Klaus-D. Heid

Ich liebe sie ... - Teil II

Wahre Liebe verzeiht alles!
Wahre Liebe verzeiht auch, dass SIE einen Falschen geheiratet hat! Was auch immer ihre Entscheidung ausgelöst hat – es war ein Fehler.
Natürlich denke ich ständig daran, wie meine Traumfrau ein Leben ohne mich führt. Irgendein arroganter Fatzke mit Bodybuilderfigur und zurückgekämmten öligen Haaren fährt nun mit seinen manikürten Fingern über ihren Körper, streichelt das Geheimnis ihrer vollkommenen Brüste und macht das genau mit ihr, wovon ich Nacht für Nacht träume. Seine ekelerregende Schlabberzunge fuhrwerkt womöglich in ihrem Mund herum. Sein durchtrainierter Kunstkörper quetscht sich zwischen ihre Beine, zwingt SIE, sich ihm hinzugeben und stößt...

...AUFHÖREN!

Ich ertrage das nicht! Es gibt einfach Menschen, die zusammengehören. Es gibt Menschen, die füreinander geschaffen sind. Und selbst, wenn Sie das noch nicht erkannt hat, ändert das nichts an dem Schicksal, das sie und mich verbindet! Da hat sich kein Dressman einzumischen! In einer solch intensiven Beziehung darf es keine Störfaktoren geben, die dem Glück im Wege stehen.

Steht etwa die Butter in meinem Laden neben den Mickey-Maus Heften? Plaziere ich den Nagellack zwischen Marmelade und Wallnüssen? Stapeln sich die Schnapsflaschen zwischen Gummibärchen, Tampons und Zahnpasta? Und wenn ich in meinen Regalen für Ordnung sorge, warum steht und liegt dann so ein Schnösel neben meiner Prinzessin wie Schmierseife neben Filetsteaks?

Na gut. Eine Chance habe ich nicht unbedingt so genutzt, wie ich das eigentlich wollte.

Vielleicht hat auch der unerwartete Besuch von Frau Förster seinen Teil dazu beigetragen, dass ich aus dem Konzept geraten bin. Na und? Morgen ist wieder ein Tag. Ihr Tag. Mein Tag.

Unser Tag!

Morgen werde ich mich besser vorbereiten und dafür sorgen, dass alle Försters dieser Welt einen großen Bogen um meinen Laden machen. Wenn’s denn sein muss, hänge ich ein Schild an die Ladentür, auf dem stehen könnte:

-Wegen Baggerarbeiten vorübergehend geschlossen!-

Wissen Sie, was das schlimmste von Allem für mich ist? Was mich jetzt schon wieder so nervös macht, dass ich mir auch noch den Rest meiner Fingernägel abknabbern könnte? Wovor ich regelrecht Angst habe, wenn ich daran denke? Nein? Wissen Sie wirklich nicht?

Die Nächte sind’s!

Diese endlosen, qualvollen Nächte, die ich alleine in meinem quietschenden Bett verbringe! Es sind die gnadenlosen Gedanken, die mich in den Wahnsinn treiben. Kaum habe ich meine Augen geschlossen, sehe ich SIE schon vor mir. Sie! Nackt! Nackt und aufreizend oder zumindest in einem Hauch von Negligé. Ihre vollen Lippen sind eine Winzigkeit geöffnet, ihr Busen wogt bei jedem Atemzug; ihre endlos langen Schenkel leicht gespreizt...

...und ich bin alleine.

Ich sehe sie in Gedanken, wie sie sich rhythmisch und verführerisch zu irgendeinem Musikstück bewegt, dessen Titel ich vergessen habe. Balero? Bolerie? Bulimie? Ist ja auch egal! Jedenfalls tanzt sie einen Tanz vor meinem Bett, der meine Eingeweide zum Kochen bringt. Sie befeuchtet mit ihrer Zunge die Lippen und haucht mir zärtlich ein „Nimm mich...!“ entgegen. Dann zieht sie mir mit einem Ruck die Bettdecke vom Körper, legt sich neben mich und wandert mir ihrer Hand in Richtung meines...

Und ich bin alleine! Alleine... alleine...

Es ist immer dasselbe. Kaum liegt sie in meinem Bett, erwache ich aus meinen kochenden Träumen. Schweißgebadet und verstört sehe ich mich in meinem kleinen Schlafzimmer um und suche SIE, bis ich enttäuscht registriere, dass es wieder nur einer meiner unzähligen Wunschträume war. Wie immer in solchen Momenten, bleibt mir dann nur die Hilfe zur Selbsthilfe. Wofür hat man schließlich freie Auswahl an allen gängigen Männermagazinen? Und doch! Es ist so verdammt erniedrigend, wenn man Trost in platten, gefalteten und retuschierten Hochglanzfotos suchen muss! Außerdem kann keine der Damen mit meiner Traumfrau mithalten. Sie alle sind nur ein Abklatsch einer immer um 16.00 Uhr erscheinenden Realität.

Ob ich sie einfach mal frage, wie ich ihr gefalle?

Was kann schon passieren, hm? Sie könnte mich mit einem meiner Schnitzel aus dem Angebot der letzten Woche erschlagen. Sie könnte auch einen Joghurtbecher über meinem Kopf ausquetschen, dessen Verfallsdatum bereits drei Monate zurückliegt. Sie könnte, schockiert über meine Ehrlichkeit und Offenheit, die Polizei rufen. Sie könnte mich auch hinter meiner Registrierkasse vorziehen, um mich ausgiebig und intensiv abzuknutschen. Allerdings befürchte ich, dass die Wahrscheinlichkeit für die letztgenannte Alternative im Promillebereich angesiedelt ist!

Also?

„Sei tapfer, Sabinski! Warte auf Deinen großen Auftritt. Er wird so sicher kommen, wie die nächste Lieferantenrechnung in Deinen Briefkasten flattert. Nur noch eine Nacht voller Sehnsucht, Männermagazinen und Koitus Interruptus – und schon musst Du nur noch endlos lange Stunden warten, bis es wieder 16.00 Uhr ist!“

Irgendwann bin ich eingeschlafen. Das eine Männermagazin, das die Nacht mit mir verbracht hat, würde ich wohl nicht mehr verkaufen können!

Pünktlich um 9.00 Uhr öffnete ich meinen Laden. Mit etwas Glück konnte ich heute vielleicht den Salat verkaufen, den ich bereits seit einer Woche als ‚Frisch vom Feld!’ anpries. Ich kann es meinen Kundinnen kaum verdenken, dass sie den matschigen bräunlichen Kopfsalat auch für dreißig Pfennige nicht kaufen wollten. Lag er in der nächsten Woche noch immer in der Salattheke, würde ich ihn wohl oder übel meiner Schwester schenken müssen...

Sie wussten nicht, dass ich eine Schwester habe?

Ist auch besser so für sie. Immerhin gibt es außer dem Mann meiner Schwester niemanden, der sich für Hannelore interessiert. Und auch Arno, Hannelores Ehemann, interessiert sich nur für sie, weil sie die größten Möpse der Stadt mit sich herumschleppt. Wenn ich’s genau überdenke, hätte er auch nur Hannis Möpse heiraten können. Mit dem Rest von ihr kann er ohnehin nichts anfangen! Tatsache. Arno ist so ein typischer Mopsfetischist. Für ihn besteht eine Frau nur aus Möpsen. Je größer, desto besser! Und gäbe es in unserer Stadt eine Frau, die in dieser Beziehung mehr als Hanni zu bieten hätte, wäre Hannis Ehe keinen Pfifferling aus meinem Laden wert.

Hanni selbst ist todunglücklich über ihre monströsen Brüste. Sie klagt ständig über Rückenschmerzen und bettelt ihren Mann tagtäglich an, ihr endlich eine Brustverkleinerung zu spendieren. Raten Sie mal, wie Arno zu diesem Thema steht? Wahrscheinlich würde er sogar seinen heißgeliebten elfjährigen VW-Golf verkaufen, um ihr eine Brustvergrößerung zu schenken!

Mir ist es ganz Recht, dass Hanni und Arno mich fast nie besuchen. Seit ich Hanni von den wunderschön festen Brüsten meiner Lieblingskundin erzählt habe, meidet sie meinen Laden; und Arno konnte es nicht verkraften, dass ich ihm einmal gesagt habe, dass übergroße Brüste nur was für heimliche Windelträger sind, die damit ihren eigenen zu klein geratenen Arno kompensieren wollen! Wie auch immer; jedenfalls habe ich Arno und Hanni schon seit Monaten nicht mehr zu Gesicht bekommen.

Mein Arbeitstag begann immer mit dem gleichen Zeremoniell.

Mit einem Becher Kaffee in der Hand packe ich alle alten Lebensmittel in den Regalen von hinten nach vorne. Abgelaufene Verfalldaten werden mit einem Preisschild überklebt. Dann sortiere ich die Männermagazine wieder in den Zeitschriftenständer. Abschließend wische ich mit einem alten Lappen über die Glasplatten der Wurst-und Käsetheke und sorge mit etwas Veilchenduft aus der Dose für ‚Frischluft’. In meinem nicht mehr ganz weißen Kittel mit der Aufschrift ‚Qualität, die überzeugt!’, stelle ich mich hinter meine Registrierkasse – und warte auf Kundschaft.

Eigentlich warte ich ja gar nicht auf Kundschaft. Ich warte nur auf eine einzige Kundin!

9.30 Uhr.

Das kleine Glöckchen an meiner Ladentür bimmelte. Kann das wahr sein? Kundschaft? So früh am Morgen? Oder war es vielleicht der Gerichtsvollzieher, der endlich darauf bestand, die Gewerbesteuer der letzten zwei Jahre einzutreiben?

„Guten Morgen, Herr Schibulewski...!“

Mist! Verdammt! Hühnerkacke! Köterkot!

SIE?

Jetzt?

„Guten Morgen! Heute mal früher als sonst?“

Saudämliche Frage. War sie nun hier oder nicht? Natürlich war sie hier. Sie stand in einem atemberaubenden Kleidchen vor mir, das ihre perfekte Figur noch um eine weitere Winzigkeit perfekter machte. Die Länge des Kleidchens endete genau an jener Stelle, an der ein Mann immer überlegt, ob es noch Oberschenkel oder schon Po ist. In den tief ausgeschnittenen Abgründen der Begierde und der Lust atmete ihr Alabasterbusen die frische Luft der Freiheit. Die zarten Fingerchen meiner Göttin fuhren erogen durchs wuschelige Haar, um die lockige Mähne wild aussehen zu lassen.

„Ja, ja, Herr Schubski... Bin etwas im Stress. Haben Sie wohl irgendwo Nylonstrümpfe versteckt? Anthrazit? Größe 34 bis 36?“

Nylonstrümpfe! Sie wollte in meinem Laden Nylonstrümpfe kaufen! Sie verzichtete darauf, ihren Alabasterkörper durch meinen Laden schweben zu lassen – und fragte mich nach Nylonstrümpfen! War es wohl übertrieben, diese Frage als klitzekleines Kokketieren zu verstehen? Fragte sie mich extra, um mir einen Blick auf ihre Gazellenbeinchen zu gestatten? Welchen Grund konnte es sonst geben?

Ach, Liebste! Wäre ich doch das Nylon auf Deinen Schenkeln. Wie gerne würde ich den Rest meines süchtigen Lebens damit verbringen, an deinem Körper zu kleben...

„Nylons? Anthrazit? Aber natürlich! Größe 34 bis 36...?“

Ich erlaubte mir, den Blick prüfend auf ihre Schenkel wandern zu lassen. Nur einen minimalen Augenblick. Mehr ein Blickchen.

Was für Beine! Wie eben und gerade diese himmlischen Gehstöckchen gewachsen sind. Es waren nicht einfach nur Beine; es waren Einladungen! Zwei samtene, zarte und straffe Einladungen zu einem Phantasieepos, wie ihn selbst die Meister griechischer Erotik nicht besser erdichten konnten!

„Überhaupt kein Problem! Sie wissen doch, dass ich alles habe, wonach Sie fragen könnten!“

„So? Wie nett! Und? Wo finde ich nun die Strümpfe, Herr Schibusky?“

SIE kann’s kaum noch abwarten, von mir beraten zu werden! Garantiert fragt sie mich gleich nach meiner Meinung, ob ihr eine andere Farbe vielleicht besser stehen würde.

„Darf ich Sie gerade zu den Nylons führen? Wenn Sie mir bitte folgen wollen...!“

SIE geht hinter mir. Was für ein kribbelndes Gefühl sich plötzlich in meinem Rücken ausbreitet. Siedend heiß und eiskalt zugleich. Bewusst gehe ich langsam, um den Moment der Erregung lange auskosten zu können.

„Wo ist es denn nun? So groß ist ihr Laden doch gar nicht!“

SIE hat’s eilig, mir wieder ins Gesicht sehen zu können. Die Liebste! Die Beste! Die schönste aller Schönen! Warum fasse ich mir kein Herz – und drehe mich in meiner Wollust zu ihr herum? Weshalb presse ich ihren pulsierenden Leib nicht an mich und küsse sie einfach?

Zu spät.

Ich stehe vor dem Regal mit den Nylonstrümpfen. Nonchalant greife ich das gewünschte Päckchen mit anthrazitfarbenen hauchdünnen Strümpfchen und reiche es meinem Engelswesen.

„Wie Sie wünschten! Anthrazit und 34 bis 36. Wenn Sie vielleicht gestatten, dass ich...“

„Ein anderes Mal, Herr Schlumski. Ein anderes Mal, ja? Sie sind so lieb und schreiben es an? Ich hab’s so furchtbar eilig heute morgen!“

SIE hat ‚lieb’ gesagt. Wie poetisch doch dieses eine Wort aus ihrem Mund klingt. Tausend Geigen ertönen in meinen ungewaschenen Ohren. ‚Lieb’! Sie hätte auch ‚nett’ sagen können. Hat sie aber nicht! Ganz bewusst hat sie sich für ‚Lieb’ entschieden. Bedeutet das, dass sie mich ein klein wenig liebt? Kann es sein, dass sie mir mit diesem einen kurzen Wort ihre Liebe offenbaren wollte?

Im gleichen Moment, als ich sie verzückt ansehen wollte, um ihr mit einem verständnisvollen Blick meine Zuneigung zu versichern, bemerkte ich, dass ich sie nicht mehr bemerkte. Elfengleich muss sie meinen Laden verlassen haben. Die Arme! Quälte ihr Mann sie so sehr, dass ihr kaum noch die Zeit zum Einkauf blieb?

Das kleine Glöckchen meiner Ladentür riss mich abrupt aus meinen mitleidigen Träumen.

„Haben Sie noch etwas von dem kostenlosen Kohl von gestern...?“

Frau Förster!

Das Erscheinen von Frau Förster, so kurz nach IHREM Besuch, war wie ein Glas eiskaltes Wasser nach einem leckeren Vanilleeis. Es bereitete mir Zahnschmerzen.

„Kohl ist leider aus, Frau Förster. Aber ich hätte da noch ein paar ganz vorzügliche Salatköpfe, für die ich Ihnen einen Supersonderpreis machen kann...!“

Bevor ich meine Schwester mit dem vergammelten Zeug beschenke, kann ich ja mal versuchen, Frau Förster zu vergiften, oder?

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Klaus-D. Heid).
Der Beitrag wurde von Klaus-D. Heid auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.10.2001. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Klaus-D. Heid als Lieblingsautor markieren

Buch von Klaus-D. Heid:

cover

Sex für Motorradfahrer von Klaus-D. Heid



Warum kann 69 bei 200 gefährlich sein? Was ist der Unterschied zwischen Kawasaki und Kamasutra? Wie kommt man am besten auf 18000 Touren? Was hat ein überfälliger Orgasmus mit kostenlosen Ersatzteilen für eine BMW zu tun? Die Welt der heißen Öfen steckt voller Fragen, auf die Ihnen Klaus-D. Heid und Cartoonistin Regina Vetter amüsant erotische Antworten geben.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Satire" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Klaus-D. Heid

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Beim Schlachter von Klaus-D. Heid (Satire)
Versteh' einer die Frauen... von Robert Kuehl (Satire)
Das dunkelbraune Poesiealbum von Ingrid Drewing (Wahre Geschichten)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen