Gaby Schumacher

Wer zuletzt lacht ... !

 

 

Ich klemme mir eine Decke unter den Arm und wandere zum Fluss. Auf einer idyllisch gelegenen Wiese direkt am Ufer lasse ich mich nieder. Der azurblaue Himmel über mir, die sich leicht im Winde wiegenden, in der Sonne blitzenden Baumkronen und der Anblick meiner blumenübersäten Wiese verführen mich zum Träumen. Der Alltag ist vergessen.

 

 

 

Wie erholsam, diese Ruhe! Das Herz geht mir auf. Ich freue mich an der Natur ringsum, betrachte voller Wonne all die leuchtenden Blüten und auch den saftig-grünen Teppich rings um mich her. Auf einmal stutze ich. Da hat sich doch an einem der Halme etwas gerührt. Ich sehe genauer hin und entdecke ein schmales, bräunliches Etwas, das sich auf sechs Beinen langsam zur Spitze des Halmes vor arbeitet. Es entpuppt sich als ein Exemplar der für ihren Fleiß so bekannten Ameisen.

 

 

 

Moderne Ameisen lieben nicht nur ihren Wald, sondern besonders die Nähe zum Menschen, dabei vor allem die Ausflüge in dessen Küche. Die Bodenfliesen mit ihren breiten Fugen sind als Straßen bestens zu nutzen. In ihnen herrscht dann während der Sommermonate reger Verkehr (immer im Gänsemarsch), der von der pfiffigen Ameisen - Generalin flugs in die verschiedenen Küchenschränke umgeleitet wird. Relativ entsetzt starren wir auf das bald unüberschaubare Gewimmel zu unseren Füßen. Unsere hilflosen Gegenwehr-Versuche stacheln diese liebenswerten Tiere höchsten zu einem noch muntereren Treiben an.

 

"Äätsch, wir sind in der Übermacht!"

 

Und uns kribbelt es am ganzen Körper.

 

 

 

Die Erfahrung hat mich gelehrt:

 

"Eine Ameise kommt selten allein!"

 

Leider erweisst sich das als eine für mich infolge sehr unangenehme Tatsache. Ameise Eins (ich taufe sie Krabbel) hat inzwischen das obere Ende des Halmes erreicht und ist`s zufrieden, bleibt dort still sitzen, vermutlich, um zu verschnaufen. Seien Sie mal so ein klitzekleines Vieh und erklimmen ein grünes Ungetüm von mindestens dreißig Zentimetern Höhe, dann wären auch Sie aus der Puste.

 

 

 

Doch da naht bereits Gesellschaft in Gestalt einer Artgenossin, der wiederum eine dritte folgt.

 

"Aller guten Dinge/Tiere sind drei!?", denke ich.

 

Den Ameisen ist meine Überlegung, so wie es scheint, ziemlich egal. Sie haben einen Plan, der mir so gar nicht gefallen soll. Der Gerechtigkeit wegen verpasse ich den beiden Nachzüglerinnen ebenfalls Namen. Nummer Zwei heißt von da an Kribbel und das dritte Minimonster nenne ich Wusel.

 

 

 

Krabbel, Kribbel und Wusel setzen sich also dort oben in Positur. Ich fühle mich gründlichst taxiert, was mich doch leicht verunsichert. Was soll das?

 

"Welch` eine riesige Ausgabe!", vernehme ich da.

 

Offensichtlich brütet Krabbel etwas aus, wobei dann ich eine nicht unwesentliche Rolle übernehmen soll. Spielt mir meine Fantasie einen Streich? Eines jedenfalls ist sicher: Ich bin stocknüchtern.

 

"Ob es sich eignet?", höre ich Kribbels piepsige Anfrage.

 

"Stellt euch doch mal vor ... Es wäre doch der reinste Wahnsinn!", deutet Wusel zögerlich an.

 

"Das ist er allerdings jetzt schon!", fährt es mir durch den Kopf. "Die sitzen da wie ´ne Mikro-Jury!"

 

Die wollen mich prüfen. Auf was bloß und wie wird es für mich enden?

 

"Die halten mich für ein extra großes Blatt und überlegen vielleicht sogar ... ?"

 

Denen wollte ich nicht zeigen, wie mein Herz jetzt vor Aufregung pumpte.

 

 

 

Die Krabbel-Kribbel-Wusel-Jury hat sich inzwischen auf die Rückseite des Halmes zur Beratung zurückgezogen. Atemlos hocke ich da und warte auf das Urteil. Offensichtlich sind sie sich schnell einig, denn nach nur einer einzigen Minuten pflanzen sie sich, dann in ihrer vollen Größe, vor mir auf.

 

"Wie C.D., E.F. und G.M. von NOPR!", sage ich mir.

 

 

 

"Also ... ", beginnt G. M.-Wusel sanft. "Ich bewundere Deinen Mut, Dich dieser Untersuchung zu stellen. Mich rührt es fast zu Tränen (seit wann heulen Ameisen?), wie Du durch aufrechte Haltung versuchst, uns zu beeindrucken. Allein muss ich dir sagen, dass Du leider den Anforderungen nicht gerecht wirst. Du müsstest viel bescheidener auftreten. Schade, als Blatt taugst du einfach nicht.“

 

Erschüttert sieht mich Wusel mit einem ihrer routinierten G.M.- Kondolenz-Blicke an und wirkt total zerknirscht.

 

In Erinnerung daran, wie sich die Kandidaten bei NOPR stets charmant lächelnd für eine Abfuhr bedankt haben, tue ich eben Selbiges:

 

„Dankeschön.“

 

Nur mit dem Unterschied, dass das in meinem Falle ehrlich gemeint ist.

 

 

 

Ich wende mich Richterin Nummer Zwei, Kribbel, zu, die mir da eine verblüffende Ähnlichkeit mit E.F. zu haben scheint. Genau wie jene setzt E.F.-Kribbel ihr sanftestes Lächeln auf und setzte an:

 

„Weißt du, ich bin ähnlicher Meinung wie Wusel. Ich sehe zwar Ansätze, die dich eines Tages zu einem brauchbaren Blatt machen könnten, aber diese reichen bei weitem noch nicht aus. Du gibst dir ja erkennbare Mühe, ruhig auf einer Stelle zu verharren wie ein anständiges Blatt es täte. Aber da ist noch deine unmögliche Größe ... Tja, wenn du dich dazu entschließen könntest, etwa um neun Zentel zusammen zu schrumpfen ... Heute jedenfalls kann ich dir keine Zusage geben!“

 

Beinahe verschämt meinen Blick suchend, zuckt sie verlegen mit dreien ihrer sechs Beine. Ich empfinde großes Mitleid mit ihr, neige demütig tief meinen Kopf, wobei ich strikt darauf bedacht bin, ja keines der Jury-Mitglieder zu verletzen, gucke dem Anlasse angemessen ebenfalls traurig (schon gekonnter!) und hauchte meinen Dank, den sie, deshalb erleichtert, bereits wieder etwas froher zur Kenntnis nimmt.

 

 

 

„Jetzt kommt` s drauf an!“, bete ich in meinem Inneren.

 

Krabbel, der Mikro-C:D.-Verschnitt da vor mir, durchlöchert mich förmlich mit ihrem Blick. Ihr süffisantes Grinsen sticht als ein durchbohrender Pfeil in meine Seele. Ich fange an zu bibbern, meine Stimme bebt und meine Füße trampeln unkontrollierbar meine schöne Decke in –zig unschöne Falten.

 

„J... Jaah?“

 

Keine Antwort. Weiter dieses unverschämte Grinsen.

 

„Was glaubst du denn?“

 

Typisch, ich hab` es ja geahnt: Krabbel treibt die Quälerei auf die Spitze, ergötzt sich an dem vor Furcht zitternden Etwas da vor ihr. Anstatt mir zu antworten, schaut C:D.-Krabbel ihre Kolleginnen an, zwinkert ihnen zu und alle Drei prusten los.

 

„Der ist hier total fehl am Platze. Und so etwas will in unsere Dienste treten?“

 

Mit puterrotem Kopf sitze ich da, fassungslos starre ich sie an. Mindestens zwei Minuten dauert der Zirkus. Danach schließlich bekomme ich mein Fett weg.

 

 

 

„Haste schon mal in den Spiegel geguckt? Wenn man als ein solcher Fettwanst wie du herum läuft, sollte man sich zuhause im Bett verkriechen und die Umwelt mit seinem Anblick verschonen.“

 

Jetzt tippen Krabbel, Kribbel und Wusel inzwischen so feste auf ihrem Blatt herum, dass sie beinahe herunter fallen. Sie schüttelten sich vor Lachen. Krabbel setzt noch eins drauf. Der Grad der Beleidigung reicht ihr wohl noch nicht aus:

 

„Selbst, wenn wir dich in tausend Schnipsel schnitten ... krachte ein einziger von denen auf unsere Burg, wären wir alle Matsche, du fettleibiges Ungetüm. – Und jetzt zieh Leine. Du verdunkelst uns nur die Umwelt!“

 

C.D.-Krabbel hebt ihr zweites Vorderbein, knickt es etwas nach unten ab als erbarmungsloses (Daumen-) Zeichen, dass es jetzt reicht und ich mich gefälligst zu verdünnisieren habe.

 

 

 

Ich bin schon immer ein guter Schauspieler gewesen. Eine wahre Grabesmiene aufsetzend, flüstere ich mit ersterbender Stimme:

 

„Ich fühl mich jetzt dreckig.“

 

Damit das noch glaubwürdiger wirkt, verdrücke ich sogar eine Träne.

 

Im Stillen denke ich:

 

„Wenn ihr wüsstet ... !

 

 

 

Ich klaube meine Decke vom Boden, mache einen Schritt zur Seite und zertrete hämisch grinsend die immer noch gröhlende C.D-Krabbel. Die anderen Beiden verschone ich.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.07.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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