Dennis Kesy
"Hyacinth"
Ich bin mir selbst ein Regenschirm. Zwischen
"Alles Gute kommt von oben" und "You don't know what you got, till it's
gone". Wahrscheinlich war ich nie trockener hinter den Ohren, als jetzt
hier im Regen.
Das große Tor wird aufgeschoben. Kleine Steine
fallen davon herunter. In den großen Fenstern stehen Hyazinthen. Ein
kräftiger Mann tritt hervor und sagt: "Es wird Zeit..." Schön, denke
ich, wir haben alle darauf gewartet. Ich eile heran und trete meine
Füße auf dem Absatz ab. Von drinnen drängen viele Stimmen. Man nimmt
mir den nassen Mantel ab und hängt ihn an die Garderobe. Es hat alles
seine Ordnung.
Ich gehe durch den langen Flur und gelange zu
dem Saal, in dem sie schon alle sitzen. Runder Tisch, jeder an seinem
Platz, Gläser mit Whisky, Smalltalk, das Wetter. Ich gehe heran an den
Tisch und gebe ihnen nacheinander die Hand. Ein freundliches Grinsen,
der andere guckt skeptisch; ich gucke ernst zurück. Man befragt mich
über meine Anreise: Alles zu ihrer Zufriedenheit? Ja, alles bestens,
danke. Die Fahrer waren freundlich und diskret, ja, alles wie
besprochen. Gut. Der Kräftige von vorhin holt einen Stuhl heran. Ich
bedanke mich und nehme Platz, lege den schwarzen Koffer auf den Tisch.
Zufriedene Gesichter, der eine wieder skeptisch. Ich wische den Koffer
ab, der Tisch wird nass. Man bestellt ein Handtuch. Der Koffer hat
einen Zahlencode, fünf Ziffern, ich drehe, bis die Zahlen stimmen. Man
ist gespannt. Der Kräftige wischt den Tisch mit dem Handtuch, bietet
mir zudem eins an. Ich danke und trockne mich ab. Alles hat seine
Ordnung. Die Spannung steht ihnen ins Gesicht geschrieben, der eine
reibt seine Hände. Ich mache einen Witz; es wird gelacht; ich öffne den
Koffer. Die Gesichter erhellen sich, der Skeptische grinst in sich
hinein. Fünf Kilogramm, ungestreckt, kosten sie, ja, das stimmt so. Ich
verteile Proben und preise die Ware an. Ein Blick in die Runde, man ist
zufrieden. Bestellungen werden gemacht. Jeder ein Kilo jetzt für die
Hälfte, danach der übliche Preis. Bei Bestellungen über drei Kilogramm
gibt's Rabatt. Man ist begeistert, das Geschäft läuft gut so, denke
ich, alles hat seine Ordnung. Ich verkaufe meine Ware, trinke zwei,
drei Whisky, sage guten Abend und gehe dann wieder. Der Kräftige bringt
mir den Mantel und öffnet das Tor. Ich frage nach einer Zigarette und
lasse mir Feuer geben, draußen regnet's immer noch. Ich verlasse das
Gebäude und stelle mich mitten rein. Mein Hut mit der weiten Krempe
hält mein Gesicht von Regen frei, meine Zigarette geht nicht aus; ich
bin mir selbt ein Regenschirm.
Vorheriger TitelNächster Titel
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Dennis Kesy).
Der Beitrag wurde von Dennis Kesy auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.08.2005.
- Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).