Lukas Billek

Schneckentempo



Tropfen prasseln auf den Boden ein,

Herunter kommt es schön und fein.

Warm und nicht zu trocken,

Lässt es sich gut auf einem Felsen hocken.

Mein Haus in die Landschaft schön eingebettet,

Und doch an keinen Standort angekettet.

Ernähren muss ich mich lediglich von Pflanzenresten,

Die teil ich mir gern mit vielen kleinen andren Gästen.

Viele Gärten bepflanzt mit grünem Salat,

Daran zu knabbern wäre doch nun adäquat.

So schaue ich hinüber über die Gartenhecke,

Was für ein entspanntes Leben so als Weinbergschnecke.

 

Ohne Hast über Stock und Stein,

Die Welt so groß und ich so klein.

So langsam wie der Körper der Schnecke,

erreiche ich erst nach Stunden die Hecke.

Doch der Weg wird sich schlussendlich für mich rentieren,

Denn ich kann mir am Ziel einen schönen Salatkopf servieren.

Noch vor der Dämmerung bin ich am Ziel angekommen,

Der Garten für uns Kleintiere wie ein Goldvorkommen.

Ohne Mühen dem Fressen zugewandt,

Salatköpfe gibt es ja nicht allerhand.

Ich genieße das Verzehren meiner wohlverdienten Speise,

Nach dieser langen und beschwerlichen Reise.

 

Alles um mich herum hab ich ausgeblendet,

Mich beinahe der Realität abgewendet.

Es war egal, welche Anstrengungen mich täglich begleiteten,

Solang sie mich zu einem saftigen Salatkopf geleiteten. 

Von Tag zu Tag wurde ich immer zügiger,

Doch der Druck auf mich immer riesiger.

Denn alleine damit war ich schon lang nicht mehr,

Das schneller werden war eine gesellschaftliche Wiederkehr.

Ich hab mich für meine Nahrung komplett verausgabt,

Nie die Auswirkungen auf Körper und Geist hinterfragt.

Ich wollte unbedingt mit allen anderen mithalten,

Vergas dabei komplett mich selbst zu Erhalten.

 

So viele Tierarten um mich herum,

Egal ob Ameise oder Spinne.

Ich fühle mich neben diesen einfach so dumm,

Der Stress vernebelt meine Sinne.

Alle bemühen sich in diesem Konstrukt so sehr,

Die Wirtschaft boomt buchstäblich.

Warum aber fällt mir das alles so schwer,

Wieso fühl ich mich so entbehrlich?

Bin ich da nur ein Einzelfall dem dies so ergeht,

Bin ich nicht gemacht für diese Welt?

Warum bin ich derjenige der so Hilflos dasteht,

Derjenige, den eine derartige Last befällt.

 

Meine Nervenknoten können das gerade nicht verarbeiten,

Mein Körper fühlt sich wie paralysiert.

Hab ich denn gar keine anderen Möglichkeiten,

Oder werde ich dann mit Schwäche assoziiert?

Meine Gedanken daran stürzen mich in ein tiefes Loch,

Ich schaff das alles nicht alleine.

Überlebe ich den Sonnenaufgang morgen noch,

Ohne dass ich mich komplett ausweine?

Ich fühl mich schwach und gänzlich entnervt,

Nicht mal der Salatkopf gibt mir mein nötiges Dopamin.

Gibt es denn nichts, dass diese Lage entschärft,

Oder muss ich mir abhelfen mit Koffein.

 

Ich versuche mich zu fangen, erblicke meine Umgebung,

Bitte für diesen aktuellen Umstand erstmal um Vergebung.

Ich begebe mich selbst in eine Therapie,

Erhoffe mir dort deutlich mehr Empathie.

Doch die Zeit dort war auch keine wirklich effiziente,

Man verschrieb mir lediglich passende Medikamente.

Alles was nicht dem gesellschaftlichen Tempo entspricht,

Passt somit nicht in die moderne Weltsicht.

Diese Tatsache muss ich wohl so akzeptieren,

Und mich mit meinem Dasein arrangieren.

Denn wenn sich auch kein anderer beschwert,

Dann ist an dem Ganzen wohl auch nichts verkehrt.

 

Doch dann fang ich an mein Umfeld zu analysieren,

Versuch mich auf die einzelnen Individuen zu fokussieren.

Und plötzlich kann ich Dinge erblicken,

Die unter der Last der Gesellschaft ersticken.

Ich sehe Tier, ganz kraftlos und angeschlagen,

Mit düsterem Blick und sichtbarem Unbehagen.

Andere Schnecken, die am Vertrocknen sind,

Eine Spinne, die kein Netz mehr spinnt.

Erdhummeln, mit fehlender Nahrung im Magen,

Ameisen, die sich mit Wassermangel durch den Alltag plagen.

Viele Lebewesen, welche ihre persönlichen Grenzen missachten,

Welche die Veränderungen teilweise als gewöhnlich erachten.

 

Die Beschleunigung der Gesellschaft hat einen erschreckenden Effekt,

Man erkennt ihn eigentlich sehr leicht, doch er wird gut versteckt.

Nur weil andere diesen gesellschaftlichen Wandel mitgehen können,

Dürfen sich andere Individuen dennoch eine Auszeit gönnen.

Tägliche Arbeit zu verrichten ist richtig und wichtig,

Bei zu hoher Belastung wird das Gesamte jedoch nichtig.

Alles hängt ab von der richtigen Kommunikation,

Beispielsweise bei psychischen Auffälligkeiten wie dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom.

Denn missachtet man seine eigenen Grenzen,

So kann man auch nicht lange mit guten Leistungen glänzen.

Drum achtet immer gut auf Körper und Geist,

Und sprecht mit jemandem, wenn euch euer Alltag allmählich zerreißt.

 

Mein Alltag als Schnecke hat sich positiv gewandelt,

Meine Nerven sind frei von Negativität.

Ich leg nun mehr Wert auf Effektivität,

Es wird nichts mehr getan, was mir Krankheiten einhandelt.

Ich achte stetig darauf, wie es Kopf und Körper ergeht,

Kümmere mich ständig um mein eigenes Wohlergehen.

Ich möchte mich selbst nie wieder missverstehen,

Meine Perspektive hat sich komplett gedreht.

Zum Überleben benötige ich nicht jeden Tag die wertvollsten Gegenstände,

Muss mich nicht mit Salatköpfen brillieren.

Ich möchte einen gesunden Lebensstil datieren,

Einen ausgeruhten Leib und Verstand bis an mein Lebensende.

Das Gedicht "Schneckentempo" richtet sich als kritisches Gedicht an die schneller werdende Gesellschaft: Die Globalisierung bringt so einige tücken mit sich. Eine dieser ist ein beschleunigender Alltag in den Gesellschaften globalisierter Städte und Länder. Verbunden mit Hast und Habgier geht der Mensch über seine täglichen Grenzen hinaus, um bestimmte Ziele, Interessen oder sonstige Vorhaben zu erreichen - ohne Achtung auf den eigenen Körper und Geist. Immer mehr Menschen gehen an ihren eigenen Forderungen kaputt, treiben sich voran bis in die Depression und verlieren den Sinn für ihren eigenen Wert. Mit diesem Gedicht sollen Menschen angesprochen werden, welche diesen gesellschaftlichen Wandel nicht mitgehen können, wollen oder durch diesen Mental überansprucht werden. Es ist niemals falsch, auch mal etwas kürzer zu treten. Lukas Billek, Anmerkung zum Gedicht

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.07.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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