Gaby Schumacher

Quuaatsch!

Das Leben hat sich für mich drastisch verändert. Die Ärztin hat mir ´Gemeinschaft` verordnet. Niemals sträubte ich mich gegen ihre Weißkittel-Verordnungen und deshalb füge ich mich. Denn ich fühle mich aus gewissen Gründen seit ein paar Tagen ziemlich hilflos so allein. Mrs. Gesundheit hat mir erklärt: „In ihrem Falle macht das Alleinsein krank, noch kranker und ganz bestimmt nicht gesund.“

Sie trifft mit dieser Behauptung total ins Schwarze, wie ich es zähneknirschend stündlich erfahre. Jede einzige Sekunde ohne ´Ergänzung` macht mir das Dasein zur Hölle. Ich schleppe nämlich ein höchst ungehorsames Baby mit mir herum. Mein Körper protestiert inzwischen vehement dagegen. Er fordert Hilfe an, um es endlich zur Ruhe zu zwingen. Diesen kleinen Pascha, der mir jede Bewegung mit wütenden Aktionen seinerseits vergällt. Und das dauernd und ohne irgendwelche Rücksicht auf Verluste.

Ganz offensichtlich hält dieses Kind nichts von sportlicher Betätigung. Es findet sie nicht allein ausgesprochen unnötig, sondern ist regelrecht zutiefst beleidigt, was dann ich auszubaden habe. Zum Beispiel dann, wenn ich trotz seiner wahrlich beeindruckenden und stichelnden Gegenwehr versuche, die Treppen meines Hauses hinauf zu wandeln.

Wandeln...?? Eine sehr taktvolle Umschreibung dessen, wie ich dann in die höhere Etage ´husche`. Ich kann es mir nicht verhehlen: Die Kaiserin-Sissi-Anmut fehlt mir neuerdings irgendwie. Eher hänge ich wie ein nasser Sack am Geländer und angele mich ächzend vor Anstrengung im Superschneckentempo von Stufe zu Stufe. Oben angekommen, zittere ich vor Schwäche wie Espenlaub und quieke vor Schmerzen wie ein abgestochenes Schwein.

Was wagt dieses unverschämte Baby eigentlich, mich derart zu drangsalieren? „Dem wird jetzt ein Ende gesetzt!“, hat meine Ärztin so schlau gesagt. Ich habe Erbarmen mit meinem armen geschundenen Leib und besorge ihm die Unterstützung, nach der er immer nachdrücklicher verlangt. Schließlich habe ich ja nur den einen und möchte ihn nicht verstimmen. Ich bin auf ihn angewiesen, bin ja kein Geistwesen.

So quäle ich mich zur Apotheke und kaufe Quuaatsch. Es macht auf mich einen eher unerheblichen Eindruck. Jedoch schwört meine Mrs. Gesundheit auf dessen Tüchtigkeit. Da sie davon so felsenfest überzeugt ist, habe ich mich ihr ohne Einwände anzuschließen. Ich bin doch nur ein Laie. Quuaatsch hat nicht viel Gewicht, ist aber ja angeblich von großer Gewichtigkeit. Ich werde einfach abwarten.

Mit diesem wirklich hoch zu achtenden Vorsatz kämpfe ich mich, ´es` unterm Arm, mühsam gen Heimat. Mich beschäftigen schon im Voraus triumphierende Gedanken: „Baby, jetzt wirst du dich wundern. Dir werde ich deine Mucken schon austreiben!“ Ein extra kräftiges Sticheln ist die bezeichnende Antwort. Eindeutig beabsichtigt das Kleine nicht, so schnell aufzugeben.

Im neuen Zuhause eingetroffen verlangt auch Quuaatsch nach Futter. Dummerweise akzeptiert es nur warmes Essen. Ich schimpfe vor mich hin, denn ich mache die leidige Erfahrung: „ Hilfe, Quuaatsch ist ein Vielfrass und sagt gleich so manchem Baby spätestens nach einer jeden halben Stunde Hunger an!“ So habe ich nun sozusagen zwei Babys statt einem; einmal das mich dreist überall hin verfolgende Baby Eins und auch noch Quuaatsch, mein Pseudobaby Zwei. Ich verfluche meine Ärztin aus tiefster Seele, die mir zu dessen Erwerb geraten hat, es aber doch garantiert nur gut mit mir meint.

Ich nehme mir einen Schal, binde ihn zur Trage auf meinem Rücken und setze Quuaatsch hinein. Baby Eins ist wegen dessen Anwesenheit offensichtlich geplättet und vergisst vor lauter ungläubigem Staunen, mir in altgewohnter Weise auf den Wecker zu gehen. Es hat ihm beinahe den Druck verschlagen. Oder...ist es etwa zwischen den Beiden Liebe auf die erste Berührung...?

Ich empfinde Erleichterung. Sichtlich macht sich Sissi zu mir auf den Heimweg. Ich fühle mich wieder als vollwertiger Mensch. Allerdings fordert Quuaatsch auch weiterhin hartnäckig meine Aufmerksamkeit. Es ist recht lebhaft und ruckelt bereits wenige Minuten nach der Fütterung in der Trage herum. „Hier ist es so unbequem!“, knatscht es keck. „Du quengelst mir nicht auch noch etwas vor!“, meckere ich zurück und rücke es zurecht. Für kurze Zeit ist Ruhe. Dann beginnt das Spiel von neuem.

Strenggenommen verdient Quuaatsch gar keine Schimpfe und meine Ärztin erst recht nicht! Denn Baby Eins scheint die Gesellschaft von Baby Zwei notgedrungen zunehmend zu dulden und gibt sich infolge von Stunde zu Stunde friedfertiger. Selbst des Nachts veranstaltet es kein Theater, so dass ich endlich morgens wieder richtig ausgeschlafen bin.

Eine Woche später mache ich mir um Baby Eins beinahe schon Sorgen. Es meldet sich überhaupt nicht. Ich spüre nichts mehr, absoluter Frieden. Sollte es etwa...??

Ja, Baby Zwei hat sich als Top-Schnuller bewiesen. Jetzt bin ich meiner Doktorin dankbar. Sie avanciert in meinen Augen erneut zu der weißen Göttin, die sie vordem immer gewesen ist.

Ich liebkose mein tüchtiges Klein-Quuaatsch und lobe es über den grünen Klee.

Es hat Baby Bandscheibe besiegt.
Quuaatsch ist nämlich eine wunderschöne rote Wärmflasche.

Gluck...!! 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.11.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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