Hans Pürstner

INRI 2.0 Teil 12

 

Am nächsten Morgen trafen sich alle zum gemeinsamen Frühstück am Rand des kleinen Zeltdorfes. Die meisten rieben sich noch verschlafen die Augen, nach der ungewohnt kargen Morgentoilette an einem langen Waschbecken aus Kunstoff, jeder hatte nur eine Wasserflasche zum Waschen und Zähneputzen zur Verfügung gehabt. Jizchak, der smarte junge Börsenmakler aus Tel Aviv, und Jenny, die hübsche langhaarige Soziologiestudentin aus Chadera standen neben einem Rentnerpaar, beide Einwanderer aus der Ukraine und vermissten wohl etwas wehmütig den sterilen aber gewohnten Komfort ihres heimischen Badezimmers.

Maria aus Magdala, die Frau aus der Begleiterschar Joshuas reichte jedem von ihnen einen Plastikbecher mit heißem Tee und zwei Stücke Zwieback.

"Ich weiß, ihr wundert euch , dass wir hier Plastikbecher benutzen, wo ich doch immer über den verantwortungsvollen Umgang mit Natur und deren Rohstoffen predige. Aber unser Wasservorrat ist halt sehr begrenzt, da wäre es eine größere Verschwendung es zum Abwaschen von Trinkbechern zu benutzen!"

Joshua war unbemerkt zur Gruppe der Neuankömmlinge gestoßen und lächelte beim Anblick der verschlafenen und etwas verstörten Truppe.

"Ich möchte mit diesem Seminar unter anderem ja auch allen von euch klarmachen, dass unser westlicher Lebensstandard zwar viele Annehmlichkeiten mitbringt, aber er kostet auch etwas. Erst mal viel Geld, das wir mühsam verdienen müssen, kostbare Energie, die oft verschwendet wird, die wir zum Teil unseren Mitmenschen in den armen Ländern wegnehmen, nicht zu vergessen unseren Nachkommen. Die werden bald ohne Öl, Benzin und Kunststoffe zurecht kommen müssen, ob sie damit weniger glücklich sein werden wie wir, wer weiß? Aber immerhin werden sie mit den Hinterlassenschaften unseres ungezügelten Raubbaus an der Schätzen der Natur fertig werden müssen. Strahlender Sondermüll aus den Atomkraftwerken, Klimaveränderungen durch Abgase und wahnwitzige Produktion von Abwärme.

Aber wir intelligenten Menschen sind mal von einem ferne Planeten des Sonnensystems auf der Erde ausgesetzt worden, um uns hier zu bewähren. Um uns die Erde untertan zu machen, aber nicht um sie zu zerstören. All unser Tun wird sorgsam registriert. Eines Tages legen wir alle Rechenschaft ab über unser Tun. Dann entscheidet es sich, ob wir ins Reich der Ewigkeit aufsteigen dürfen.
Bis dahin ist jeder von uns ein Rädchen im Kreislauf der Natur. Dort gibt es vermeint liche Grausamkeiten. Aber genauso wie die Löwin ihre Beute erlegt, was auf den ersten Blick grausam wirkt und doch nur der Nahrung für sich und ihre Nachkommen dient, hat alles einen tieferen Sinn, den wir bloß nicht immer verstehen können.
Darum sollten wir nicht an der Existenz des Schöpfers zweifeln, weil der eine oder andere von uns Schicksalsschläge erleiden musste. Gott ist kein Marionettenspieler, der auf einer Wolke sitzt und an den Fäden jedes einzelnen Geschöpfes zieht, so dass diese es als gerecht empfindet, sondern er steuert das Ganze! Eines Tageswerden wir die Wahrheit erfahren. Aber das wird nicht hier in dieser Welt sein, sondern in einem viel schöneren, ewigen Leben. Tun wir alles was in unserer Macht steht, diese Prüfungen hier auf der Erde zu meistern. Der Schöpfer wird es uns einmal danken!“ 
 

Staunend, mit offenen Mündern lauschten alle seinen Worten. Das war es, was man ihnen schon im Vorfeld berichtet hatte über die Thesen dieses seltsamen jungen Palästinensers. Hier hörten sie es mal mit eigenen Ohren.

"Woher weißt du das, mit dem fernen Planeten, Joshua?" rief ihm Jitzchak ungläubig zu.

"Wissen ist zuviel gesagt, mein Freund, das haben mir die weißgekleideten Gestalten aus meinen Träumen erzählt. Aber es gibt auch einige Wissenschaftler, die eine solche oder ähnliche Theorien aufgestellt haben. Die bezweifeln, das seinerzeit Adam aus Lehm geschaffen wurde. Sie glauben, und ich glaube dies auch, dass Bewohner dieses Planeten, der nur alle paar tausend Jahre in die Nähe der Erde kommt, hier gelandet sind und ihr Erbgut in den bereits auf der Erde lebenden homo errectus verpflanzt haben. Und damit nicht nur einen intelligenten Menschen geschaffen haben, sondern wesentlich mehr. Wie hätten sich die Nachkommen eines einzigen Menschenpaares vermehren sollen ohne die dann unvermeidlichen Nachteile von Inzucht?"

Jizchak war nicht wirklich überzeugt, beschloss aber vorerst zu schweigen.

"Und wie kommen deine weißgekleideten Engel zu dir, wenn dieser Planet doch nur alle paar tausend Jahre in Erdnähe kommt?" fragte eine der jungen Frauen aus der Gruppe.

"Ich weiß es auch nicht, aber hätte sich vor hundert Jahren jemand zu träumen gewagt, dass man bunte Bilder mit Ton durch die Luft senden und empfangen kann?" fragte Joshua zurück.

"Es gibt soviel, was wir nicht wissen. Manchmal ist es besser, einfach zu glauben, als alles zu hinterfragen!"

"Glaubst du an Gott?" meldete sich Hannah zu Wort. Sie war Joshua von Anfang an aufgefallen. Klein von der Statur, aber sehr selbstbewusst in ihren Auftreten. Ihr langes blondes Haar hatte sie mit einem blauen Wollband zusammengebunden, ihre blauen Augen blitzten ihn an. Kein Zweifel, beide hegten starke Sympathie für einander.

"Ja, Hannah, ich glaube an den Schöpfer. Das ist kein alter Mann mit weißem Rauschebart, der auf einer Wolke sitzt und die Geschicke jedes Einzelnen lenkt. Er hat alles geschaffen, den immerwährenden Kreislauf der Natur. Wir Menschen sollten uns aber nicht zu wichtig nehmen und in die Gesetze der Schöpfung mehr eingreifen als dies für unsere Überleben notwendig ist. Die sogenannten Götter die es in den Überlieferungen fast aller Kulturen gibt sind aber Bewohner dieses fernen Planeten, höher entwickelt zwar als wir, aber auch nur Kreaturen des Schöpfers."

Die meisten hatten noch gar nicht bemerkt, dass die Zeit wie im Flug vergangen war bei dieser Diskussion. Ein aufkommender Sandsturm bot die willkommene Gelegenheit, eine Pause einzulegen und so begaben sich alle in die schützenden Zelte.

 

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