Thilo Hofmann

Silent Hill Part I

Maria nahm die Zigarette, die ihr der Beamte anbot und zündete sie vorsichtig an. Es war wohl nicht schwer zu erkennen, dass ihr nicht ganz wohl war. Die Aufforderung die der Polizisten gemacht hatte, hätte sie sich zwar denken können, doch sie war dennoch angespannt und ängstlich. Es würde viel Kraft kosten sich zu erinnern, aber so sollte es sein. Maria hob langsam den Kopf. "Es fing an letztes Jahr im Urlaub", aber hören sie selbst, dann wissen bald mehr und können vielleicht verstehen warum ich hier bin.

Ich war müde, die lange Autofahrt hatte mich geschafft. Seid 9 Tagen fuhren wir schon durch den Süden der USA. Ich war mit meinem Vater unterwegs, wir hatten uns lange nicht gesehen und hatten einiges nach zu hohlen. Wir wollen Urlaubmachen, nur zu zweit, ein bisschen die Gegend erkunden. Doch es war anstrengender als wir erst annahmen.
Eine halbe Stunde zuvor hatte ich ein Schild gesehen, "Silent Hill". Der Name war zwar nicht besonders einladend, aber bei dem Gedanken, an noch einen Tag Autofahrt oder sogar eine Nacht im Auto, wurde mir der Name gleich sympathischer und ich trat das Gaspedal durch.
Das Ortsschild hing einsam und verlassen an einer verrosteten Eisenstange, die Schrift darauf konnte man kaum noch lesen. "Silent Hill." Mein Blick streifte über die ersten Ausläufe der Stadt und das Bild was sich mir bot kam einem Horrorfilm gleich, nicht weit hinter den ersten Häusern verschlang ein dichter Nebel die Häuser und Straßen. Die Gebäude waren alle ziemlich alt und heruntergekommen und obwohl es nur kurz nach 6 Uhr war, kam es mir vor als wäre es schon tiefste Nacht. Die vereinzelten Laternen die noch brannten tauchten die Straßen in ein unheimliches Licht. Die meisten Fenster waren mit Brettern vernagelt, als stünde ein Sturm bevor. Alles an dieser Stadt kam mit seltsam vor, nein nicht seltsam, vielmehr Tod kam es mir vor.
10 min später fuhr ich noch immer im Schritttempo durch die verlassen Straßen von Silent Hill, bis dahin hatte ich nur ein komisches Gefühl in der Magengegend, aber nun sollte mir zum ersten Mal die, wie soll ich sagen, die krankhafte Wirklichkeit von Silent Hill bewusst werden. Aber hören sie selbst!
Eine große Kreuzung teilte die Straße und ich sah wie diese sich weiter in Stadtmitte vor grub, wie ein Parasit in ein vermodertes Stück Holz. Rechts von mir war ein ausgedehnter Festplatz. In der Mitte stand ein großes Kinderkarussell, es war eins das sich stetig im Kreis dreht und kleine verzierte Metallpferde auf und ab schaukelten. Ich glaube, jeder kennt so was vom Jahrmark oder sogar aus der eigenen Kindheit. Ich weiß noch genau, wie ich selber in so einem Karussell gefahren bin. Es drehte sich und die dafür typische Musik hörte ich bis ins Auto. Ich nahm an das dort jemand sein musste! Mein Gott, war ich naiv wäre ich doch gleich wieder abgehauen. Ich drehte mich im Sitz herum und sah erst jetzt, dass mein Vater seelenruhig schlief, er schien nichts von alledem mitbekommen zu haben. Leise öffnete ich die Autotür und stieg aus. Der Kies knirschte unter meinen Schuhen und der Mond beleuchtete mir den weg. Es waren nur knapp 50 Meter aber in diesen habe ich mich bestimmt 100 Mal umgedreht um zu schauen ob mein Wagen noch da war. Lachhaft, was? Aber diese Stadt machte mir Angst.
Die Musik wurde immer lauter und die Pferde ritten jetzt direkt vor mir in ihrer gewohnten Bahnen. Sie waren im Gegensatz zu Rest der Stadt gut erhalten und nur an wenigen Stellen war das blanke Metall zu erkennen. Es waren schwarze, braune und weiße Pferde, die sich mit hoch erhobenem Kopf und stolzer Mähne ihre Bahn durchliefen. Sie hatte alle bunte Sättel und waren durch eine Stange mit dem Karussell verbunden.
"Hallo, ist hier jemand? Hallo????". Ich erschrak über meine eigene Stimme, die in den seelenlosen Straßen von Silent Hill, wie ein Gespenst durch die leeren Häuser und Gassen hallte.
Keine Antwort.
Plötzlich und mit einer derart innigen Tiefe durch fuhr mich ein stechender Schmerz! Er schoss durch meinen Kopf, so intensiv, dass ich die Augen zusammen drücken und die Hände an die Schläfen pressten musste. Es wurde mir schwarz vor Augen. Aber nicht wegen des Schmerzes, es war anders. Das Schwarz färbe sich zu Rot und meine Augen fingen an zu tränen. Vor meinem inneren Auge rasten Bilder hin und her. Bilder, die ich nicht beschreiben kann, Bilder die ich nicht beschreiben will. Doch plötzlich, genau so schnell wie es gekommen war, war alles weg! Meine Augen schmerzten immer noch, doch ich wagte es sie langsam zu öffnen.
Mein Magen krampfte sich und einstinktief drückte ich mir die Hand vor Mund und Nase um mich nicht zu übergeben. Das was ich sah war krank! Es konnte nicht real sein, so etwas darf nicht real sein! Das Bild was sich mir bot war wie aus einem widerlichen Horrorfilm. Nicht nur das Szenario was sich vor mir aufgebaut hatte, sondern auch die Stille, die von der Musik durchbrochen war, hatte sich verändert und lies mir die Nackenhaare hoch stehen. Das Karussell drehte sich noch immer, doch statt der schön gestalteten Metallpferde hing etwas anderes im Karussell. Sechs riesige Harken hingen blutverschmiert von Dach herab. An jeden der Haken hing ein Pferd, es waren echte Pferde, die von je einer der riesigen Spitzen durchbohrt waren. Sie wurden mit grotesker Genauigkeit immer in der Mitte des Rumpfes durchbohrt und die Forder- sowie Hinterläufe hingen schlaff herab. Das Blut rann in Bahnen die kleinen Stufen herab. Die Augen der Tiere waren pechschwarz, schwarz wie der Tod und genau davon schienen sie auch getötet. Die fröhliche Musik die vorher von der Musikbox gespielt wurde, hatte sich in schrille Töne verwandelt die einem bis ins Mark erschütterten. Krampfhaft hielt ich den Würgereiz zurück, mit Erfolg. Erst jetzt bemerkte ich, dass sich auch die Umgebung verändert hatte. Neben dem Karussell waren lange Stangen aus Metall in den Boden gegraben und an ihnen hingen seltsam verstümmelte Körper die ich nicht genau definieren konnte. Ich sah auf dem gepflasterten Boden blutrote Abdrücke von Kinderfüßen die sich in Richtung meines Autos erstreckten.
"Mein Auto, ich muss es nur zu meinem Auto schaffen", dachte ich!
Als ich loslief merkte ich wie meine Schuhe in den kleinen Blutspuren wegrutschten und wie diese mich mit kleinen roten Spritzern überhäuften. Ich rannte so schnell mich meine Füße trugen. Kurz darauf konnte ich das Auto sehen, ein Gefühl der Sicherheit machte sich in mir breit. Doch umso näher ich ihm kam umso trügerischer wurde diese Sicherheit. Immer genau konnte ich erkennen das ich nicht auf mein Auto zu rannte sondern auf ein Wrack von PKW das schon mindestens 30 Jahre dort gestand haben muss. Etwa 2 Meter vor dem Auto blieb ich stehen und sah mich um. Nichts. Ich konnte das Karussell kaum noch erkennen und ich wollte es auch gar nicht. Ich sah mir den Wagen genauer an. Ein alter, verrosteter Rover. Die Motorhaube war verbeult und stark mitgenommen. Plötzlich überfiel mich ein böser Gedanke. Ich schritt langsam zu Heck. Zittert fuhren meine Finger über die verblasste Schrift, die ich nur zu gut kannte. Man konnte den Aufkleber sogar noch sehen, leise murmelte ich die Worte die ich auf dem Wrack las "Life is Isi". Ich bekam eine Gänsehaut und alle Muskeln spannten sich an. Das war mein Wagen. Ich hatte diesen Aufkleber etwa 1 Woche zuvor gekauft
Gleich darauf dachte ich an meinen Dad. Dieser saß doch hinten als ich den Wagen verlassen hatte, doch nun war das gesamte hintere Dach verrostet und die Sitze aufgeplatzt. Niemand saß hinten.
Plötzlich sah ich eine Gestalt auf mich zu torkeln, in der einen hielt sie einen länglichen Gegenstand, den anderen Arm sah ich nicht. Wie sie gleich sehen werden konnte ich ihn gar nichts sehen. Als der Schemen langsam auf mich zu wankte konnte ich langsam seine Konturen erkennen. Es lag zwar noch ein großer Schatten auf seinem Gesicht aber ich wusste genau wer es war. Mit geweiteten Augen zog ich mich zurück und musste wie gebannt auf den rechten Arm starren den er in seiner Linken Hand hielt und wie eine Keule hin und her schwang. Bei jeder Bewegung spritzte das Blut aus der Ader die noch blaurot aus dem Stumpf ragte. Die Finger waren verkrallt in dem Arm und die Nägel gruben sich tief in das tote Fleisch. Langsam hob er sein Gesicht und mir trieb es die Tränen in die Augen als ich sah was von den Zügen meines Vaters noch übrig war. Seine Augen waren rot unterlaufen und die Nase war grotesk verdreht. Die Haut hing schlaf und zäh von den Knocken die sich weiß durch die pergamentartige Haut abglichen. Es war nicht mehr mein Vater es war nicht mal mehr ein Mensch. Aber wie sollte ich das in so dieser Situation verstehen? Langsam ging ich einen Schritt auf meinen Vater zu, es schien fast als würde er mich nicht erkennen. Doch gleich darauf funkelte er mich feindselig an. In meinem inneren hoffte noch immer etwas, dass er mich erkennen musste. Ich streckte meine zittrige Hand aus und tastete in seine Richtung. Ein Fehler. Blitzschnell schoss sein linker Arm vor und er holte zu einem Hieb aus. Es sah aus wie in einem billigen Horrorstreifen, mein Vater stand mit verzehrtem Gesicht und hochgerissenen Arm zum Schlag bereit und noch immer rann das Blutt aus der Stumpf über seine schultern und den Rumpf. Der Schlag kam schneller als ich erwartet hatte, doch dafür nicht so schmerzhaft. Der Arm der mich an der Wange traft brach sofort beim Aufprall und eine breite Blutspur ergoss sich über mein Gesicht. Viel schlimmer als der Schmerz, war der Gestank der meine Lungen zum Platzen brachte und das scheußliche Gefühl, das das Blut auf meiner Haut hinterließ. Ich sah wie er den Arm fallen lies und sich nun an meiner Hand zu schaffen machte. Seine verfaulten Zähne bohrten sich in mein Fleisch. Der Schmerz war überwältigen und ich schrie aus Leibeskräften. Ich hatte vor langer zeit einen Kurs zur Selbstverteidigung gemacht und nun sollte er mir das Leben retten. Ich trat im mit ganzer Kraft gegen sein Knie. *Knaaackk* und das Knie bracht in einem spitzen Winkel nach hinten weg. Ich hatte gelernt das man den Gegner zu fall bringen muss und das tat ich dann auch. Mein Ellenbogen rammte sich in seinen Rücken. Mit lautem knacken gab seine Wirbelsäule nach und der Körper klappte wie ein Campingstuhl zusammen. Nun konnte ich mich endlich lösen und zog meinen Arm zurück, doch die Wunde blutete noch immer sehr stark und erst jetzt bemerkte ich wie doll er schmerzte. Das Ding lag zusammen gekauert und probierte wieder aufzustehen, doch ohne erfolg. Dieser Haufen Fleisch sah nicht mal mehr entfernt einem Menschen ähnlich, die Knochen waren teils durch die Haut durchgebrochen und aus einer Wunde strömte Blut das langsam auf meine Schuhe zu kroch. Mit entsetzen musste ich mit ansehen wie sich sein Kopf hob und er mich mit hass verzehrtem Ausdruck ansah. Ein Auge war durch einen Stein zerquetscht worden und blutete stark. Ein Schauer überfuhr mich als ich nachdachte was ich getan hatte, ich hatte meinen Vater getötet. Nein, ich glaube jetzt nicht mehr, dass ich ihn getötet hatte, er war schon lange tot. Ich konnte nicht mehr mit ansehen was dort lag und wandte mich um. Hätte ich es doch nicht getan. hätte ich doch nur.! Mein Herz blieb für mindestens 5 sek. stehen und ich konnte nicht atmen! Nein! Bitte nicht! Verängstigt starrte ich auf das, was sich vor mir aufgebaut hatte. Eines der Pferde aus dem Karussell hatte sich aus seinem Harken gehoben und stand nun hinter mir. Blut und Eingeweide hingen aus der riesigen Wunde! Auf dem Pferd saß ein groß gewachsener Clown mit einem erschreckenden Lächeln auf den Lippen. Seine Zähne waren wie die von einem Hai, spitz, klein und ungeheuer furcht einflössend. In seiner rechten Hand hielt er einen langen Säbel.
"Hoppe, Hoppe Reiter! Und wenn er fällt, DANN SCHREIT ER!!!!!!" Mit diesen Worten ließ er die Klinge auf mich niedersausen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.08.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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