Elnaser Abdelwahab
Das Grab bei Bethlehem
Das Grab bei Bethlehem
Aus mancher Ferne steigt ein Rauschen leise
Und lauert auf in jener stillen Stadt.
Es ist als ob in sonderbarer Weise
Ein dumpfes Blutverlangen sachte wallt
In den Geästen. Und die Bäume neigen
Und biegen sich verhalten vor dem Wind
Und warten ab und zittern und verschweigen
Den Zufluchtsort vom wunden Waisenkind.
Die Vögel wimmern und die fremden Lauben,
Besonnen noch und kniend im Gebet,
Ergrimmen mit und halten ihren Glauben
Aufrichtig hin, auf dass ein Segen geht.
Denn bald erscheinen dröhnend in Emblemen
Aus weißem Stahl und blauem Samt und Lehm
Die Bleisoldaten in dem Einvernehmen
Mit unsrer Welt am Grab bei Bethlehem.
_________________
Sie bauen Andachtsbilder schwarzer Qualen
Lebendig in die lichten Häuser ein
Und ihre Hände, morsch vom Wundenmalen,
zerbrechen seicht an Marmor, Russ und Stein
Und an den Schwielen schwerer Dromedare,
Die nächtens treiben in dem Wüstenmeer
Und Fährten suchen aus dem Tag im Jahre
Da Tempelmauern fielen vor dem Heer
Und jener Klang der klagenden Fanfare
Vergebens betend dann zugleich zerrann,
Ergiebig bald der Diener vom Altare,
Der Seneschall, das Leidenslied begann :
„Du werter Herr der aufgebrachten Scharen,
Gebieter jener wunderlichen Saat.
Die reifen Keime Deines Zornes waren
Die Not gebärend blühend am Sabbat.
Sie wuchsen auf den welken Glaubensbäumen
Aus uns hinaus zu fürchterlichem Leid
Und ließen ab und hielten an den Säumen
Des Zweifelns fest in stiller Herrlichkeit,
Wie mancher Brand an einer Synagoge
Alleine lodernd unsre Wunde tränkt,
Uns aufbewahrt im leisen, letzten Soge
Und dann erbarmend sanft dem Tode schenkt.
Gib, dass wir Deine schwere Hand ergreifen
An unseres Lebensfelsens steilem Hang.
In weiten Winden lass uns bebend schweifen,
Den Frevelsvögeln aufgestellt zum Fang
Und lange stürzen, unsagbaren Tiefen
Entgegenflammend, die vor uns entstehn.
Erhöre uns, wenn aufgesprüht wir riefen,
Im bodenlosen Staunen und Erflehn,
Nach Deiner weiten, unerreichten Gnade,
Um Milde bittend, stutzig, abgrundtief.
Und wenn wir, wie die blassergrünte Jade
In Hoffnungsströmen, neiderfüllt und schief
Vereinigt blieben, lass uns aus den breiten
Der Zornesfluten langsam auferstehn.
Durch Dornenbüsche leidentstellter Weiden
Lass Deine Flüche trachtend in uns gehen
Und Türme bauen bis an Deinem Throne.
In Stein gemeißelt mach den Sternjuwel
Des dumpfen Grollens Erbe Deiner Krone
Und seinen Wächter nenn ihn : Israel,
Der Gottes Streiter. Deine Sterne speien
Ihm Todeswinde brausend ums Gesicht
Und brühn ihn auf. Dann, um ihn zu weihen,
Ergießen sie die Feuer aus dem Licht.
Doch er, wie schräggediehne, übergrosse,
Der dunklen Triebe brütende Morphose,
Nimmt ständig zu und wuchert im Gewicht.
Und seine Stirne funkelt und erlischt.
Und wird ein Traum in unserer Sternenstunde
Auf dass wir ewig seine Wege gehen
Und dass wir tanzen, doch in falscher Runde
Und dass wir beten, doch in dem Vergehn
Den alten Abgott aufgestellt zu haben
Im goldnen Tempel seiner neuen Zeit.
Du Gott wir nähren uns und laben
Im Sündenpfuhl der derben Menschenheit"
_________________
Und Abend kam am hundert fuenften Tage
Des grossen Krieges um die Gaza-Stadt
Und mit ihm Tod, der schwelgte in der Klage
Und ass sich voll und wurde nicht mehr satt.
Der Vater stand am Rande einer Grube
Aus der er grade seinen Sohn entnahm.
Die Andern schliefen weiter in der Stube,
Nachdem der schnelle Sturz so ploetzlich kam.
"Steh auf mein Sohn", so sprach der stolze Vater
Und seine Hand wisch seines Sohnes Blut,
Das zornig quoll aus mancher offnen Ader
Und Leiden schuerte, gross wie jene Glut
Der Abendroete, die den Himmel deckte,
Vom Horizont bald runterfiel wie Schmerz.
Der Sohn blieb weiter liegend da und streckte
Die wunde Hand nach Vaters wundem Herz.
Der Vater schaute liebevoll entgegen:
"Schon gut mein Sohn, verrichte Dein Gebet,
Bald wird es kalt sein und es gibt dann Regen,
Verstehe nur : Wir wurden auserwaehlt !
Gott hat zu Seinen wundervollen Gaben,
Als Zeugen, uns die Zeichen aufgestellt:
Die Scherben die uns so verwundet haben
Sind Stuecke nur der nun zerfallnen Welt
In der die Tugend und die Menschheit starben
Und niemand ehrte sie mit einem Grab.
In der die Priester wie Rabbiner warben,
Bemueht um Gottes Zorn, bis Er ihn gab.
Und anbei standen auch noch die Muslime
Und viele kleine Kinder fielen tot,
Weil sie die Liebe brauchten, die intime,
Stattdessen gab man ihnen Hungernot.
Nur Du und ich mein Sohn wir sind gehalten,
Als Zeugen unbiegsam und stark zu sein.
Das wird uns fuer die Ewigkeit gestalten
Denn wir sind drueben Erz und Edelstein.
Wir kommen vielen Panzern bald entgegen
Und kaempfen bis zur andren Seite hin.
Du musst Dich bald alleine fortbewegen,
Auch wenn ich nicht bei Deiner Seite bin.
Wir kaempfen um die neue Welt des Rechtes
In der nur Gleichheit herrscht und auch Verstand.
Bald wird sie kommen, bald wird alles echtes
Und Guete siegen in dem Heiligland.
Die Mutter und die Schwestern sind gegangen
Und warten schon am Tor vom Paradies
Und werden uns in Lichtern dort empfangen
Und in der Wonne, die uns hier verliess"
_________________
Der Vater und der Sohn sind dann verschwunden.
Wir wissen nicht, ob sie am Leben sind.
Nur Voegel koennen das vielleicht erkunden,
Die hoch den Schauplatz kreisen mit dem Wind.
Versteckt in Baeumen bleiben sie und lauschen,
Weil in dem Himmel manche Zeichen stehn.
Was hoeren sie ? Ist das das dunkle Rauschen ?
Ist das des waisen Kindes stille Flehn ?
Ist es ein Ende in dem Anbeginnen
Des grossen Krieges, was die heute sehn ?
Wird das Gebet der vielen Opfer innen
In jedem Truemmerhaufen laut ? Amen !
Naser
(angefangen 2006 beendet : 6/3/2024)
Vorheriger TitelNächster TitelDie Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Elnaser Abdelwahab).
Der Beitrag wurde von Elnaser Abdelwahab auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.03.2024.
- Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).