Marianne Chauvistre

Online - offline


Das erwachsen gewordene Kind war zum Studieren aus dem Haus und hatte Robert, den alleinerziehenden, stets gewissenhaften Vater, zurückgelassen.Der beschloss, die zusätzlich gewonnene Zeit zu nutzen und sich im Internet nach einer netten weiblichen Bekanntschaft umzuschauen.

Nach längerem Hin und Her entschied er sich für ein eher frivoles Dating Portal und wollte sich dort auch direkt anmelden.
Aber so schnell wie gedacht, ging es nicht. Zuerst musste er - nach den üblichen Angaben, wie Namen, Wohnort und Ähnlichem - einen Fragebogen ausfüllen und dabei über seine erotischen Vorlieben Auskunft geben.
Robert kramte gewissenhaft in seiner Erinnerung. Wann war er schon jemals über so etwas befragt worden? Noch nie, nicht einmal seine Frau, nun seine Exfrau, hatte sich für seine Vorlieben auf diesem Gebiet interessiert, stellte er fast erschrocken fest.
Willig und erfreut wollte er Auskunft geben, geriet aber schon bei der ersten Frage ins Stocken. Wusste er eigentlich, was er da suchte? Ein Seitensprung schied aus, aber wollte er eine Affäre? Eine dauerhafte oder lieber eine kurze Affäre? Vielleicht aber doch eher eine erotische Freundschaft? Schließlich entschied er sich für die erotische Freundschaft. Die fand er noch am unverfänglichsten.
Einige Angaben weiter war er dann angemeldet und durfte sich endlich einloggen.

Er staunte über die vielen Frauenprofile und klickte sich in aller Ruhe durch das Angebot. Besonders verwunderte es ihn, dass so viele Akademikerinnen auf der Suche nach einem Mann waren. Der Bildungsstand in der BRD musste doch weitaus höher sein, als er je vermutet hatte! Zunächst erschreckten ihn die vielen Hochgebildeten, befürchtete er doch, ihnen nicht gewachsen zu sein.
Doch dann riss er sich zusammen und ging ans Werk. Als erstes grenzte er seine Suche ein: Die gesuchte Frau durfte maximal 5 Jahre jünger bis 10 Jahre älter als er sein, und ihr Wohnort sollte nicht weiter als 100 km von dem seinen entfernt sein.
Dann versuchte er zu ergründen, ob bei den Damen aufgrund ihrer Nicknamen schon eine Vorauswahl möglich war. Aber nein, das war nicht zu empfehlen! Also sollte er doch besser deren erotische Vorlieben beachten und mit den eigenen kombinieren!
Kuschelsex, Küssen und Oralsex - aktiv sowie passiv - waren Spitzenreiter. Aber auch die Nachfrage nach Sklaven und Herren war groß.
Er wählte schließlich eine Dame aus, deren Profil ihm verheißungsvoll vorkam. Sich für besonders einfallsreich haltend, schrieb er an sie in Form einer Bewerbung für eine freie Stelle, so richtig mit Anrede "Sehr geehrte..." und höflichem Schlusssatz "Mit freundlichen …"
Leider war die Angeschriebene nicht an ihm interessiert. Wer weiß, vielleicht mochte sie auch nur diesen geschäftsmäßigen Schreibstil nicht.

Robert, ein schüchterner Typ, war nach dem Absenden seiner ersten Nachricht emotional so erschöpft, dass er sofort eine Pause von zwei Tagen einlegte, bevor er sich erneut aufs Dating-Portal wagte.
Doch dann machte er tapfer und gelegentlich sogar kreativ weiter. So versuchte er bei einer Dame mit Vorliebe für Sexspielzeug zu reimen, etwa in der Art:
"Ich möcht dein Stab im Nachttisch sein, nur bei Bedarf schalt ich mich ein..." und so weiter.
Doch keinerlei Reaktion! Besaß die Frau keinen Humor ?

Während er nun jede Menge Absagen kassierte, legte er zumindest virtuell seine Schüchternheit immer mehr ab.
Da er täglich zur gleichen Zeit online ging, begegnete er - neben neuen - auch ständig alten Profilen, so dass ihm diese bald schon wie gute alte Bekannte vorkamen.
Und dann machte Robert seine erste virtuelle Bekanntschaft.
Er war ganz überrascht, als eine von ihm Angeschriebene prompt antwortete. Eigentlich hätte sie sich schon abmelden wollen, schrieb sie, wäre nun aber ganz erfreut, endlich auf einen Gescheiten zu treffen.
Woher sie seinen Intelligenzgrad so genau kannte, wusste er nicht, fand es aber auch nicht angebracht, in dieser Hinsicht weitere Nachforschungen anzustellen.
Es war eine Krankenschwester, die ihm geantwortet hatte, genauer gesagt, eine Nachtschwester war es. Jeden Morgen, wenn sie von der Arbeit kam, loggte sie sich bei dem Portal ein. Auch Robert loggte sich zu dieser Zeit ein, wobei es für ihn allerdings noch vor der Arbeit war.
Als erstes wünschten sie sich immer sehr freundlich einen guten Morgen und tauschten schon bald verbale Zärtlichkeiten aus, schrieben aber auch über tägliche Probleme ihres realen Lebens.
Zärtlich nannte sie ihn "Hasi". Er bezeichnete sie - auch nicht sehr einfallsreich - als "Mausi".
Sie schrieben über Mülltrennung, Schulprobleme ihres jüngeren Sohnes, über ihre Arbeit, über seine Arbeit und über die Besucher der Kneipe, in der sie manchmal am Wochenende jobbte. Ganz leicht hätten sie sich sogar treffen können, wenn er die besagte Kneipe besucht hätte, die ganz in der Nähe seines Wohnortes lag, aber das wollte sie partout nicht.
Da sie auf Dauer aber doch nicht genug Zeit hatte, verabschiedeten sie sich dann doch recht bald mit einer liebevollen virtuellen Umarmung.
Wie sie aussah, hatte er nicht erfahren können, denn ein Foto von sich hatte sie ihm nie geschickt. Dennoch hatte er später noch öfter an sie gedacht und sie auch manchmal vermisst.

Spontaner und heftiger gestaltete sich der Kontakt mit Elke, 51 Jahre alt, aus Duisburg kommend. Als sich Robert an einem Morgen einloggte, fand er eine Nachricht vor, die aus nur vier Worten bestand: "Bin nass. Komm vorbei!" Vorsichtig fragte er an, ob die Schreiberin wirklich ihn gemeint hatte, und erhielt die Auskunft, dass sie sich nach körperlicher Hingabe sehnte und er für sie der Auserwählte wäre.
Da er einen geregelten Alltag hatte und auch nicht so einfach der Arbeit fernbleiben konnte, musste er die sehnsüchtige Dame auf das Wochenende vertrösten.
Und so trafen sie sich am darauf folgenden Samstag am Hauptbahnhof von Duisburg.
Eine kleine süße Pottmaus – er nannte sie Pottmaus, weil sie im Ruhrpott lebte - mit auffallend üppigen Brüsten nahm ihn herzlich in Empfang, fasste ihn vertraulich bei der Hand und drückte sich sehr eng an ihn.
Ob sie erst noch einen Kaffee trinken oder gleich zu ihr gehen sollten, fragte sie und warnte ihn gleichzeitig vor ihrer unaufgeräumten Wohnung. Höflich versicherte ihr Robert, dass ihn Unordnung nicht stören würde, und so machten sie sich auf den Weg zu ihr. Nach etwa 10 Minuten waren sie in ihrer Wohnung, gelegen im Dachgeschoß eines Mehrfamilienhauses.
Sie führte ihn zunächst ins Wohnzimmer, dessen Mobiliar er mit einem Blick erfasste: Da waren eine Schrankwand , ein Schreibtisch mit Computer und überquellendem Aschenbecher, ein Ledersofa mit Couchtisch und darauf eine angebrochene Flasche Wein und ein halbvolles Glas, das sie aber rasch wegstellte. Insgesamt herrschte im Raum ein ziemliches Durcheinander.
Sanft drängte sie ihn zur Couch, auf der er sich nun gezwungenermaßen zwischen Stofftieren, Decken und Kissen in jeglicher Farbe und Größe wiederfand.
Robert, der nicht nur zurückhaltend, sondern im Gegensatz zu seiner vorherigen Äußerung auch sehr ordnungsliebend war, fühlte sich in dieser Umgebung gar nicht wohl und war drauf und dran, sich von Elke zu verabschieden und den Heimweg anzutreten.
In diesem Augenblick aber gesellte sich diese mit geöffneter Bluse zu ihm und schmiegte sich an ihn. Sie küsste ihn, und auch der Griff in seinen Schritt blieb nicht aus.
Derart überrumpelt, blendete er das ihn störende Umfeld einfach aus und widmete sich ausgiebig ihren Brüsten, was Elke mit lautstarkem Stöhnen quittierte. Mit heiserer Stimme schlug sie vor, ins Bett zu wechseln. Robert folgte ihr mit Scheuklappenblick ins Schlafzimmer. Flüchtig bemerkte er trotzdem, dass das Bett nicht gemacht war, ließ sich dadurch aber nicht beirren. Letztlich war ihm das jetzt auch egal.
Vor dem großen Bett entkleideten sie sich. Dann kroch er mit ihr unter die Decke, wo das erotische Spiel seinen Fortgang nahm.

Nach vollendetem Geschehen war Elke glücklich und entspannt, während er sich innerlich mit Vorwürfen herumschlug. Warum zum Teufel hatte er kein Kondom benutzt? Aber eigentlich hätte ja auch sie was sagen können, dachte er leicht verbittert.
Einige Minuten blieben sie noch im Bett. Dann suchte er das Bad auf. Nachdem sie sich angezogen hatten, setzten sie sich noch für eine halbe Stunde ins unaufgeräumte Wohnzimmer, wo sie sich über Alltagskram unterhielten.
Als es ihm angemessen erschien, verabschiedete er sich - im Kopf schon für immer - und machte sich auf den Weg nach Hause.
An den Tagen danach schrieben sie sich noch ein paar Mal. Aber das Liebesabenteuer mit Elke hatte ein so schales Gefühl in ihm hinterlassen, dass er den Kontakt langsam einschlafen ließ.

Alles in allem fand Robert sein Dating-Dasein doch eher enttäuschend. Was sollte er noch hier, da könnte er sich doch auch abmelden, dachte er finster.
Einmal noch blättern, dann nix wie weg hier, nahm er sich vor und klickte sich durch die Frauenprofile. Doch plötzlich hielt er inne. Wow, was für wunderschöne grüne Augen blickten ihn da an! Sogar ein aussagekräftiger Text stand dabei.
Da wusste er, dass es noch nicht vorbei war. Er setzte sich gerade hin, straffte seine Schultern und konzentrierte sich auf die schwierige Aufgabe, der Besitzerin der schönen Augen einen möglichst unwiderstehlichen Text zu schreiben.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.11.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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