Andreas Rüdig

Chiromant

Die Lebenslinie, landläufig auch Daumenfurche genannt, ist eine Handlinie. Sie bildet sich beim menschlichen Fötus als erste bereits im dritten Monat und verändert sich im Laufe des gesamten Lebens kaum noch. Es ist ein Irrglaube, daß die Länge der Lebenslinie über die Länge des Lebens Auskunft gebe; diese falsche Ansicht ist bei Laien aber weit verbreitet.
In der Chiromantik soll die Vitalis, wie die Lebenslinie auch genannt wird, insbesondere über  die Qualität der Selbst- und Arterhaltung dienenden Antriebskräfte einer Person Auskunft geben. Beurteilt werden dabei vom betrachtenden Chiromantenhauptsächlich die Regelmäßigkeit, Tiefe, Breite, Länge, Verlaufsform (gerundet oder eher gerade) und Schwankungen dieser Eigenschaften im Verlauf der Lebenslinie.
Viele Chiromanten behaupten, anhand dieser Schwankungen sowie die Lebenslinie kreuzender Handlinien konkrete Ereignisse im Leben einer Person ablesen zu können. Meist wird dabei das zwischen Daumen und Zeigefinger liegende Ende als dem Geburtszeitpunkt und das der Handwurzel zugewandte Ende als dem Lebensende zugehörig betrachtet.
Diese Informationen habe ich dem elektronischen Weltnetzwörterbuch „Wikipedia“ gefunden. Ich muß mal eben nachschauen, ob dort die Chiromantik noch genauer beschrieben wird.
 
Aber egal. Eine Frage stelle ich mir schon heute. Darf sich ein christlich – kirchlich orientierter Leser überhaupt mit einem solchen Thema beschäftigen? Zu abseitig, zu merkwürdig, zu sehr dem religiösen Glauben und Empfinden widersprechend und für den weltlich eingestellten Menschen zu unwissenschaftlich, also einfach nur zu unseriös erscheint diese Praktik. Was also tun?
 
Genau: Ich werde zu meinem Gemeindepfarrer gehen und ihn fragen. Soll ich, darf ich zu einem Chiromanten gehen und mich beraten lassen? Es gibt da nämlich einen total süßen Theologie-Studenten, in den ich sehr beliebt bin. Darf ich ihm meine Gefühle offenbaren? Haben wir eine gemeinsame Zukunft, er als Seelsorger in einer Ortsgemeinde, ich als Pfarrfrau?
 
„Ich habe mich auch schon von einem Chiromanten beraten lassen,“ vertraut mir Kunibert an. Huch – sagt er mir das wirklcih? Ich hatte ihn eigentlich für vertrauenswürdig gehalten.
 
Dieses Beratungsgespräch habe ihn vor einem schlimmen Fehler bewahrt. Seine Angebetete habe nämlich geglaubt, er würde einen Arbeitsplatz mit geregelten Arbeitszeiten, freiem Wochenende, umfangreichen Urlaubsanspruch und händchenhaltend Fernsehschauen am Abend anstreben.
 
Und das kann man alles aus einer Lebenslinie ablesen? Anfangs glaubte Kunibert das wohl auch. Der Chiromant habe davon geschwafelt, es gebe eine störende Lebenslinie in Kuniberts Hand, vor der er = Kunibert sich in acht nehmen müsse. Erst später bemerkte Kunibert, daß seine Angebetete die Schwester des Chiromanten war und sämtlcihe Informationen von ihm stammten.
 
Wochenendarbeit des zukünftigen Ehemannes? Keine freien Sonntage? Arbeit an Weihnachten, Ostern und Pfingsten? Gemeindliche Veranstaltungen in der Dienstwohnung. Störende, unerwartete und aufdringliche Gemeindeglieder mit Nichtigkeiten auf dem Herzen zu den unmöglichsten Zeiten?  Ist das die Botschaft, die Pfarrer Kunibert mir vermittelt?
 
„Ja, auf jeden Fall. Nur: Dafür mußt du nicht zu Chiromanten gehen. Du hast es ja jetzt von mir erfahren. Entscheiden mußt du dich aber selbst, ob du deinen schnuckeligen Studenten der Gotteswissenschafen haben willst oder nicht. Diese Entscheidung kann dir niemand abnehmen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.03.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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