Rita Bremm-Heffels

Ein Tag, ein Hund, drei Katzen


Da ist er wieder, dieser Schrei. Stocksteif liege ich im Bett.
Noch einmal, lang gezogen hallt es durch
Flur und Treppenhaus. Alles um mich herum ist noch stockfinster.
Dann – puff - ich habe das Gefühl ein Kartoffelsack fällt auf mich.
Gewichtsschätzung so nach Gefühl – Felix, mein dicker Kater.

Klar, und der Schrei ist sein „Weckschrei“.
„Aufstehen Alte, Futter machen, Türe auf zum Garten.“

Ich blinzele auf meinen Wecker, 4.45. Uhr. Es ist nicht zu fassen, Jeden Morgen startet dieses Ritual früher.
Ich kraule Felix ein wenig in der Hoffnung er beruhigt sich noch einmal, versuche ihn unter mein Decke zu ziehen - doch es nützt nichts. Dazu drängt sich ein dicker pelziger Kopf, legt sich dicht an mein Gesicht und eine lange, feuchte Zunge versucht mir das Waschen zu ersparen. Mist. Hund Schlappsi ist auch wach.
Nun meldet sich auch noch meine Blase.
Ende der Nacht.
Sie haben es mal wieder geschafft. Wie immer.
Tapsig wie ein alter Bär schlurfe ich die 10 Treppenstufen runter, wild um tanzt vom laut brüllenden Felix.
Dazwischen wuselt die kleine Butzi herum, Felix‘ junge Freundin.

Schlappsi, das Leck Tier hat mich mit Gepolter überholt, steht hechelnd unten im dunklen Flur und versucht sich mit Katzen Jagen fit zu machen für den Tag.
Durch die lange dunkle Küche, immer ein Tier zwischen den Beinen, taste ich mich zum Lichtschalter.

Licht an – Bild wie erwartet: Die Katzen hocken auf dem Kühlschrank und starren mich erwartungsvoll an.

„ Los“ soll das heißen“ mach schon.“ Nur Mimmi, Gräfin Mimmi, hält sich abseits.
Sie gesellt sich ungern zu dem üblichen „ Pöbel“. Schließlich ist sie eine Dreifarbige – und die sind nun mal was Besonderes.
Im Kühlschrank das Objekt der allmorgendlichen Katzenbegierde: Ein Stückchen Rinderherz.
Wie sich das für einen richtigen Tierpfleger gehört, kommt zu erst das Tier dann der Mensch.

Wenn nur so wäre wie’s bei normalen Katzen. Man schneidet‘s klein, legt es hin – und schon stürzen sie sich drauf.
Nicht so bei meinen verwöhnten Zauseln. Sie hocken weiter vor dem geschnitzelten
Herz und starren weiter gebannt.
Sie erwarten ihr Spiel-Fang-Freß- Riutal.
Das heißt.: Während ich mir mit der linken Hand einen Honig Toast einpfeife werfe ich mit der rechten kleine Herzstücken wild durchs Zimmer. Immer nur eins, damit sich die drei drum balgen können.
Eigenartiger weise traut sich mein sonst so verfressener Schlappsi nicht an die Stücke ran.
Erst wenn die Katzenmeute satt ist und plärrend vor der Tür zum Garten steht, schleicht er sich langsam , auf dem Bauch robbend, immer noch ängstlich guckend an die restlichen Stücke, streckt seine Zunge aus wie ein Chamäleon und –schwupps weg ist eines nach dem anderen.
Kater Felix, Kumpeline Butzi und Gräfin Mimmi haben inzwischen genug vom Garten. Es ist nicht ihr Wetter.
Besonders Mimmi liebt die Feuchtigkeit gar nicht. Sie schüttelt schon vorsichtig jede Pfote.

Nun beginnt das Tür-auf-Tür-zu Ritual. Da keine Katzenklappe da ist, muß ich, gleich dem Doorman in einem Nobelhotel bei dem unentwegt neue Gäste kommen und gehen, die Türe auf und zu machen.
Jegliche Erziehungsversuche oder Weigerungen meinerseits enden mit wildem Pfoten Getrommel. So sehen auch die Scheiben aus. Dreck verschmiert bis zur Höhe einer ausgestreckten Katzenpfote.
Diese Rein-Raus Zeit dauert ungefähr eine Stunde. Dann sind sie k.o. und suchen einen Schlafplatz.

Hund Schlappsi guckt inzwischen schon beleidigt, weil er sich ob der vielen Mühe um die kleineren Vierbeiner benachteiligt fühlt.
Er setzt seinen: „Warum tust du mir das an Blick“ auf – rollt die Augen nach oben so dass unten das Weiße hervor schaut.
Kein Mensch mit etwas Gefühl bekommt bei diesem Blick kein schlechtes Gewissen.
( Nur die von der Hundeschule behaupten sie wären standhaft).
Also schnappe ich ihn mir und drehe eine kurze Runde über eine Wiese in der Nähe.

Dann ist scheinbar Ruhe eingekehrt – zu viel Ruhe, fällt mir gegen Mittag auf.
Ich vermisse die kleine Butzi. Großsuchaktion im ganzen Haus. Raus war sie nicht mehr. Da bin ich mir sicher. Alle Ecke werden durch geguckt.
Schlappsi beteiligt sich nicht an der Suche. Weiß der Teufel warum nicht.
Mir kommt ein Gedanke und mein Magen dreht sich um. Rauf die Treppe, Schlafzimmertüre auf und mir schießt wie ein Kanonenkugel, laut schreiend Butzi entgegen.
Mehr brauche ich nicht zu sehen um zu wissen was los ist. Der Rest ist zu riechen. Mal wieder.
Ein riesiger nasser Fleck auf der Daunendecke, durch bis auf’s Laken.
Mir ist nach Heulen. Erst vor ein paar Wochen war die selbe Geschichte.
Waschen, endlose Trocken Aktion – und nun – .........

Ich hocke wie behämmert auf der Bettkante. Doch was soll ich tun? Rum brüllen? Nützt nichts mehr.
Also die selbe Prozedur wie ..... Erinnert mich an die alljährliche Spielszene die im TV an Silvester gezeigt wird.

Ich stopfe alles in die Waschmaschine und lege mich total fertig aufs Sofa. Telefon Stecker ist sicherheitshalber raus – ich bin nicht mehr ansprechbar.

Nach vier werde ich wach, bin dösig, als hätte ich eine Nacht mit W. Gorbatschow verbracht.
Mir fällt ein dass ich noch ein Rezept beim Arzt abholen muß. Und ein paar Teile einkaufen.

Hund bleibt zu Hause - ? Er guckt – nein , das geht nicht. Ich bringe es nicht übers Herz.
Er kommt mit, wird schon ...klar Kumpel.

Erst zum Kaufmarkt etwas Rinderherz für die Kätzchen, ein paar Knöchelein für Hundi und drei Puten- schnitzel für mich. Der übrige Kleinkram der noch fehlt ist nicht der Rede wert. Das Meiste auf dem Band ist eh immer für die Viecher. Fällt schon den Verkäuferinnen auf.
Eile ist angesagt – denn Schlappsi liebt es nicht alleine im Auto zu sitzen.

Wenn er brav ist, das heißt, wenn das Lenkrad noch dran ist, die Gurte nicht durchgekaut, die Kabel der Beleuchtung nicht aus der Verkleidung gerissen und überhaupt die Innenverkleidung noch dran ist dann ist es ein guter Tag. Dann war er brav.
Heute ist es einer. Schon von weitem sehe ich die plattgedrückte Nase an der Heckscheibe. Er steht vollkommen erstarrt hinter den total beschlagenen Fenstern. Leute werfen mir vorwurfsvolle Blicke zu. Der arme Hund, wer weiß wie lange der schon im Auto sitzt.
Seine Freude ist so riesig, dass er mir beim Hochspringen die Brille herunter reißt. Die dicken Pfoten auf der Schulter ist es mir unmöglich mich zu bücken. Ein älter Herr hebt sie mir auf: „ Sie haben aber ein niedlichen Hund. Wie der sich freut.“
„ Ja, sage ich“ er ist wirklich meistens niedlich.“
Die Begrüßung ist vorbei und nun will er Beute. Ich gebe ihm, weil das Auto ja heil aussieht, einen kleinen Rippenknochen. Er macht sich gleich drüber her.
Alles andere wird gut verstaut.

Vor der Arztpraxis ist zum Glück gerade ein Parkplatz frei. Ich brauche keine drei Minuten um das Rezept zu holen. Die Apotheke ist gleich gegenüber.
Ich laufe am Auto vorbei und – stutze . Wo ist der Hundekopf? Der sonst jede meiner Bewegungen verfolgt? Zu sehen sind nur die Spitzen zweier Ohren die auf und nieder wippen.
Ein Blick durch die Scheibe genügt. Schlappsi liegt auf dem Bauch: vor ihm die leere Plastikschale auf denen die Putenschnitzel lagen, daneben die aufgerissene, zerfetzte Tüte vom Rinderherz.
Leer.

Er sieht mich und geht sofort in „ Schäm“ Stellung. Pfoten weit nach vorne, Kopf dazwischen, Augen zu.
Ich klopfe mit der Faust an die Scheibe , tobe rum, Leute bleiben stehen und was nützt das Ganze:
Nichts – denn er schämt sich ja schon. Was soll er noch mehr.
Wiedergeben kann er die verschlungene Beute schlecht.
Ich fühle mich hilflos. Geschafft. Am Ende.

Heim nur noch nach Hause.
Da kann er sich dann weiter schämen bis heute Abend.

Vor der Tür packe ich die Reste meines Einkaufs zusammen und zerre Schlapps hinter mir her ins Haus.
Es sieht wirklich aus als schäme er sich immer noch . Recht so. Freiwillig verkriecht er sich in seiner Hütte in der Garage. Kein Vergleich mit dem üblichen Sofaplatz, der ihm nun entgeht.
Und auf den ich mich nun alleine, erschöpft fallen lasse. Nach Felix und Konsorten gucke ich erst gar nicht. Für heute reicht es mir. Na jedenfalls für eine ganze Weile.

Denn - im Grunde weiß ich genau: spätestens nach zwei Stunden tun sie mir alle Leid.

Schlappsi mit seinem traurigen Hundeblick, Felix, Butzi, Mimmi, zwei Stunden, höchstens, dann sitzen sie alle wieder einträchtig um mich herum auf einem ein Meter mal zwei Meter Sofa meiner Großmutter.
Wenn die wüßte.
Ich hänge vorne auf der Kante, kraule Schlappsi an den Ohren, nicht ohne ihm noch einmal zu erzählen wie böse er heute war.
Doch er sieht nicht so aus als ob es ihn besonders interessiert.
Die Schnurris geben verzückte Laute von sich und reiben ihre Köpfe an meinen Beinen.

Welch eine Idylle, ruhig und friedlich. Wie man eben einen Tag beenden sollte.
Auch einen wie heute.
Ist doch irgendwie schön mit Tieren zu leben, lieb, treu und immer wieder für Überraschungen gut..
Da muß man ab und an eben mal ein Auge zudrücken.


R.B. 7.02.2003

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