Siegmund Natschke

Der Bücherwurf, Tel III

 

Frank war völlig fertig. Heiß-kalte Schauer durchliefen seinen Körper und er merkte, wie Schweißperlen über seine Stirn liefen. Kühler Wind traf auf sein nasses Hemd, ihm wurde eiskalt. Heute morgen war es noch ein strahlendblauer Frühlingstag gewesen, jetzt sah er kleine Wasserpfützen auf der Einfahrt zufrieren. Es ging ihm nicht gut.

Nach außen ließ er sich nichts anmerken. Sein Anzug saß korrekt, seine Haare waren gekämmt und mit einem freundlich-jovialem Lächeln konnte er noch jeden Kunden dazu überreden, englische Bonds oder amerikanische Zertifikate zu kaufen, oder einfach nur eine Versicherungspolice abzuschließen. Er kannte alle Tricks. Zuckerbrot und Peitsche. Angst machen. Und selbst wenn er nur über das Wetter sprach, war er gedanklich schon zwei Schritte weiter und bereitete rhetorisch schonmal eine Brücke zum Abschluss vor. Ja, aber bei Glatteis kann ja das und das passieren. Und was ist mit Einbrechern. Sind sie unterversichert. Ich geh´ ja gar nicht mehr aus dem Haus ohne die und die Versicherung. Auf die Rente ist ja heute gar nicht mehr Verlass. Wenn Sie jetzt nicht vorsorgen, sind Sie im Alter so arm wie eine Kirchenmaus. Wollen Sie alles der Steuer schenken ? Es winken traumhafte Renditen. Tja, irgendwann hatte er sie alle. Er war der Beste.


Frank spürte einen scharfen Stich in der Herzgegend. Beim Arzt war er nicht gewesen, obwohl er es sich jeden Tag immer wieder aufs Neue vorgenommen hatte. Er blieb einen Moment stehen, weil der Schmerz ihn übermannte. Er bekam keine Luft mehr. Beruhige Dich, beruhige Dich ! Langsam, wie ein alter Mann, schloss er die Haustür hinter sich zu. Seine Hände zitterten. Er hielt sich an der Hauswand fest. Was nützte ihm das ganze Geld, verdammt. Und dabei war er heute abend noch zum Squash verabredet. Aber egal, er würde einfach nicht auftauchen. Zum Absagen hatte er jetzt nicht die Kraft. Er machte Licht im großen Haus und ging in das menschenleere Wohnzimmer. Niemand hier, wie immer. Hier war nie Leben, denn er wohnte alleine. Schritt für Schritt ging er zur Leder-Coach und ließ sich schließlich fallen wie ein Stein. Seine Hand presste er auf die Herzgegend, während der Schmerz bis in den linken Arm wanderte. Zugleich schien sein Rücken zu explodieren. Wenn er es nicht besser wüsste, dann würde er glauben, dass er eine Silvesterrakete wäre, die anfing Funken zu sprühen. Frank versuchte langsam und tief ein- und auszuatmen. Ganz ruhig. Langsam hob er seine Beine an und legte sich. Er konnte nur etwas erhöht liegen, weil er sonst keine Luft bekam. Wird schon wieder. Bisher ist es noch immer gegangen. Er wälzte sich auf die linke Seite und fühlte, wie sein Herz raste. Oh Mann, was war das. Nochmal atmete er ein und aus. Er schloss die Augen und langsam kamen die Bilder des Tages wieder in ihm hoch. Alle Kundengespräche, erfolgreiche Abschlüsse. Und irgendwann vermischte sich Traum und Wirklichkeit.


Plötzlich hörte er einen lauten Knall ! Er schreckte auf. Da musste was passiert sein. Wo kam das her ? Von der Haustür ! Er richtet sich auf und merkte, wie er aufsprang und zur Tür lief. Doch da war nichts. Er öffnete die Tür, sah hinaus und konnte noch eine lange, dunkle Gestalt erblicken, wie sie schnell weglief. Dann schaute er auf die Treppenstufen vor der Tür. Das musste der liegengelassen haben. Er kniff seine Augen zusammen. Es war ein Buch, ein sehr altes, zerfleddertes Buch. Er kniete hin und nahm es fast ehrfurchtsvoll in die Hand. Er konnte sich erinnern, dass er dieses Buch schon einmal in der Hand hatte, vor langer, langer Zeit. Und er hatte niemals gedacht, dass er es jemals wieder in die Hand nehmen würde.

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