Hans Pürstner

INRI 2.0 Teil 6

 

"Der neue Stern von Bethlehem ist wieder aufgetaucht, und die Heiligen 3 Könige sind auch schon da" spöttelten die Leitartikler von Newsweek bis zum Spiegel unisono.

Dass sich im Dezember die große Dreifachkonjunktion von Jupiter und Saturn ereignen würde, war Eingeweihten ja schon lange bekannt gewesen, aber seit die Nachrichtenagenturen die Sensation von der Geheimkonferenz in der Nähe von Haifa vermeldeten, überschlugen sich die Spekulationen in der Weltpresse.

 

Kiryat Ata, der Ort des Treffens war schließlich nicht weit entfernt von Nazareth und dies ließ natürlich schnell die Phantasie der Menschen spielen, auch derer, die von Religion sonst nichts wissen wollten. "Nazareth, war da nicht irgendwas mit Jesus oder so?"

 

 Alleine die Tatsache, dass Mohammed Attah, der außenpolitische Chefberater des saudischen Königs es fertig gebracht hatte, nicht nur selbst in die "Höhle des Löwen" zu kommen, sondern auch noch seinen ägyptischen und jordanischen Kollegen mitzubringen war schon eine kleine Sensation an sich.

Das israelische Außenministerium nahm in Gestalt eines Staatssekretärs teil und nur die Amerikaner

 waren natürlich wieder einmal skeptisch gewesen und sagten in letzter Minute ab, es standen schließlich die Präsidentschaftswahlen kurz bevor, da wollte man es sich ungern mit der jüdischen Wählerschaft verderben indem man einen neuen Anlauf mit ungewissem Ausgang Frieden in Nahost zu schaffen mitmachte.

 

Immerhin fand sich Prinz Henry, auf der Thronfolgerliste von Queen Elisabeth an fünfter Stelle bereit, an der Konferenz teilzunehmen. Da auch der jordanische König einen Prinzen als Teilnehmer geschickt hatte, konnte man sich mit sehr viel Phantasie die heiligen - wenn auch nur zwei - Könige zusammenreimen.

Die wenigen Hotels in der kleinen Stadt mit vielleicht fünfzigtausend Einwohnern waren sofort ausgebucht von Vertretern der Weltpresse, viele mussten mit eilig geräumten Privatunterkünften vorlieb nehmen.

Die Konferenzteilnehmer waren es alles andere als begeistert, dass die Weltöffentlichkeit von der Sache Wind bekommen hatte. Den Konflikt zwischen Palästinensern und Israel lösen zu wollen, war ja wohl schwieriger als die Quadratur des Kreises. Und die arabischen Glaubensbrüder in allen Ländern blickten voller Misstrauen bis hin zu Hasstiraden auf zahlreichen Demonstrationen nach Kiryat Ata. Da wären den Herren etwas mehr Geheimnistuerei lieber gewesen. Aber es war nun mal passiert und so ließ man sich wenigstens mal feiern dafür, dass Araber auch mal den ersten Schritt tun würden anstatt immer nur "Tod den Israelis" zu brüllen.

Auf der entsprechenden Pressekonferenz ließen sie sich aber über Einzelheiten kein einziges Wort entlocken und so waren die zahlreichen Pressevertreter begierig auf alles, was sich als Nachrichten verkaufen ließe.

So kam es gerade recht, dass eine "Gruppe der Weisen" vormittags um elf Uhr zur Pressestunde ins kleine Hotel Fattal einlud.

Auf dem Podium saßen acht hagere und großgewachsene Gestalten in weiße Gewänder gehüllt, aber anders als die üblichen Abas und Burnus der Araber, sie sahen eher aus wie die Kostüme des Ku-Klux-Klans. Von den Gesichtern war außer kleiner Sehschlitze nichts zu erkennen.

"Fotografieren ist nicht erwünscht!" meldete sich einer der Männer zu Wort. "Auch Fragen werden wir nicht beantworten", fuhr er fort. Enttäuscht fragten sich die Reporter schon, was sie eigentlich hier sollten.

 

"Auf einer kleine Schaffarm in der Nähe, zirka zwanzig Meilen östlich von hier auf der Nationalstrasse 21 lebt eine palästinensische Familie mit einem gerade erst geborenen Sohn" verkündete er mit metallisch klingender Stimme. "Die Konferenz die zur Zeit hier stattfindet ist sicherlich ein erster guter Schritt in die richtige Richtung. Aber erst der Sohn dieser Familie wird den Frieden bringen. Vielen Dank!"

 

Sprach´s und schaltete trotz lawinenartig auf ihn einprasselnder Fragen der Reporter das Mikrofon ab und erhob sich genau wie seine Begleiter von den Stühlen um eiligst den Konferenzraum des Hotels zu verlassen. Einige Journalisten liefen schnell hinterher, andere stürzten zum Fenster, um zu sehen mit welchen Fahrzeugen die seltsamen Gestalten den Hof des Hotels verlassen würden. Aber kurze Zeit später war klar, dass diese sich buchstäblich in Luft aufgelöst hatten.

Nur ein kleiner Fotograf des örtlichen Stadtanzeigers grinste verschmitzt und rief "ich hab sie heimlich fotografiert!".

Sofort stürzten sich alle auf ihn und überboten sich mit Angeboten für die Exklusivrechte auf die Bilder.

"Halt, halt!" rief er lachend, "Ich muss doch erst mal sehen, was auf dem Speicher ist!" und schaltete seine Digitalkamera in den Ansichtsmodus um.

An seinem und den langen Gesichtern seiner Kollegen konnte man die Überraschung und grenzenlose Enttäuschung ablesen, als er trocken bemerkte:

"Nur das leere Podium ist drauf, das gibt es doch gar nicht!"

 

Und so blieb den Journalisten nicht mehr zu berichten als die rätselhafte Erscheinung in der Nacht, als sie von lautem Grollen geweckt wurden und nachdem sie an die Fenster gestürzt waren nur noch einen grellen Lichtschein erspähten, der sich schnell in nordöstlicher Richtung himmelwärts entfernte.

 

Am nächsten Tag machte  das Gerücht die Runde, dass Prinz Henry einen etwas unorthodoxen Vorschlag gemacht habe, wie man in den unlösbar scheinenden Konflikt wieder etwas Bewegung hineinbringen könnte.

Die Spekulationen darüber verdrängten deshalb schnell das geheimnisvolle Erlebnis vom Vortag und alle warteten gespannt darauf, wann sich die Teilnehmer endlich dezidiert dazu äußern würden.

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.01.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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