Claus Jordan
Die Krähen
An einem Sonntagnachmittag. Helles Blau über dunklen Dächern.
Auf silbernen Kaminen– Alu, das blinkt im Sonnenschein- hocken
große, schwarze Krähen, zu zweit oder allein, und krähen;
schreien sich, für mich codierte, Rufe zu, die ich nicht verstehe.
Und sprengen weg die Stille, durch die ich gehe. Erschreckt bleibe
ich stehen auf der Stelle, an der ich gerade bin, und drehe den
Kopf und sehe hoch zu ihnen hin- und denke: Könnte es sein,
dass sie was wissen und verkünden und deshalb so laut Schrei' n?
Fast scheint' s, als würden sie mit ihrem Kreischen
versuchen mich zu erreichen, als wollten sie reden
mit mir. Schliesslich galten sie doch schon bei den alten
Griechen als ein heiliges, zukunftsdeutendes Orakel-Tier.
Aber auch anderswo, beim Stamm der Crow, sind sie
heilige Tiere: Todes-Boten, welche kommen zu holen
die Seelen frisch Verstorbener, und diese zu bringen
mit rauschenden Schwingen in das Reich der Toten.
Wie sie so da oben, dick aufgeplustert und düster
auf blitzenden Röhren, verharren und mich anstarren,
vermeine ich ihre Blicke zu spüren und das Schlagen
ihrer Flügel zu hören,- ohne das sie sich rühren.
Verwirrt und irritiert wende ich mich abrupt um
und gehe, mit dem Klang ihrer Schreie im Rücken,
schnell weiter die Strasse entlang, bis ich sie nicht
mehr sehe. Und hoffe, sie sind bald stumm!
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.11.2016.
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