Jürgen Behr

Die geheimnisvollen Zeichen Teil III

Julius: „Lass mich ausreden: Auf dem Bett liegend las ich den Zettel und hätte im gleichen Moment vor Lust an die Decke springen können, all meine schlechte Laune war wie weggeblasen – das versichere ich euch! – vor den hereingeflogenen Gedanken einigermassen guten. Sie erfüllten mich. Ich war wieder in einer guten Verfassung und hatte meinen Tiefpunkt überwunden , bereit zu segeln - hurra!  Ich konnte wieder segeln mit vollen Segeln unter dem Wind!
 
Mark und Jonathan: „Du machst uns neugierig“.
 
Julius:  „Als ich das bedruckte Blatt zu Ende las, spürte ich ein Kribbeln im Bauch. Ich nahm die Gedanken wie Weizenkörner in mir auf, damit sie Früchte bringen. Das war eine wahre Wohltat.
Wie ganz selbstverständlich akzeptierte ich die Schöpferkraft als etwas in mir, in Form von Problemen, in Form von Freude, in Form von immerwiederkehrenden Stimmungs-schwankungen, im Vorhandensein meines brodelnden Innern, aus dem heraus unaufhörlich Schaffenskraft fliesst. Mit dieser Erkenntnis konnte ich wieder mit stiller Freude sagen: Hallo, ich bin wieder zurück! Das bedruckte Blatt ist mir seither niemals mehr aus dem Kopf gegangen. Ich will es euch beim nächsten Treffen zeigen.
 
Es schlägt zehn, der Mond rückt auf das Brandenburger Tor zu, das hell erleuchtet sich gegen den nächtlichen Himmel abhebt. Die Dunkelheit ist vollständig angebrochen.  Ein gemeinsamer Treffpunkt wird abgesprochen, dann auseinander.
 
Jonathan, ein scheuer, belesener und geistreicher Knabe, der sich selbst als Hobby-Schriftsteller und Hausphilosoph bezeichnet, Mark nennt ihn oft der Herkules an Geist, fand erst gegen halb drei in der Nacht den Weg ins Bett. Er sann dem heutigen Erlebnis noch lange hinterher und schrieb eine Menge guter Gedanken nieder, die an diesem Tag aufflogen.
  
Julius, ein hübscher, kluger und sympathischer Junge, durch dessen Leben immer wieder die ungeheuerlichsten Stimmungsschwankungen ziehen, denen er beinahe ganz ausgeliefert ist, der Angst hat vor einem unreflektierten In-den-Tag-hinein-Leben und aus diesem Grund Bewunderung hegt für das Solide, der Menschen liebt, die jeden Tag gleich aussehen, denken, fühlen, wenn sie dabei zielstrebig und reif sind, alles Unausgegorene, Halbe, Träge verachtet, und weiss, dass er fundamental abhängig ist von Dingen, die andere kaum berühren: wie vom Wetter, von der Jahreszeit, von Geräuschen, Gerüchen, vom Schlag der Menschen, die ihn umgeben. All solches prägt und formt ihn, solange er damit in Berührung steht.  Er macht die erstaunlichsten Verwandlungen durch, nicht nur an Haltung, Stimmungen und Gefühlen, sein Chamäleon-Wesen zeigt sich sogar an seinem äusseren Bild. Er macht keine Versuche, die Wandlungen zu verbergen, könnte wahrscheinlich auch nie die Lüge einer gleichmässigen Persönlichkeit aufrechterhalten. Was soll er auch? Er bemerkt natürlich, dass er anders ist als die Anderen, aber seine eigene Art hat neben allen Problemen auch ihren Segen, und er will nicht anders zur Welt gekommen sein. Sein Selbstwertgefühl ist stark entwickelt, sein Selbstbewusstsein noch schwach. Er weiss, er muss mehr unter die Menschen!
Julius war glücklich,  Freunde gefunden zu haben, mit denen er sich prächtig verständigen kann und obwohl er in einer Woche eigentlich was anderes vor hatte, konnte er sich innerlich schnell dazu durchringen, den geplanten Donnerstag Abend sausen zu lassen und stattdessen Mark und Jonathan für das nächste Treffen zu sich einzuladen.
Kaum zu Hause angekommen beendet Julis noch einen langen Brief an SU, ein junges Mädchen einer Südseeinsel. SU schickte ihm per Post ein Foto von ihr und von ihm. Der Schluss ist viel kürzer als er erwartet hatte. Sehr konzentriert. Er ist damit relativ zufrieden.
 
Mark, ein grosser und hagerer Bursche, der ein gewisses forsches und unbekümmertes Auftreten hat, rauscht auf seinem Fahrrad auf dem Weg nach Hause die Strassen entlang und nimmt sich während der Fahrt für die nächsten Tage vor, alles niederzuschreiben, was ihm gerade durch den Sinn geht, wissend, dass er sich zum Schreiben zwingen muss. Wie oft hat er schon versucht, stilvollendet  seine Gedanken  aufs Papier zu bringen, aber am Stil oder so oder sowieso naja scheiterte und das Papier am Ende ganz geruhig in den Papierkorb zu knüllen.
 
 
 
Das Treffen bei Julius abends.
 
In einer freundschaftlichen Atmosphäre sitzen Jonathan, Mark und Julius bei einer Tasse Kaffee am braunen runden Küchentisch. Drei greifbare, angreifbare, angriffige und unter die Haut greifende Persönlichkeiten, die viel über Religion nachdenken, aber furchtbare Mühe haben, mit einem dogmatisch festgelegten Christentum, das zudem noch in einen Haufen sogenannter Konfessionen gespalten ist, zu identifizieren. Vor allem Jonathan ist auf beglückende Weise herausfordernd. Er fordert mit seinen Gedanken immer wieder zum Denken heraus, weiss Mark zu berichten. 
 
Jonathan eröffnet die Gesprächsrunde mit folgenden Worten: „Wenn der Schöpfer mal vor urferner Zeit daran gedacht haben sollte, Menschen als seine Ebenbilder zu schaffen, dann hat er damals bestimmt auch schon an uns gedacht, an die Auserwählten unter seinen Söhnen.
Der Stall von Bethlehem, den gibt es überall: in einem Bauernhaus eines 200-Seelen-Bergdorfes, in einem mexikanischen Elendsviertel oder in einem Fürstenschloss von Luxemburg.
Wir können zu Hause allein oder hier im kleinen Kreis gemeinsam ein Tagebuch schreiben, uns vorgenommen haben wir, das eine als auch das andere zu tun. Nachdem wir nun sieben Tage hinter uns gebracht haben, sitzen wir vereint hier.
Jeder hat ein paar Tagebuchaufzeichnungen der vergangenen Woche mitgebracht. Begeistert liest jeder des anderen unzensierten Ergüsse. Danach versuchen sie aus den einzelnen Tagebuchblätter ein grösseres Stück zu basteln, sie sind sich zuversichtlich, dass es hinhaut, aber es will sich nicht so richtig etwas Übergreifendes und Gemeinsames herausformen; alles  wirkt so steif und gekünstelt. Es fehlt bestimmt nicht am Einsatz. Julius versucht zu integrieren. Noch sind sie zuversichtlich, dass es hinhaut. Wenigstens mit der Zeit.
 
Mark ist schon sichtlich genervt: „Wir werden, wenn wir so weitermachen, auch in neun Jahrtausenden unserer Freundschaft  ....
 
Julius unterbricht: „Gott, wenn das möglich wäre!“
 
Mark: „ lass mich ausreden: .... wir werden dann so viele Erfahrungen ziehen aus dieser Zeit, 9000jährige Weisheitsfülle, dass es uns leicht – leicht sein müsste, ein schönes Tagebuch zu schreiben!  Aber wir haben es aus zwei Gründen nicht leicht: Vor uns toben Kriege, Hass und Rücksichtslosigkeit, Niedertracht und Feindschaft; wahrlich ein ungutes Beispiel, das uns andere sogenannte Christen und  Gläubige anderer Konfessionen geben, so dass die Menschheit einer Katastrophe , einem Supergau zufahren dürfte. Dies lässt sich auch aus allerlei anderen Zeichen annehmen. Und zum andern können wir dem natürlichen Tod nicht entrinnen. Ich habe Angst, dass uns nicht mehr sehr viel Zeit bleibt.
 
Jonathan: „Ich stimme dir zu, Mark, und auch wenn man die Fantasie hätte, das Leben, das wir heute leben um zwei oder dreitausend Jahre zurückzusetzen. Die Zustände ähneln sich so verdammt!
 
Julius: „ Ihr erinnert euch noch an das bedruckte Blatt, das durch das offene Fenster wirbelte, als ein Herbsturm über das Land brauste? Ich versprach euch, das Blatt zu zeigen.
 
Jonathan: „Ja! Noch am gleichen Abend sann ich über deine letzten Worte nach und dabei fiel mir auf, dass du dich wohl schon mit dem Bibelwort beschäftig hast: „Das Weizenkorn muss zur Erde fallen und sterben, damit es Frucht bringen kann“.  Noch lange musste ich darüber nachdenken und stellte mir schliesslich die Frage: Was ist das Leben?
 
FORTSETZUNG FOLGT!

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.02.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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