Christina Göllner

Die Sache mit dem Fingerhut

Das Einkaufszentrum ist wie fast jeden Samstag überfüllt. Entweder kommt man gar nicht an die Regale, oder man hat alle Mühe nicht an ihnen erdrückt zu werden. Frauen, Männer, Kinder und sogar Hunde drängen sich durch die viel zu engen Gänge. Zahlreiche Düfte der verschiedensten Parfüms liegen in der Luft, die Hitze kaum auszuhalten.
Das Quengeln der Kinder, das Jaulen der Hunde und das ununterbrochene Genörgel vieler Männer ertönt aus jeder Ecke.
Irgendwelche Musik, aus schon längst vergangenen Zeiten, wird aus hunderten von Lautsprechern übertragen, nur hier und da unterbrochen von Durchsagen, die den absoluten, den wirklich absoluten Tiefpreis von dem schönen Kleid im Erdgeschoss anpreisen.
Sofort bewegt sich die Menge in Richtung Rolltreppe. Mit viel Kraft, und vor allem Glück, bekommt man ein stabiles Regal zu fassen, und rettet sich so vor der wilden Jagd, nach dem Schnäppchen.
Frauen schleifen ihre Männer hinter sich her, mit Worten wie „Ist das nicht hübsch" fordern sie sie auf, ihnen endlich was zu kaufen. Kinder laufen mit Tränen in den Augen, und „Mamaaaa" schreiend durch die Etagen, bis sie, am Ende ganz verzweifelt, von einer sehr gereizten Verkäuferin zur Information gezerrt werden, von der jetzt schon seit einiger Zeit ununterbrochen die Eltern von Tim, Kai und Sarah ausgerufen werden. Obwohl die Frauen viel mehr ihre Männer vermissen, die mit ihrem prall gefüllten Portmonees schon vor zwanzig Minuten das Weite suchten. Neben Unterwäsche, Hosen und Röcken bekommt man hier noch den ein oder anderen Tritt gratis, denn der Typ, der dich schon die ganze Zeit vor sich herschiebt, wird langsam ungeduldig.

Die Hunde, die unfähig ihren Frust zu zeigen, schon seit gut einer Stunde hinter ihren Frauchen oder Herrchen herlaufen, wedeln jedes Mal, wenn sie den Ausgang sehen, in freudiger Erwartung mit ihrem Schwanz, um dann doch, als laufender Wischmop weiter durch die Gänge geschleift zu werden.

Viele Frauen, genervt von den Bonbon Wünschen ihrer Kinder und den Geldsorgen ihrer Männer, verlieren auch langsam die Lust an der stickigen Luft und den nervigen Bündeln an ihren Seiten.
Das Paradiese, welches sich vor ihnen erstreckt, wird immer mehr von maulenden Schatten überzogen. Das Lächeln, der Glanz in ihren Augen verblasst, der Spass schlägt in Ärger um. Das Schönste was es für sie gibt, wird ihnen von Mann und Kind verdorben, und zur Belohnung bekommen diese dann noch ein Paar Schuhe, oder neue Haarbänder, die im Kampf ergattert wurden.
Jedenfalls verlieren die Frauen jetzt auch so allmählich die Lust am Einkaufen. Die Männer, Kinder und Hunde, lachen, johlen oder bellen als Anerkennung. Noch immer sind die Gänge überfüllt, noch immer schlagen von überall wundervolle Gerüche über...

Das Gedränge beruhigt sich immer mehr, die Leute lassen sich jetzt gerne schieben. Die Frauen, ihre Rachepläne schmiedend, gehen zielstrebig auf die große Türe zu, die mit dem Schild >EXIT< behangen ist. Das Lächeln auf den Gesichtern der Männer wird immer breiter, auch die Kinder verfallen in ein fröhliches Glucksen, und selbst die nervige Töle am linken Bein der Frau, fängt wieder mit dem Schwanz zu wedeln an. Weiter laufen die ersten Frauen plus Anhang auf den Ausgang zu, bis sich die Gesichter vor Freude röten, und die Augen glänzen...

Kurz vorm Ausgang fällt der Frau ganz plötzlich ein, sie hat noch etwas vergessen, etwas ganz wichtiges, dass braucht sie unbedingt! Natürlich findet sie das nur im Obersten Stockwerk. Mit einem Blick voller Zufriedenheit sieht sie wie sich Mann und Kind nach oben schleppen, gequält von der stickigen Luft, von dem Gedrängel, von dem ganzen Einkaufszentrum an sich. Schön zu sehen, wie ätzend die es hier finden, kauft sie im Obersten Stock einen Fingerhut aus Plastik, in grün -hässlich.
Mit dem Satz „das habe sich doch gelohnt" verlassen dann alle, nach 10 minütigem an der Kasse stehen ( für einen nutzlosen Fingerhut ), das Einkaufszentrum - komischer Weise ist die Frau die einzige die lächelt.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.05.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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