Burckhardt Fischer

Das Mahl

Wie Ihr wisst, bin ich manchem Süßen nicht abgeneigt.

Als es nun für meine Frau Mama ans Sterben ging, fast, balde, da holte ich Sie, wann immer es ging, aus dem Heim, darin sie abgestellt, in ihr geliebtes Zuhause, fuhr viele Kilometer, raste, die genehmen Zeiten noch zu erreichen, kleidete sie, trug sie den langen Weg vom Auto bis über die Schwelle ihres Hauses wie eine Braut, und wir hielten Hof daselbst, lauschten den Vögeln, dem Wispern des Grases, den Bienen, Hummeln, Schmetterlingen, schauten in den Wind als gäbe es gestern, heute, morgen.

Nun war es aber Gewohnheit, schon lange, dass ich des Tages einkaufen ging, auch bei einem Delikatessenhändler, dessen Vorfahr ein Dichter gewesen, und der in der Einkaufspassage unseres Architekten, wo früher ein schönes Lokal gewesen, einen edlen Laden sich eingerichtet, und erstand an dieser Stelle mancherlei Kleinigkeiten, leckere Dinge vieler Sorten, von denen meine Mutter wohl kosten möge, da sie es früher gerne gegessen – summa summarum ein ordentlicher Haufen, der eine schmale Börse bewirkte in meiner Tasche. Mir selbst aber stach ein außerordentlicher Kuchen in Augen und Nase: von Größe, Farbe, Duft, ein Stachelbeerbaiser, der selbst mir zumeist zu süße, an diesem Morgen mir aber verführerisch erschien.

Nun aber, als ich meine Mutter geholt, die nicht redete, nicht mehr, seit langem nicht, begann ich aufzutischen, wir zelebrierten das Mahl, ich legte ihr vor dies und das, und jenes, betrachtete sie, wie sie sich nahm: alles. Wir schauten zu den Vögeln, den Schmetterlingen, dem Wind, den Kringeln, die die Sonne wohl malte im Gras, auf den Scheiben, und wendeten uns wieder zu ihrem Gedecke, das sie abarbeitete, ruhig, schweigend, konzentriert und ernst, aber mit einem sanften Strahlen.

Schon lange hatte sie nur wenig noch gegessen. Diesmal aber, da ich doch vieles gekauft hatte in der vagen Hoffnung nur, dass ich sie zu irgendeinem Häppchen vielleicht verführen könnte, da nahm sie alles, alles was in den Schälchen, den Töpfchen, auf den Tellern von mir einladend drapiert, so, wie wir auch früher die gemeinsamen Mahlzeiten zelebrierten: unter einem Blumenstrauß, die Kerze in Vaters Leuchter entzündet. Ich schaute ihr zu, mit Erstaunen.

 

Auf der Seite aber stand, auf einem Teller, mein Kuchen, den ich mir einzuverleiben dachte, sobald meine Mutter, wie jetzt zumeist, schnell müde geworden, kaum dass sie gegessen, und ihr Schläfchen halten würde auf dem blauen Sofa in Vaters Zimmer, eingedenk. Meine Mutter aber, da sie nun alle Teller sonst abgeräumet, lies ruhen ihre Augen auf dieser Torte, so dass ich schnell den Tisch ihr von leerem Geschirr befreite, und als dies geschehen, da zog sie den Teller, zuppelte an ihm mit schwachen Fingern, wiewohl energisch und zielgerichtet, ein frisches Gäbelchen in der Hand fest aufgerichtet, und sie, die sonst allem Süßen reichlich abhold, anders als ihr Sohnemann eher zufrieden mit Gürckchen, Zwiebeln, rohem Gemüse, sie also aß diesen Kuchen, fein zierlich sich Scheibe um Scheibe schälend, Stück für Stück zum Mund geführt mit jeweils Boden, Früchten und Baiser, mit versonnenem Blick, in die Ferne, etwas geneigtem Köpfchen diesem Geschmacke jeweils nachspürend noch, aß ihn mit größter Ruhe und Würde, auf.

Als dieses geschehen, legte sie das Besteck zur Seite, tupfte sich die Lippen mit der vorbereiteten Serviette, und begehrte ins Bett gebracht zu werden, ihres. Nicht das Sofa.

Sie hat lange geschlafen, nochmals in ihrem Hause, und bald darauf war sie tot.

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Burckhardt Fischer).
Der Beitrag wurde von Burckhardt Fischer auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.09.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

Bild von Burckhardt Fischer

  Burckhardt Fischer als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Dämonen-Lady - Lust im Reich der Schatten von Doris E. M. Bulenda



Ich hatte nur mal ausprobieren wollen, ob so etwas funktioniert, so eine Beschwörung. Es war ein albernes Spiel gewesen. Dass daraus eine Bedrohung für mich werden sollte, mein ganzes Leben bald völlig Kopf stehen würde, wie hätte ich das ahnen können...? Der Dämon Aziz fährt nach einer geglückten Beschwörung in den Kopf der Protagonistin und bestimmt ab jetzt ihren Willen, enthemmt sie sexuell, lehrt sie Lust und höchste Leidenschaft, nötigt sie zum Beischlaf mit X-beliebigen - ob mit Männlein oder Weiblein. Er trainiert sie zur erotischen Kampfmaschine [...]

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Abschied" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Burckhardt Fischer

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Die grüne Lampe von Burckhardt Fischer (Wie das Leben so spielt)
Davids Land von Monika Klemmstein (Abschied)
Snowstar von Bianca Cranney (Zauberhafte Geschichten)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen