Brigitte Waldner

Wer ist Heidschi-bum-Beidschi?

Man singt dem Kindlein in der Krippe
ein feines Wiegenlied,
zu einer Melodie,
die weihnachtlich erscheint.
Ist es ein Abschiedswiegenliedchen,
das tröstet und beschreibt,
ein Kindlein liegt im Sterben,
und gleich holt es der Tod?

Ein Vater singt dem Baby tröstend,
was es erwarten wird,
und vor dem offenen Grab
singt man dasselbe Lied.
Es ist kein weihnachtliches Liedchen,
ist es ein Trauerlied,
die Mutter ist schon tot,
und dann stirbt noch ihr Kind?

Wir haben es mitten im Sommer gesungen,
als unsere Lehrerin starb,
wir standen vor dem Grab,
vor über 50 Jahren.
Ein Mädchen sang eine Strophe allein,
ihr Solo rührte zu Tränen,
die Trauergäste weinten
in weiße Taschentücher.

Warum singt man dem Jesuskind
ein Abschiedslied zur Geburt?
Die Melodie gefällt,
die Herkunft ist wenigen bekannt.
Vermutlich ist es kein Trauerlied,
vielmehr ein Klagelied,
mit historischem Hintergrund
aus der Türkenbelagerung.

© Brigitte Waldner

Anmerkung zum Gedicht:
Der Text wurde ursprünglich mündlich überliefert,
daher oft abgeändert in viele Dialekte,
man kennt weder den genauen ursprünglichen Text,
noch den Verfasser.

Hier ist der Text, den der Schülerchor in den 60er Jahren gesungen hat, im Kärntner Dialekt,
bei dem ich dabei war, und wo wir keine Ahnung hatten, worum es geht.

Zitat:

Åber heidschi bum beidschi schlåf långe
Es is jå dei Muatterl ausgången;
sie is ja ausgången und kimmt nimmer ham
Und låsst ihr klans Biabele gånz alan,
Åber heidschi bum beidschi bum bum
Åber heidschi bum beidschi bum bum

Åber heidschi bum beidschi schlåf siaße,
die Engelen låssn di griaßn,
sie låssn di griaßn und låssn dir sågn,
du wirst im Himmel spazieren getrågn.
Åber heidschi bum beidschi bum bum
Åber heidschi bum beidschi bum bum

Åber heidschi bum beidschi im Himmel
då wårtet a goldener Schimmel,
drauf sitzn zwa Engl mit ana Latern,
drin leuchtet vom Himmel der ållerschönst‘ Stern.
Åber heidschi bum beidschi bum bum
Åber heidschi bum beidschi bum bum

Der Heidschi-bum-Beidschi is kemmen,
er wollt mir mei Biabl mitnehmen,
er håt mir’s entrissn und håt’s nimma bråcht,
drum såg i mein Biablen a recht guate Nacht,
Åber heidschi bum beidschi bum bum
Åber heidschi bum beidschi bum bum

Ist es ein altes Trauerwiegenlied aus Böhmen, Bayern Österreich?
…… Verfasser unbekannt, eine Volksweise


Ich habe weitere Quellen gefunden:


Die Türkeneinfälle wurden in Sagen und Überlieferungen eingebettet. Der „Tatermann“ als Brunnenfigur, und der Volksbrauch "Kufenstechen" erinnern an diese Zeit. (Ritt eines Burschen in Gailtaler Tracht auf dem ungesattelten Norikerpferd mit der Eisenkeule in der Hand zum Kufenstechen in Feistritz an der Gail).

Auch das Wiegenlied „Heidschi Bumbeidschi“ geht angeblich auf diese Zeit zurück:
“Da Heidschi Bumbeidschi is kummen,
Und hat mir mein Büaberl mitg’nummen,
Er hat mir’s mitg’nummen
Und hat’s neamma ‘bracht…”

„Hadschi Bombaschi“ war der Titel eines Anführers der türkischen Truppen.
Sie nahmen u.a. sechs- bis zehnjährige Buben gefangen und brachten sie in die Türkei. Dort wurden sie zu den berüchtigten „Janitscharen“ ausgebildet. Dieser traurige Hintergrund des Liedes ist heute nicht mehr bekannt. Diese Strophe wird weggelassen oder durch harmlose Verse ersetzt. Das sieht so aus, als ob Europäer ihre schlimmen historischen Erfahrungen verdrängen müssen.

*

Zwei Jahrhunderte Abwehrkämpfe gegen das Osmanische Reich bewirkten bei Österreichern eine negative Einstellung zu den Türken und ging ins Wiegenlied „Heidschi Bumbeidschi“ ein und in Kinderbücher, wie dem 1904 erschienenen „Hatschi Bratschis Luftballon“ des österreichischen Offiziers, Dichters und Schriftstellers Franz Carl Ginzkey. Dieses Buch, das heute als „Hassliteratur“ verpönt wäre, wurde noch lange als geeignete Kinderlektüre angesehen. Ich habe das Buch als Kind auch gelesen in der Schulbibliothek. Hier ein Text daraus:

"Was kommt dort durch die Luft geflogen
Und immer näher hergezogen?
Es ist, man sieht es deutlich schon
Ein großer roter Luftballon.
Drin sitzt, die Pfeife in der Hand
Ein Türke aus dem Türkenland.
Der böse Hatschi Bratschi heißt er
Und kleine Kinder fängt und beißt er.
O Fritzchen, Fritzchen, lauf davon,
Sonst kommst du in den Luftballon!
Ach, Hatschi Bratschi hat ihn schon!
Er hat ihn schon und hält ihn fest,
Weil er mit sich nicht spaßen läßt.
Er spricht und droht ihm mit der Hand:
Du kommst mit mir ins Türkenland!
Da hilft kein Schrei’n und Weinen,
Kein Strampeln mit den Beinen!"



 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.12.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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