Regina Elfryda Braunsdorf

ein Winterzauber mit Mutter Erde

Nach all den Tausenden von Jahren hatte die alte Erde beschlossen, ihre vier Söhne: den Frühling, den Sommer, den Herbst und den Winter, nicht mehr in die Straßen der vielen Menschen zu lassen, solange bis :
Angefangen hatte es damit, dass ihr jüngster Sohn, der für die Monate März bis Mai zuständig war, einen Fehler machte. Der Faule trug schon Mitte März alles hinaus. Seine Tulpen und Nelken und sogar schon die Rosen auf die noch verschneiten Felder des Nordens. Und weil natürlich der Schnee die Blumen beim Wachsen gestört hätte, lud der Frühling all den störenden Schnee auf seinen 5000 Kilometer langem Lastkraftwagen und fuhr ihn in die großen Städte bis hin nach Afrika.
Der Transport dauerte bis Juni! Aber da war schon die Zeit der Herrschaft für den zweiten Sohn, den Sommer angebrochen.

Der Sommer war bereits ein richtiger Mann mit einem schönen Bart und schwarzem lockigen Haar. Der hatte für diese jugendlichen Späße seines Bruders gar nichts übrig. Der Schnee, der in den Städten lag, war dreckig geworden und es wurde kalt in den Häusern der Menschen. Die Bäume trugen weder Blätter noch Früchte. Die Vögel saßen frierend in ihren Nestern und sangen keinen Pieps. Das Lob und die Liebe, die der sonst so beliebte Sommer aus den Städten erhielt, blieben ihm verwehrt. Stattdessen hatten ihn Millionen von Briefen erreicht. Die Menschen flehten ihn an, Schluss zu machen. Der Schnee sollte weg und der schuldige Frühling sollte für immer verschwinden. Daraufhin reiste der Sommer zum Herbst, den dritten Sohn der Mutter Erde, um sich zu beraten. Gemeinsam sollte nun überlegt werden, wie das „Problem“ am besten zu lösen wäre.

Der robuste Herbst hatte seinen jüngsten Bruder sowieso noch nie richtig gemocht. Der hatte immer all das Lob und die Anerkennung von den Menschen erhalten, für sein bisschen Blumenstreuen. Er, der Herbst dagegen, hatte sich immer abmühen müssen: Die Früchte und das Korn mussten erntereif gepflegt werden. Die jungen Waldtiere mussten mit Nüssen versorgt werden. Und im November musste dann auch noch alles ausgefegt und für den großen und mächtigen Bruder Winter hergerichtet werden. Der Frühling war das Problem und sollte jetzt endlich verschwinden!

Aber so sehr die Brüder auch nachdachten und überlegten, ihnen fiel keine andere Lösung ein, als zum ältesten Bruder, den Winter zu reisen und um seinen Rat zu bitten.

Der Winter aber hatte nur laut gelacht. Es war doch gut für ihn, dass schon so viel Schnee in den Städten lag. Was kümmerten ihn diese Menschen. Da hatte er doch weniger Arbeit und brauchte im Dezember nur noch etwas Schnee auf die Felder und in die Wälder zu pusten. War doch gut für ihn, dass der dumme Frühling einen Fehler gemacht hatte. Und den eitlen Sommer und den ständig jammernden Herbst hatte der älteste Bruder eigentlich auch noch nie richtig leiden können. Die taten immer so, als ob sie die wichtigsten Jahreszeiten gewesen wären.

Und so saßen nun die Brüder und berieten über das Schicksal des Jüngsten, während der Frühling weiter draußen wie wild umherlief und seine Stiefmütterchen und seine bunten Tulpen ohne Sinn und Verstand auf die Wiesen streute.

Inzwischen war das Weihnachtsfest herangerückt. Die Mutter Erde hatte wie jedes Jahr viele Plätzchen gebacken, gut gekocht und wollte nun noch einen Tannenbaum in der großen Stadt kaufen, um ihn zu schmücken und schöne Kerzen darauf zu entzünden. Aber, was musste sie sehen: Meterhoher schmutziger Schnee lag in den Straßen. Alle Geschäfte waren geschlossen und von ihren Söhnen fehlte jede Spur. Also sauste Mutter Erde auf ihrem goldenen Pferd, dem Wind, zu den Feldern, um nach ihnen zu suchen... Zuerst fand sie den herumirrenden Frühling. Sie wäre aber nicht die weise Erde gewesen, wenn sie nicht im gleichen Moment auch die drei anderen Söhne gefunden hätte. Welch ein Anblick: Äpfel und Nüsse lagen mitten im verwelken Gras. Vogelkücken ließen ihre kleinen Flügel hängen, Füchse heulten wie Wölfe, weil sie in ihrem dicken Fell immer noch froren und oben in der Baumkrone schwebten die drei ältesten Söhne Sommer, Herbst und Winter und palaverten über Probleme und Probleme, so schrill und wütend, dass es alle Nachbarschaft hörte.

Da nahm die Erde das uralte magische unsichtbares Netz aus der Satteltasche ihres Pferdes, des Windes und machte Schluss damit. Sie fesselte ihre Söhne und flog wieder in die Stadt. Die vier Söhne bekamen nun vier Frauen aus dem Menschenvolk. Die Erde lächelte über ihren Winterzauber. Sie brauchte endlich auch vier Töchter. Daran hätte sie auch schon längst denken können.

Und so geschah es:

Schon im neuen Jahr traten der Winter und seine Frau Wärme gemeinsam in den Januar und blieben versöhnlich und froh bis in den März im weißen Schnee liegen.
Im April streute der Frühling mit seiner Frau Blüte endlich wohlüberlegt und geordnet die Blumen und die Samen auf die Wiesen.
Der Sommer trat Ende Juni mit seiner schönen Frau Sonne in die Landschaft. Gemeinsam besuchten sie in einem Hauch milden Windes auch wieder die Städte.
Im Oktober sauste der Herbst mit seiner großen Frau Kastanie über die Felder. Er liebte seine Frau mit Stolz und sie liebte ihn zurück mit Klugheit.

Und die Menschen wurden auch glücklich....

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.12.2023. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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