindest nicht sofort.
Sie ließ ihre gewaltige Zunge aus dem Hängen. Die Zunge war moosgrün und in der Mitte gespalten.
Mit
ihr strich mir das Ungetüm über das Gesicht. Es kam mir vor als würde
es mit seiner Zunge sehen. Mich von oben bis unten mustern. Seine Beute
begutachten.
Ich griff um mich, in der Hoffnung etwas zu ertasten,
das ich als Waffe gegen dieses Scheusal verwenden konnte. Verzweiflung
machte sich in mir breit.  
Das Vieh ließ seine Zunge wieder zurück ins Maul gleiten und lächelte mich anscheinend an.
Es war ein diabolisches Lächeln. Eine Teufelsfratze.
Irgendetwas, Gott, selbst wenn es nur ein spitzes, dürres Stöcklein wäre, wäre ich zufrieden.
Der Speichel des Monstrums tropfte mir ins Gesicht.
Auf
einmal ertastete meine rechte Hand etwa in der Höhe meiner Hüfte etwas
was sich komischerweise bis gerade eben nicht dort befand.
Der Gesichtsausdruck der Kreatur verfinsterte sich schlagartig.
Es war etwa faustgroß, hart und hatte eine ovale Form die nach unten Spitz zulief.
Sie sperrte das Maul auf, fletschte die Zähne...
Jackpot!
Ich
blitzschnell presste ich den Granitpflock in meine Faust und schlug ihn
dem Ding an die Schläfe. Es gab einen herzzerreißenden Schrei von sich,
stürzte von mit runter und landete mit dem Gesicht voraus auf den
harten Ackerboden. Mit einem Schwung war ich trotz quälenden Schmerz
wieder auf den Beinen, doch wegrennen konnte ich nicht. Die Angst
steckte mir noch in den Beinen. Jedes einzelne war nun so schwer wie ein
Amboss. Ich konnte mich nicht rühren.
Unverhoffter weiße rappelte ich die Gestalt schon wieder auf. Und sie schien wütender denn je.
Verdammt, wenn ich Heute schon sterben soll, dann nicht ohne Gegenwehr!
Ich
nahm all meinen Mut zusammen, hob mein ambossschweres Bein und trat dem
Wesen, mit allem was ich ihm entgegenbringen konnte ins Gesicht.
Man konnte hören wie die sich obere Zahnreihe des Monsters nach innen bog und brach.
Es wurde durch den kräftigen Aufprall des Tritts auf den Rücken geschleudert.
So
blieb es liegen und krümmte sich vor Schmerzen. Ich biss die Zähne
zusammen und machte dem treiben ein Ende. Den Stein fest in der Hand,
setzte ich mich auf den langen, dünnen Hals der Bestie
presste meine
Schenkel auf ihre Arme, nahm den Stein in beide Hände, hob ihn wie ein
Dolch, zielte auf die Stirn und begann auf sie einzudreschen. Blut
schoss mir ins Gesicht.
Ich sah rot. Immer und immer wieder hämmerte ich auf das Wesen ein.
Und es schrie! Es schrie wie am Spieß!
Irgendetwas in mir brodelte, es brodelte wie Magma in einem Vulkan.
Mit
einem mal stoß mein Steinpflock nicht mehr auf einen Widerstand sondern
auf eine pampige Masse welche wahrscheinlich, der Haut und der
Knochenstücke nach zu urteilen, einmal der Schädel der Kreatur war.
Ich
wischte mir mit der linken Hand das Blut aus dem Gesicht und sah nach
oben. In der Krone des Baumes vor mir, hat sich zum erneuten male der
große, schwarze Vogel niedergelassen.
„Ich weiß das du vorhin mit mir geredet hast.“, rief ich zu ihm hoch.
„Wer bist du? Wo bin ich? Was ist hier los? Und vor allem, wie komm ich hier weg?
„Das
einzige, das ich mehr verabscheue als Menschen die die falschen Fragen
stellen.“, sagte plötzlich die sonore Stimme von vorhin, „Und das sind
Menschen die Fragen stellen auf die sie die Antwort bereits kennen.“
„Was meinst du damit?“, rief ich ihm zu.
„Das liegt doch auf der Hand.“
Der
Vogel säuberte, von meinen törichten Fragen gelangweilt sein prächtiges
Federkleid. Dann hob er den Kopf und meinte: „Kommt die dieser Ort hier
bekannt vor?“
„Ob mir dieser Ort hier bekannt vor kommt? Nein nicht das ich wüsste. Außer vielleicht... Agh!“
Ein Blitz schoss in mein Hirn, Bilder spielten sich vor meinem inneren Auge ab. Ich wusste es, aber ich wollte es nicht wissen.
„Von
diesem Ort habe ich als kleiner Junge immer geträumt. Ich habe von dir
geträumt, von dem großen, schwarzen Vogel. Aber damals gab es hier weder
Leichen noch Monster.“
Dieser Alptraum blieb für immer versteckt,
in den Abgründen deines Unterbewusstseins. Und er hat sich genährt,
genährt von deinen Gedanken und Vorstellungen. Vor allem von deinen
Gefühlen. Von deinem Hass, von deiner Furcht, von deinen Lüsten. Die
Leichen die hier liegen sind all die Menschen denen du den Tod gewünscht
hast, erkennst du sie?“
Ich blickte umher und erkannte es, ich sah sie alle. Mein Physiklehrer aus der siebten Klasse
Mr.
Backwood, der Schulhofschläger Tony Hicks, Pamela Shane, die mir in der
neunten vor all ihren Freundinnen einen Korb gegeben hat, den
unfreundlichen Busfahrer, der Autohändler der mich übers Ohr gehauen
hat, meinen Boss, meine Exfrau,... Mom und Dad.
Ich fiel auf die Knie und brach in tränen aus.
„Da-das wo-wollte ich nicht!“, brachte ich stotternd heraus.
„Die
Früchte an den toten Bäumen sind deine Sünden, und die kümmerlichen
Gestalten, wie diese die du eben so heißblütig erschlagen hast sind
Abbilder deiner selbst.  
Du bist der, der diese Welt erschaffen hat, also verschließe die Augen nicht vor dir selbst.“
Ich wimmerte und schluchzte noch mehr als zuvor.
„Das kann alles nicht wahr sein, i-ich bin ein guter Mensch!“, schrie ich unsicher.
„Du hast dir soeben einen Steinpflock erschaffen um deinen Angreifer zu töten.“  
„Das war Notwehr, es hätte mich doch bei lebendigen Leibe gefressen!“
„Sie
fressen doch nicht ihre Artgenossen, das wäre Kannibalismus.“, kicherte
die Stimme des Vogels, „Außerdem kannst du hier nicht sterben, oder
erinnerst du dich vielleicht an einen Traum an dem du gestorben bist?“
Abrupt stand ich auf und brüllte: „Was soll das nun wieder bedeuten?“
„Sieh selbst hörte ich die Stimme sagen.
Ich
blickte an mir herunter. Die Verletzungen, die das Wesen mir zugefügt
hatte waren verschwunden. Da dämmerte es mir. Das Ding hat in meinem
Gesicht sein Spiegelbild gesehen, deswegen hat es mich auch angelächelt.
Verdammt!
Erneut brach ich zusammen. Konnte das sein? Bin ich wirklich zu so einem Unmensch geworden?
Zu so einem Monster?
Der
große, schwarze Vogel beugte sich zu mir herunter. Seine sonore Stimme
meinte: „Weißt du was die Ironie dahinter ist? Als Kind hattest du Angst
vor mir, doch nun bin ich es der sich vor den Abbilder deiner Seele
fürchtet.“  
„Du meintest doch eben dies sei ein Traum, also muss ich doch eigentlich nur aufwachen, oder?“
„Dies
ist eine Art luzider Traum, das heißt das du diese Welt in deinem
Unterbewusstsein erschaffen hast und nach deinen Vorstellungen gestaltet
doch sie hat ein Eigenleben entwickelt, sie ist jetzt ihr eigener Gott.
Und du, du bist nichts weiter mehr als das hier.“ Der Vogel deutete mit
seinem Flügel auf das tote Wesen unter mir.
Doch seien letzten Satz
hörte ich schon gar nicht mehr. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt
einen Ausweg zu suchen. Es gab immer einen Ausweg. Es musste einen
Ausweg geben. Doch je mehr ich
suchte, desto weniger fand ich.
Letztendlich kroch ich bibbernd vor den Baum hob meinen Blick und schluchzte: „Bitte, sag mir doch, wie komm ich hier weg?“
Der
Vogel schwieg. Hoffnungsvoll sah ich in seine großen, dunklen Augen und
in seinen Augen wohnen alle Träume von Dämonen, seinen Schatten wie
geronnen wirft der Monde schwarz und schwer Auf den Boden; doch erheben
wird sich aus dem Schatten schwer

meine Seele nimmermehr.

 
 
 
 
Epilog

Zeiten später kam der Vogel zurück.
Wann weiß ich nicht.
Es hätten Tage, Wochen, aber auch Jahre sein können.
Doch das war egal.
Zeit war egal. Nicht relevant. Bedeutungslos.
Er setzte sich wie üblich in die Krone des kahlen Baumes zu meiner Nächsten.
Ich spähte in seine Richtung.
„Siehst du nicht das du störst?“, rief ich zu ihm hoch.
Schweigend betrachte er mich eine Weile.
Unbehelligt ging ich weiter meiner Tätigkeit nach, doch seine Blicke bohrten sich tief in meinen Körper
Schließlich fragte er mich ob ich denn nun eine Antwort auf die eigentliche Frage gefunden habe.
„Ob ich nun endlich weiß wer ich bin?“
Der Vogel nickte kurz.
Ich drehte mich um, du schautest tief in meine leeren Augenhölen.

„Ich bin du!“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.03.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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