Eugen Moser

Mein Kartenhaus

Ich baute ein Kartenhaus und in jede einzelne Karte steckte ich mein gesamtes Vertrauen.
Jede Karte musste auf eine bestimmte Position, damit das Kartenhaus nicht zusammen brach.
Ich steckte alles in dieses Kartenhaus, meine Träume, Wünsche, Sehnsüchte, sogar meine gesamte Liebe und ich dachte mir, nichts würde dieses Haus zum Falle bringen, nicht die stärkste Windböe der Verzweiflung, nicht das größte Beben der Wut, nicht mal die Macht des Todes würde daran rütteln.
Ich kümmerte mich um das Kartenhaus, prüfte jeden Tag ob die Abstände stimmten, damit die Karten sich nicht verloren. Sah nach ob sich nicht schon Staub des Vergessens darauf gesammelt hatte. Kümmerte mich um jedes Detail, um mein Kartenhaus aufrecht zu halten und dachte nicht mal im Traum daran, dass es ins Schwanken kommen könnte.
Tage vergingen, Wochen, sogar Monate, in denen sich nichts veränderte an meinem kleinen schönen Kartenhaus.
Doch dann kamen Zweifel auf und ich fragte mich, ob ich wirklich in der Lage war meinem Kartenhaus das zu geben was es zum Stehen brauchte und diese Zweifel brachten das kleine Haus das erste mal zum Schwanken, denn was ich zuvor mit solcher Liebe getan hatte wurde zu Vorsicht und Distanzierung. Ich bekam Angst etwas Falsches zu tun und alles zu Nichte zu machen, denn ich war voller Sorge.
Als ich angefangen habe das Haus zu bauen war ich zwar auch in Sorge aber ich war auch in Sicherheit und ich steckte viel Vertrauen in mich selbst.
Doch mit der Zeit schwand meine Sicherheit und ich machte mir Sorgen darüber, dass wenn ich zu viel Zuneigung in mein Kartenhäuschen steckte es kaputt gehen könnte.
Mein Kartenhaus stand nicht mehr wie eine Eins und es wackelte vor sich hin und ich bekam noch mehr Angst es anzufassen, es direkt anzugreifen um es vielleicht wieder mit der ganzen Sicherheit zum Stehen zu bringen.
Ich war am zweifeln und wusste nicht weiter, all das an was ich glaubte, alles was mir so wichtig war steckte in diesem Haus.
Ich hatte wirklich Angst es zu verlieren, würde nur eine einzige Karte herausfallen, so wäre alles am Ende, dann würde das komplette Haus in einander stürzen und alles mitnehmen was ich hinein gesteckt hatte.
Ich brauchte mein Häuschen und es brauchte auch mich, wir waren abhängig von einander und ich wollte es nicht fallen sehen.
Die Zeit verstrich und ich wagte es nicht mehr mein Kartenhaus anzufassen oder es zu prüfen, ich sah von weitem zu wie es da stand, leicht schaukelte, doch aber immer noch stand.
Eines Tages kam ein Anderer und sah sich mein Häuschen an, er betrachtete es ganz genau und fand anscheinend gefallen daran, ich mischte mich nicht ein und ließ ihn machen.
Und so fing sich der Andere an um das Häuschen zu kümmern, es weiter aufzubauen und seine Liebe hineinzustecken.
Ich konnte nur zusehen, meine Furcht war so groß geworden, so dass ich mich nicht mehr dem Anderen und meinem Häuschen in den Weg stellen wollte, denn es freute mich das es meinem Kartenhaus gut ging, auch ohne mich und mein Kartenhaus hörte auf mich zu vermissen, brauchte mich nicht mehr, es hatte ja nun den Anderen, der sich gut um das Häuschen kümmerte.
Doch meine Liebe und alles was ich in das Kartenhaus gesteckt hatte, blieb darin und ich denke das mein Kartenhaus auch manchmal an mich dachte, doch ich war nun weit weg von dem Kartenhaus, es war unerreichbar für mich und der Andere würde es sicher nicht mehr zurück geben wollen, da er es auch so lieb gewonnen hatte.
Heute blicke ich immer noch zu meinem Häuschen hinüber und sehe ob es ihm gut geht, irgendwann werde ich wieder zurückgehen und selber wieder Hand anlegen und vielleicht wird wieder alles wie es einmal war. Ohne ein Schaukeln, ohne Zweifel und ohne einen Anderen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.04.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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